Die Argonauten | Page 6

Franz Grillparzer
dem Haupteingange stürzen) Bewaffnete (herein, mit ihnen)
Absyrtus.
Absyrtus. Zurück!
Jason. So gilt's zu fechten!--Gebet Raum!
Absyrtus. Dein Schwert!
Jason. Dir in die Brust, nicht in die Hand!
Absyrtus. Fangt ihn!
Jason (sich in Stellung werfend). Kommt an! Ihr alle schreckt mich
nicht!
Absyrtus. Laß uns versuchen denn!

(Stürzt auf Jason los.)
Medea (macht eine abhaltende Bewegung gegen ihn).
Absyrtus (zurücktretend). Was hältst du mich Schwester?
Jason. Du sorgst um mich? Hab' Dank, du holdes Wesen, Nicht für die
Hilfe, ich bedarf sie nicht, Für diese Sorge Dank. Leb' wohl, o
Mädchen,
(Sie bei der Hand fassend und rasch küssend.)
Und dieser Kuß sei dir ein sichres Pfand, Daß wir uns
wiedersehn!--Gebt Raum!
(Er schlägt sich durch.)
Absyrtus. Auf ihn!
(Jason durch die Seitentüre fechtend ab.)
Absyrtus. Ihm nach! Er soll uns nicht entrinnen!
(Eilt Jason nach mit den Bewaffneten.)
Medea (die unbeweglich mit gesenktem Haupt gestanden, hebt jetzt
Kopf und Augen empor). Götter!
(Ihre Jungfrauen stehen um sie.)
(Der Vorhang fällt.)

Zweiter Aufzug
(Halle wie am Ende des vorigen Aufzuges. Es ist Tag.) Gora, Peritta.
Jungfrauen.
Gora. Ich sage dir, sprich lieber Medeen nicht. Ob der Ereignung zürnt
sie der heutigen Nacht Und sie spricht sich nicht gut, wenn sie zürnt;
das weißt du! Auch gebot sie dir, ihr Antlitz zu fliehn.
Peritta. Was soll ich tun? Wer hilft, wenn sie nicht? Gefangen der Gatte,
die Hütte verbrannt. Alles geraubt von den fremden Männern Wem
klag' ich mein Leid, wer rettet, wenn sie nicht?
Gora. Tu wie du willst, ich hab' dich gewarnt, Auch ist's recht und
billig nur, daß sie dich hört, Aber der Mensch tut nicht immer was
recht.
Peritta. Ach, ich Unselige!
Gora. Klage nicht! Was hilft's Überleg' und handle, das tut dir Not!
Doch wo weilt Medea? komm in ihr Gemach. (Eine) Jungfrau (stürzt
atemlos herein.)
Jungfrau. O Übermaß des Unglücks!
Gora (an der Türe umkehrend). Wohl nur der Torheit, will ich hoffen!

Was neues gibt's?
Jungfrau. Der Fürstin Lieblingspferd.--
Gora. Das herrliche Tigerroß--
Jungfrau. Es ist entflohn!
Gora. So?
Jungfrau. In der Verwirrung der heutigen Nacht Da die Pforte offen,
wir alle voll Angst, Entkam es dem Stall und ward nimmer gesehn!
Weh mir!
Gora. Ja wohl!
Jungfrau. Wie entflieh' ich der Fürstin Zorn? Wird sie's ertragen--?
Gora. Das (wie) ist ihre Sache Doch tragen muß sie's, da es (ist). Nur
rat' ich dir geh fürs erste ihr aus dem Auge! Doch horch! Sie naht schon!
Peritta tritt zu mir. Medea (kommt in Gedanken versunken aus der Türe
rechts.)
Gora (nach einer Pause). Medea--
Jungfrau (ihr zuvorkommend und zu Medeens Füßen stürzend). O
Königin verzeih!
Medea (den Kopf emporhebend). Was ist?
Jungfrau. Vernichte mich nicht in deinem Zorn! Dein Leibroß--Dein
Liebling!--Es ist entflohn.
(Pause während welcher sie Medeen voll Erwartung ins Gesicht sieht).
Nicht meine Schuld war's fürwahr. Der Schrecken heut Nacht Das
Getümmel, der Lärm--Da geschah's-- Du sprichst nicht?--Zürne
Fürstin--
Medea. Es ist gut!
(Jungfrau steht auf.)
Gora (sie bei Seite ziehend). Was sprach sie?
Jungfrau (freudig). Es sei gut.
Gora. Das ist (nicht) gut! Trägt sie so leicht, was sie sonst schwer
ertrug, Das begünstigt unsre Sache, Peritta! Fast ist mir's unlieb, daß sie
so mild gestimmt Ich hatte mich drauf gefreut, wie sie sich sträuben
würde Und endlich überwinden müßte zu tun was sie soll. Nu komm
denn, komm, für dich ist's besser so. Medea hier ist noch jemand den
du kennst!
Medea. Wer?
Gora. Kennst deine Gespielin, Peritta, nicht? Zürnst du ihr gleich--
Medea. Peritta bist du's; Sei mir gegrüßt, sei herzlich mir gegrüßt!

(Sie mit dem Arm umschlingend und sich auf sie stützend.)
Wir haben frohe Tage zusammen gelebt. Seit dem ist viel übles
geschehn. Viel übles seit der Zeit, Peritta! Hast du deine Herde
verlassen und dein Haus Und kommst wieder zu mir, Peritta? Sei mir
willkommen, du bist sanft und gut, Du sollst mir die Nächste sein im
Kreis meiner Frauen!
Peritta. Kein Haus hab' ich mehr und keine Herde Alles verloren, mein
Gatte gefangen, Dahin meine Ruhe, mein Segen, mein Glück.
Medea. So ist er dahin, ist tot! Du dauerst mich armes, armes Kind!
War so jung, so kräftig, so glänzend, so schön, Und ist tot und kalt! Du
dauerst mich Ich könnte weinen, so rührst du mich.
(Legt ihre Stirne auf Perittas Schulter.)
Peritta. Nicht tot, nur gefangen ist mein Gatte Drum kam ich zu flehn,
daß du bittest den Vater Ihn zu lösen, zu retten, zu befrein-- Medea
hörst du?--
(Zu Gora.)
Sie spricht nicht! Was sinnt sie?
Gora. Mich überrascht sie nicht minder als dich Das ist sonst nicht
Medeens Sitte.
Peritta. Was ist das? Trau' ich meinen Sinnen? Feucht fühl' ich dein
Antlitz auf meiner Schulter! Medea Tränen?--O du Milde, du Gute!
(Küßt Medeens herabhängende Hand.)
(Medea reißt sich empor, faßt rasch mit der rechten Hand die geküßte
Linke und sieht Peritten starr ins
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