Die Argonauten | Page 5

Franz Grillparzer
Behutsam späh ich, bis ein Einzelner Mir aufstößt, dann das
Schwert ihm auf die Brust Und mit mir soll er, will er nicht den Tod.
(Er späht mit vorgehaltenem Schwerte umher.)
Ist da kein Ausgang?--Halt!--Ein Block von Stein Das Fußgestell wohl
eines Götterbildes. Ehrt man hier Götter und verhöhnt das Recht? Doch
horch!--ein Fußtritt!--Bleiche Helle gleitet Fortschreitend an des
Ganges engen Bogen. Man kommt!--Wohin--?--Verbirg mich dunkler
Gott!
(Er versteckt sich hinter die Bildsäule.)
Medea (kommt, einen schwarzen Stab in der Rechten, eine Lampe in
der Linken.)
Medea. Es ist so schwül hier, so dumpf! Feuchter Qualm drückt die
Flamme der Lampe, Sie brennt ohne zu leuchten.
(Sie setzt die Lampe hin.) --Horch!--Es ist mein eignes Herz, Das
gegen die Brust pocht mit starken Schlägen! Wie schwach, wie
töricht!--Auf Medea! Es gilt des Vaters Sache, der Götter! Sollen die
Fremden siegen, Kolchis untergehn? Nimmermehr! Nimmermehr! Ans
Werk denn! Seid mir gewärtig Götter, höret mich, Und gebt Antwort
meiner Frage!
(Mit dem Stabe Zeichen in die Luft machend.)
Die ihr einhergeht im Gewande der Nacht Und auf des Sturmes Fittigen
wandelt Furchtbare Fürsten der Tiefe, Denen der Entschluß gefällt Und
die beflügelte Tat, Die ihr bei Leichen weilt Und euch labt am Blut der
Erschlagnen, Die ihr das Herz kennt und lenkt den Willen, Die ihr zählt
die Halme der Gegenwart Sorglich bewahrt des Vergangenen Ähren
Und durchblickt der Zukunft sprossende Saat, Euch ruf' ich an! Gebt
mir Kunde, sichere Kunde Von dem was uns droht, von dem was uns
lacht! Bei der Macht, die mir ward, Bei dem Dienst, den ich tat, Bei
dem Wort, das ihr kennt Ruf' ich euch, Erscheinet, erscheint!
(Pause.)
Was ist das?--Alles schweigt! Sie zeigen sich nicht? Zürnt ihr mir, oder

betrat ein Fuß, Eines Frevlers Fuß Die heilige Stätte? Angst befällt
mich, Schauer faßt mich!
(Mit steigender Stimme.)
Allgewaltige! Lauscht meinem Rufen, Hört Medeens Stimme! Eure
Freundin ist's die ruft. Ich fleh' ich verlang' es Erscheinet, erscheint!
Jason (springt hinter der Bildsäule hervor.)
Medea (zurückfahrend). Ha!
Jason. Verfluchte Zauberin, du bist am Ende, Erschienen ist, der dich
vernichten wird.
(Indem er mit vorgehaltenem Schwerte hervorspringt verwundet er
Medeen am Arme.)
Medea (den verwundeten rechten Arm mit der linken Hand fassend).
Weh mir!
(Stürzt auf den Felsensitz hin, wo sie schwer atmend leise ächzt.)
Jason. Du fliehst? Mein Arm wird dich ereilen!
(Im Dunkeln herum blickend.)
Wo ist sie hin!
(Er nimmt die Lampe und leuchtet vor sich hin.)
Dort!--Du entgehst mir nicht!
(Hinzutretend.)
Verruchte!
Medea (stöhnend). Ah!
Jason. Stöhnst du? Ja zittre nur! Mein Schwert soll deine dunkeln Netze
lösen!
(Sie mit der Lampe beleuchtend). Doch seh' ich recht? Bist du die
Zauberin, Die dort erst heischre Flüche murmelte? Ein weiblich Wesen
liegt zu meinen Füßen, Verteidigt durch der Anmut Freiheitsbrief,
Nichts zauberhaft an ihr, als ihre Schönheit. (Bist) du's?--Doch ja! Der
weiße Arm, er blutet, Verletzt von meinem mitleidslosen Schwert! Was
hast du angerichtet? Weißt du wohl, Ich hätt' dich töten können, holdes
Bild, Beim ersten Anfall in der dunkeln Nacht? Und Schade wär's,
fürwahr, um so viel Reiz! Wer bist du, doppeldeutiges Geschöpf?
Scheinst du so schön und bist so arg, zugleich So liebenswürdig und so
hassenswert, Was konnte dich bewegen, diesen Mund, Der, eine Rose,
wie die Rose auch Nur hauchen sollte süßer Worte Duft, Mit schwarzer
Sprüche Greuel zu entweihn? Als die Natur dich dachte, schrieb sie:
(Milde) Mit holden Lettern auf das erste Blatt Wer malte

Zauberformeln auf die andern? O geh! ich hasse deine Schönheit, weil
sie Mich hindert deine Tücke recht zu hassen! Du atmest schwer.
Schmerzt dich dein Arm? Ja, siehst du Das sind die Früchte deines
argen Treibens! Es blutet! Laß doch sehn!
(Nimmt ihre Hand.)
Du zitterst, Mädchen, Die Pulse klopfen, jede Fiber zuckt. Vielleicht
bist du so arg nicht, als du scheinst, Nur angesteckt von dieses Landes
Wildheit, Und Reue wohnt in dir und fromme Scheu. Heb auf das Aug
und blicke mir ins Antlitz, Daß ich die dunkeln Rätsel deines Handelns
Erläutert seh' in deinem klaren Blick.-- Du schweigst!--O wärst du
stumm, und jene Laute, Die mir ertönten, fluchenswerten Inhalts,
Gesprochen hätte sie ein andrer Mund, Der minder lieblich, Mädchen,
als der deine. Du seufzest!--Sprich!--Laß deine Worte tönen; Vertrau'
den Lüften sie, als Boten, an, Sonst holt mein Mund sie ab von deinen
Lippen.
(Er beugt sich gegen sie.) (Man hört Waffengeklirr und Stimmen in der
Ferne.)
Horch!--Stimmen!
(Er läßt sie los.)
Näher!
(Medea steht auf.)
Deine Freunde kommen Und ich muß fort. Des freuest du dich wohl?
Allein ich seh' dich wieder, glaube mir! Ich muß dich sprechen hören,
gütig sprechen, Und kostet' es mein Leben!--Doch man naht. Glaub'
nicht, daß ich Gefahr und Waffen scheue, Doch auch ein Tapfrer
weicht der Überzahl, Und meiner harren Freunde.--Leb' denn wohl. (Er
geht dem Seiteneingange zu, durch den er gekommen ist. Aus diesem,
so wie aus
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