Die Aufgeregten | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
alle Tage
vor Augen habe, ha, ha, ha! Sehn Sie nur das Häubchen, dass wie
Fledermausflügel vom Kopf los steht.
Breme. Nun, nun! Zu ihrer Zeit lachte niemand darüber, und wer weiß,
wer über euch künftig lacht, wenn er euch gemalt sieht; denn ihr seid
sehr selten angezogen und aufgeputzt, dass ich sagen möchte, ob du
gleich meine hübsche Tochter bist: Sie gefällt mir! Gleiche dieser
vortrefflichen Frau an Tugenden und kleide dich mit besserm
Geschmack, so hab' ich nichts dagegen, vorausgesetzt, dass, wie sie
sagen, der gute Geschmack nicht teurer ist als der schlechte. Übrigens

dächt' ich, du gingst zu Bette; denn es ist spät.
Karoline. Wollen Sie nicht noch Kaffee trinken? Das Wasser siedet, er
ist gleich gemacht.
Breme. Setze nur alles zurechte, schütte den gemahlenen Kaffee in die
Kanne, das heiße Wasser will ich selbst darüber gießen.
Karoline. Gute Nacht, mein Vater! (Geht ab.)
Breme. Schlaf wohl, mein Kind.

Fünfter Auftritt Breme allein.
Dass auch das Unglück just diese Nacht geschehen musste! Ich hatte
alles klüglich eingerichtet, meine Einteilung der Zeit als ein echter
Praktikus gemacht. Bis gegen Mitternacht hatten wir zusammen
geschwatzt, da war alles ruhig; nachher wollte ich meine Tasse Kaffee
trinken, meine bestellten Freunde sollten kommen zu der
geheimnisvollen Überlegung. Nun hat's der Henker! Alles ist in Unruhe.
Sie wachen im Schloss, dem Kinde Umschläge aufzulegen. Wer weiß,
wo sich der Baron herumdrückt, um meiner Tochter aufzupassen. Beim
Amtmann seh' ich Licht, bei dem verwünschten Kerl, den ich am
meisten scheue. Wenn wir entdeckt werden, so kann der größte,
schönste, erhabenste Gedanke, der auf mein ganzes Vaterland Einfluss
haben soll, in der Geburt erstickt werden. (Er geht ans Fenster.) Ich
höre jemand kommen; die Würfel sind geworfen, wir müssen nun die
Steine setzen; ein alter Soldat darf sich vor nichts fürchten. Bin ich
denn nicht bei dem großen unüberwindlichen Fritz in die Schule
gegangen?

Sechster Auftritt Breme. Martin.
Breme. Seid Ihr's, Gevatter Martin?
Martin. Ja, lieber Gevatter Breme, das bin ich. Ich habe mich ganz stille
aufgemacht, wie die Glocke zwölfe schlug, und bin hergekommen; aber
ich habe noch Lärm gehört und hin und wider gehen, und da bin ich im
Garten einige Mal auf und ab geschlichen, bis alles ruhig war. Sagt mir
nur, was Ihr wollt, Gevatter Breme, dass wir so spät bei Euch
zusammenkommen, in der Nacht; könnten wir's denn nicht bei Tage
abmachen?
Breme. Ihr sollt alles erfahren, nur müsst Ihr Geduld haben, bis die

andern alle beisammen sind.
Martin. Wer soll denn noch alles kommen?
Breme. Alle unsere guten Freunde, alle vernünftigen Leute. Außer
Euch, der Ihr Schulze von dem Ort hier seid, kommt noch Peter, der
Schulze von Rosenhahn, und Albert, der Schulze von Wiesengruben;
ich hoffe, auch Jakob wird kommen, der das hübsche Freigut besitzt.
Dann sind recht ordentliche und vernünftige Leute beisammen, die
schon was ausmachen können.
Martin. Gevatter Breme, Ihr seid ein wunderlicher Mann; es ist Euch
alles eins, Nacht und Tag, Tag und Nacht, Sommer und Winter.
Breme. Ja, wenn das auch nicht so wäre, könnte nichts Rechts werden.
Wachen oder Schlafen, das ist mir auch ganz gleich. Es war nach der
Schlacht bei Leuthen, wo unsere Lazarette sich in schlechtem Zustande
befanden und sich wahrhaftig noch in schlechterem Zustande befunden
hätten, wäre Breme nicht damals ein junger rüstiger Bursche gewesen.
Da lagen viele Blessierte, viele Kranke, und alle Feldscherer waren alt
und verdrossen, aber Breme ein junger tüchtiger Kerl, Tag und Nacht
parat. Ich sag' Euch, Gevatter, dass ich acht Nächte nacheinander weg
gewacht und am Tage nicht geschlafen habe. Das merkte sich aber auch
der alte Fritz, der alles wusste, was er wissen wollte. Höre Er, Breme,
sagte er einmal, als er in eigner Person das Lazarett visitierte, höre Er,
Breme, man sagt, dass Er an der Schlaflosigkeit krank liege.--Ich
merkte, wo das hinaus wollte; denn die andern stunden alle dabei; ich
fasste mich und sagte: Ihro Majestät, das ist eine Krankheit, wie ich sie
allen Ihren Dienern wünsche, und da sie keine Mattigkeit zurücklässt,
und ich den Tag auch noch brauchbar bin, so hoffe ich, dass Seine
Majestät deswegen keine Ungnade auf mich werfen werden.
Martin. Ei, ei! Wie nahm denn das der König auf?
Breme. Er sah ganz ernsthaft aus, aber ich sah ihm wohl an, dass es ihm
wohl gefiel. Breme, sagte er, womit vertreibt Er sich denn die Zeit? Da
fasst' ich mir wieder ein Herz und sagte: Ich denke an das, was Ihro
Majestät getan haben und noch tun werden, und da könnt' ich
Methusalems Jahre erreichen und immer fort wachen und könnt's doch
nicht ausdenken. Da tat er, als hört' er's nicht, und ging vorbei. Nun
war's wohl acht Jahre darnach, da fasst' er mich bei der Revue wieder
ins Auge. Wacht Er noch immer, Breme? reif er. Ihro Majestät,
versetzt' ich, lassen einem ja im
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