Die Aufgeregten | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
Frieden so wenig Ruh als im Kriege.

Sie tun immer so große Sachen, dass sich ein gescheiter Kerl daran
zuschanden denkt.
Martin. So habt Ihr mit dem König gesprochen, Gevatter? Durfte man
so mit ihm reden?
Breme. Freilich durfte man so und noch ganz anders; denn er wusste
alles besser. Es war ihm einer wie der andere, und der Bauer lag ihm
am mehrsten am Herzen. Ich weiß wohl, sagte er zu seinen Ministern,
wenn sie ihm das und jenes einreden wollten, die Reichen haben viele
Advokaten, aber die Dürftigen haben nur einen, und das bin ich.
Martin. Wenn ich ihn doch nur auch gesehen hätte!
Breme. Stille, ich höre was! Es werden unsere Freunde sein. Sieh da!
Peter und Albert.

Siebenter Auftritt Peter. Albert. Die Vorigen.
Breme. Willkommen!--Ist Jakob nicht bei euch?
Peter. Wir haben uns bei den drei Linden bestellt; aber er blieb uns zu
lang aus, nun sind wir allein da.
Albert. Was habt Ihr uns Neues zu sagen, Meister Breme? Ist was von
Wetzlar gekommen, geht der Prozess vorwärts?
Breme. Eben weil nichts gekommen ist, und weil, wenn was
gekommen wäre, es auch nicht viel heißen würde, so wollt' ich euch
eben einmal meine Gedanken sagen: Denn ihr wisst wohl, ich nehme
mich der Sachen aller, aber nicht öffentlich, an, bis jetzt nicht öffentlich;
denn ich darf's mit der gnädigen Herrschaft nicht ganz verderben.
Peter. Ja, wir verdürben's auch nicht gern mit ihr, wenn sie's nur
halbweg leidlich machte.
Breme. Ich wollte euch sagen--wenn nur Jakob da wäre, dass wir alle
zusammen wären, und dass ich nichts wiederholen müsste, und wir
einig würden.
Albert. Jakob? Es ist fast besser, dass er nicht dabei ist. Ich traue ihm
nicht recht; er hat das Freigütchen, und wenn er auch wegen der Zinsen
mit uns gleiches Interesse hat, so geht ihn doch die Straße nichts an,
und er hat sich im ganzen Prozess gar zu lässig bewiesen.
Breme. Nun, so lasst's gut sein. Setzt euch und hört mich an. (Sie
setzen sich.)
Martin. Ich bin recht neugierig, zu hören.
Breme. Ihr wisst, dass die Gemeinden schon vierzig Jahre lang mit der

Herrschaft einen Prozess führen, der auf langen Umwegen endlich nach
Wetzlar gelangt ist und von dort den Weg nicht zurückfinden kann. Der
Gutsherr verlangt Fronen und andere Dienste, die ihr verweigert, und
mit Recht verweigert; denn es ist ein Rezess geschlossen worden mit
dem Großvater unsers jungen Grafen--Gott erhalt' ihn!--Der sich diese
Nacht eine erschreckliche Brausche gefallen hat.
Martin. Eine Brausche?
Peter. Gerade diese Nacht?
Albert. Wie ist das zugegangen?
Martin. Das arme liebe Kind!
Breme. Das will ich euch nachher erzählen. Nun hört mich weiter an.
Nach diesem geschlossenen Rezess überließen die Gemeinden an die
Herrschaft ein paar Fleckchen Holz, einige Wiesen, einige Triften und
sonst noch Kleinigkeiten, die euch von keiner Bedeutung waren und
der Herrschaft viel nutzten; denn man sieht, der alte Graf war ein
kluger Herr, aber auch ein guter Herr. Leben und leben lassen, war sein
Spruch. Er erließ den Gemeinden dagegen einige zu entbehrende
Fronen und--
Albert. Und das sind die, die wir noch immer leisten müssen.
Breme. Und machte ihnen einige Konvenienzen--
Martin. Die wir noch nicht genießen.
Breme. Richtig, weil der Graf starb, die Herrschaft sich in Besitz
dessen setzte, was ihr zugestanden war, der Krieg einfiel, und die
Untertanen noch mehr tun mussten, als sie vorher getan hatten.
Peter. Es ist akkurat so; so hab' ich's mehr als einmal aus des
Advokaten Munde gehört.
Breme. Und ich weiß es besser als der Advokat, denn ich sehe weiter.
Der Sohn des Grafen, der verstorbene gnädige Herr, wurde eben um die
Zeit volljährig. Das war, bei Gott! Ein wilder böser Teufel, der wollte
nichts herausgeben und misshandelte euch ganz erbärmlich. Er war im
Besitz, der Rezess war fort und nirgends zu finden.
Albert. Wäre nicht noch die Abschrift da, die unser verstorbener Pfarrer
gemacht hat, wir wüssten kaum etwas davon.
Breme. Diese Abschrift ist euer Glück und euer Unglück. Diese
Abschrift gilt alles vor jedem billigen Menschen, vor Gericht gilt sie
nichts. Hättet ihr diese Abschrift nicht, so wäret ihr ungewiss in dieser
Sache. Hätte man diese Abschrift der Herrschaft nicht vorgelegt, so

wüsste man nicht, wie ungerecht sie denkt.
Martin. Da müsst Ihr auch wieder billig sein. Die Gräfin leugnet nicht,
dass vieles für uns spricht; nur weigert sie sich, den Vergleich
einzugehen, weil sie, in Vormundschaft ihres Sohnes, sich nicht getraut,
so etwas abzuschließen.
Albert. In Vormundschaft ihres Sohnes! Hat sie nicht den neuen
Schlossflügel bauen lassen, den er vielleicht sein Lebtage nicht
bewohnt; denn er ist nicht gern in dieser Gegend.
Peter. Und besonders, da er nun eine Brausche gefallen hat.
Albert. Hat sie nicht den großen Garten und die Wasserfälle anlegen
lassen, worüber ein paar Mühlen haben müssen weggekauft werden?
Das getraut sie sich alles in Vormundschaft zu tun,
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