Die Aufgeregten | Page 6

Johann Wolfgang von Goethe
gerade das beste sein?
Albert. Ohne Zweifel.
Peter. Ich d?chte nicht.
Breme. Ich muss euch sagen, Kinder: Jetzt oder niemals!
Albert. Da d��rft Ihr uns in Wiesengruben nicht viel vorschwatzen; dazu sind wir fix und fertig. Unsere Leute wollten l?ngst rebellern; ich habe nur immer abgewehrt, weil mir Herr Breme immer sagte, es sei noch nicht Zeit, und das ist ein gescheiter Mann, auf den ich Vertrauen habe.
Breme. Gratias, Gevatter, und ich sage euch: Jetzt ist es Zeit.
Albert. Ich glaub's auch.
Peter. Nehmt mir's nicht ��bel, das kann ich nicht einsehen; denn, wenn's gut Aderlassen ist, gut Purgieren, gut Schr?pfen, das steht im Kalender, und darnach wei? ich mich zu richten; aber wenn's just gut Rebellern sei, das, glaub' ich, ist viel schwerer zu sagen.
Breme. Das muss unsereiner verstehen.
Albert. Freilich versteht Ihr's.
Peter. Aber sagt mir nur, woher's eigentlich kommt, dass Ihr's besser versteht als andere gescheite Leute?
Breme (gravit?tisch). Erstlich, mein Freund, weil schon vom Gro?vater an meine Familie die gr??ten politischen Einsichten erwiesen. Hier dieses Bildnis zeigt euch meinen Gro?vater Hermann Breme von Bremenfeld, der, wegen gro?er und vorz��glicher verdienste zum B��rgermeister seiner Vaterstadt erhoben, ihr die gr??ten und wichtigsten Dienste geleistet hat. Dort schwebt sein Andenken noch in Ehren und Segen, wenngleich boshafte, pasquillantische Schauspieldichter seine gro?en Talente und gewisse Eigenheiten, die er an sich haben mochte, nicht sehr glimpflich behandelten. Seine tiefe Einsicht in die ganze politische und milit?rische Lage von Europa wird ihm selbst von seinen Feinden nicht abgesprochen.
Peter. Es war ein h��bscher Mann, er sieht recht wohlgen?hrt aus.
Breme. Freilich genoss er ruhigere Tage als sein Enkel.
Martin. Habt Ihr nicht auch das Bildnis Eures Vaters?
Breme. Leider, nein! Doch muss ich euch sagen: Die Natur, indem sie meinen Vater Jost Breme von Bremenfeld hervorbrachte, hielt ihre Kr?fte zusammen, um euren Freund mit solchen Gaben auszur��sten, durch die er euch n��tzlich zu werden w��nscht. Doch beh��te der Himmel, dass ich mich ��ber meine Vorfahren erheben sollte; es wird uns jetzt viel leichter gemacht, und wir k?nnen mit geringern nat��rlichen Vorz��gen eine gro?e Rolle spielen.
Martin. Nicht zu bescheiden, Gevatter!
Breme. Es ist lautre Wahrheit. Sind nicht jetzt der Zeitungen, der Monatsschriften, der fliegenden Bl?tter so viel, aus denen wir uns unterrichten, an denen wir unsern Verstand ��ben k?nnen! H?tte mein seliger Gro?vater nur den tausendsten Teil dieser Hilfsmittel gehabt, er w?re ein ganz anderer Mann geworden. Doch, Kinder, was rede ich von mir! Die Zeit vergeht, und ich f��rchte, der Tag bricht an. Der Hahn macht uns aufmerksam, dass wir uns kurz fassen sollen. Habt ihr Mut?
Albert. An mir und den Meinigen soll's nicht fehlen.
Peter. Unter den Meinigen findet sich wohl einer, der sich an die Spitze stellt; ich verbitte mir den Auftrag.
Martin. Seit den paar letzten Predigten, die der Magister hielt, weil der alte Pfarrer so krank liegt, ist das ganze gro?e Dorf hier in Bewegung.
Breme. Gut! So kann was werden. Ich habe ausgerechnet, dass wir ��ber sechshundert Mann stellen k?nnen. Wollt ihr, so ist in der n?chsten Nacht alles getan.
Martin. In der n?chsten Nacht?
Breme. Es soll nicht wieder Mitternacht werden, und ihr sollt wieder haben alles, was euch geb��hrt, und mehr dazu.
Peter. So geschwind? Wie w?re das m?glich?
Albert. Geschwind oder gar nicht.
Breme. Die Gr?fin kommt heute an, sie darf sich kaum besinnen. R��ckt nur bei einbrechender Nacht vor das Schloss und fordert eure Rechte, fordert eine neue Ausfertigung des alten Reverses, macht euch noch einige kleine Bedingungen, die ich euch schon angeben will, lasst sie unterschreiben, lasst sie schw?ren, und so ist alles getan.
Peter. Vor einer solchen Gewaltt?tigkeit zittern mir Arm' und Beine.
Albert. Narr! Wer Gewalt braucht, darf nicht zittern.
Martin. Wie leicht k?nnen sie uns aber ein Regiment Dragoner ��ber den Hals ziehen. So arg d��rfen wir's doch nicht machen. Das Milit?r, der F��rst, die Regierung w��rden uns sch?n zusammenarbeiten.
Breme. Gerade umgekehrt. Das ist's eben, worauf ich fu?e. Der F��rst ist unterrichtet, wie sehr das Volk bedruckt sei. Er hat sich ��ber die Unbilligkeit des Adels, ��ber die Langweiligkeit der Prozesse, ��ber die Schikane der Gerichtshalter und Advokaten oft genug deutlich und stark erkl?rt, so dass man voraussetzen kann: Er wird nicht zur��ck, wenn man sich Recht verschafft, da er es selbst zu tun gehindert ist.
Peter. Sollte das gewiss sein?
Albert. Es wird im ganzen Lande davon gesprochen.
Peter. Da w?re noch allenfalls was zu wagen.
Breme. Wie ihr zu Werke gehen m��sst, wie vor allen Dingen der abscheuliche Gerichtshalter beiseite muss, und auf wen noch mehr genau zu sehen ist, das sollt ihr alles noch vor Abend erfahren. Bereitet eure Sachen vor, regt eure Leute an und seid mir um Sechse beim Herrenbrunnen. Dass Jakob nicht kommt, macht ihn verd?chtig; ja, es ist besser, dass er nicht gekommen ist. Gebt auf ihn acht, dass er uns wenigstens nicht schade; an dem Vorteil, den wir uns erwerben, wird er schon teilnehmen wollen. Es wird Tag; lebt wohl und bedenkt nur, dass, was geschehen soll, schon geschehen ist.
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