Die Ahnfrau | Page 8

Franz Grillparzer

meines Bettes Füßen Dämmert es wie Mondenlicht, Und ein Antlitz
tauchet auf Mit geschloßnen Leichenaugen, Mit bekannten, holden

Zügen, Ja, mit deinen, deinen Zügen. Jetzt reißt es die Augen auf, Starrt
nach mir hin, und Entsetzen Zuckt mir reißend durchs Gehirn. Auf
spring ich vom Flammenlager, Und durchs flirrende Gemach Stürz ich
fort, der Spuk mir nach. Wie von Furien gepeitscht Lang ich an hier in
der Halle. Da hört' ich dich Holde beten, Will zu dir ins Zimmer treten,
Da verstellt mir--Siehst du? Siehst du?
Berta. Was Geliebter?
Jaromir. Siehst du nicht? Dort im Winkel, wie sich's regt, Wie's
gestaltlos sich bewegt!
Berta. Es ist nichts Geliebter, nichts, Als die wilde Ausgeburt Der
erhitzten Phantasie. Du bist müde, ruh ein wenig, Setz dich hier in
diesen Stuhl. Ich will schützend bei dir stehn, Labekühlung zu dir
wehn.
Jaromir (sitzend, an ihre Brust gelehnt). Habe Dank, du treue Seele!
Süßes Wesen, habe Dank! Schling um mich her deine Arme, Daß der
Hölle Nachtgespenster, Scheu vor dem geweihten Kreise, Nicht in
meine Nähe treten. Lieg ich so in deinen Armen, Angeweht von deinem
Atem, Über mir dein holdes Auge; Dünkt es mich auf Rosenbetten In
des Frühlings Hauch zu schlummern, Klar den Himmel über mir.
(Der Graf kömmt.)
Graf. Wer ist hier noch in der Halle? Berta, du? Und ihr?
Berta. Mein Vater!--
Jaromir. Weiß ich doch kaum was ich sagen, Weiß kaum wie ich's
sagen soll. Töricht werdet Ihr mich nennen, Und fast möcht' ich's selber
tun, Fühlt' ich nicht im tiefsten Innern Jede meiner Fibern beben, Beben,
ja; und Ihr mögt glauben, Es gibt Menschen, welche leichter Zu
erschüttern sind als ich.
Graf. Wie versteh ich?--
Berta. Ach, so hört nur, Oben in der Erkerstube Hatte man ihn
hingewiesen. Schon senkt schlummernd sich sein Auge, Da erhebt sich
plötzlich--
Graf. Ah! Zählt man dich schon zu den Meinen? Ist's in jenen dunkeln
Orten Also auch schon kundgeworden Sohn, daß du mir teuer bist.
Warum kamst du auch hierher! Glaubtest du, getäuschter Jüngling, Wir
hier feiern Freudenfeste? Sieh uns nur einmal beisammen In der weiten,
öden Halle, An dem freudelosen Tische; Wie sich da die Stunden
dehnen, Das Gespräch in Pausen stockt, Bei dem leisesten Geräusche

Jedes rasch zusammenfährt, Und der Vater seiner Tochter Nur mit
Angst und innerm Grauen Wagt ins Angesicht zu schauen, Ungewiß,
ob es sein Kind, Ob's ein höllisch Nachtgesicht Das mit ihm zur Stunde
spricht. Sieh, mein Sohn, so leben die, Die das Unglück hat gezeichnet!
Und du willst den mut'gen Sinn, Willst die rasche Lebenslust Und den
Frieden deiner Brust, Köstlich hohe Güter, werfen Rasch in unsers
Hauses Brand? O mein Kind, du wirst nicht löschen, Wirst mit uns nur
untergehn. Flieh, mein Sohn, weil es noch Zeit ist: Nur ein Tor baut
seine Hütte Hin auf jenes Platzes Mitte, Den der Blitz getroffen hat.
Jaromir. Möge was da will geschehn, Ich will Euch zur Seite stehn,
Muß es, mit Euch untergehn!
Graf. Nun wohlan, ist das dein Glaube, So komm her an meine Brust
So, und dieser Vaterkuß Schließt dich ein in unsre Leiden, Schließt
dich ein in unsre Freuden. Ja in unsre Freuden, Sohn, Ist kein Dorn
doch also schneidend, Daß er nicht auch Rosen trägt.
(Der Alte setzt sich, von Jaromir und Berta unterstützt, in den Stuhl.
Die beiden stehen Hand in Hand vor ihm.)
So, habt Dank, habt Dank, ihr Lieben!-- Seh ich euch so vor mir stehen,
Mit dem freudetrunknen Auge, Mit dem lebensmut'gen Blick, Will die
Hoffnung neu sich regen, Und erloschne, dunkle Bilder Aus
entschwundnen, schönern Tagen Dämmern auf in meiner Brust. Seid
willkommen Duftgestalten, Froh und schmerzlich mir willkommen!
(Er versinkt in Nachdenken.)
Jaromir. Berta, sieh doch nur, dein Vater!
Berta (mit ihm etwas zurücktretend). Laß ihn nur, er pflegt so öfter Und
sieht ungern sich gestört. Aber, Lieber, sei vergnügt! Sieh, mein Vater
weiß schon alles.
Jaromir (rasch). Alles?
Berta. Ja, und scheint's zu bill'gen! Heute nur--er war so gut, Ach so gut,
so mild und sanft. Sanfter, gütiger als du, Der du kalt und trocken stehst,
Während ich nicht Worte finde, Für mein Fühlen, für mein Glück.
Jaromir. Glaube mir--
Berta. Ei, glauben, glauben! Besser stünd' es dem zu schweigen, Der
nicht weiß wie Liebe spricht: Kann der Blick nicht überzeugen,
Überred't die Lippe nicht. Sieh, man hat mir wohl erzählet, Daß es
leichte Menschen gebe, Deren Liebe nicht bloß brennt Auch verbrennt,
und dann erlischt: Menschen, die die Liebe lieben, Aber nicht den

Gegenstand; Schmetterlinge, bunte Gaukler, Die die keusche Rose
küssen, Aber nicht weil sie die Rose, Weil sie eine Blume ist. Bist du
auch so, Stummer, Böser?
(Vom Nährahmen eine Schärpe nehmend.)
Ich will dir die Flügel binden, Binden--binden Trotz'ger--binden Daß
kein Gott sie lösen soll!
Jaromir. Süßes Wesen!--
(Sie bindet ihm die Schärpe um.)
Graf (hinüberblickend). Wie sie glüht! Wie es sie hinüberzieht!
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