Die Ahnfrau | Page 7

Franz Grillparzer

Wink mich nicht so kalt von dir, Gönne dem gepreßten Herzen Die so
lang entbehrte Lust, An der engelreinen Brust, Aus den himmelklaren
Augen Trost und Ruhe einzusaugen!
(Die Gestalt tritt aus der Türe, die sich hinter ihr schließt, und winkt
noch einmal mit beiden Händen ihm Entfernung zu.)
Jaromir. Ich soll fort? Ich kann nicht, kann nicht! Wie ich dich so schön,
so reizend Vor den trunknen Augen sehe Reißt es mich in deine Nähe!

Ha ich fühle, es wird Tag In der Brust geheimsten Tiefen Und Gefühle,
die noch schliefen, Schütteln sich und werden wach.-- Kannst du mich
so leiden sehn? Soll ich hier vor dir vergehn? Laß dich rühren meinen
Jammer, Laß mich ein in deine Kammer! Hat die Liebe je verwehrt
Was die Liebe heiß begehrt?
(Auf sie zueilend.)
Berta! Meine Berta!
(Wie er sich ihr nähert, hält die Gestalt den rechten Arm mit dem
ausgestreckten Zeigefinger ihm entgegen.)
Jaromir (stürzt schreiend zurück). Ha!
Berta (von innen). Hör ich dich nicht Jaromir?
(Beim ersten Laut vom Bertas Stimme seufzt die Gestalt und bewegt
sich langsam in die Szene. Ehe sie diese noch ganz erreicht hat, tritt
Berta aus der Türe, ohne aber die Gestalt zu sehen, da sie nach dem in
der entgegengesetzten Ecke stehenden Jaromir blickt.)
Berta (mit einem Lichte kommend). Jaromir du hier?
Jaromir (die abgehende Gestalt mit den Augen und dem ausgestreckten
Finger verfolgend). Da! Da! Da! Da!
Berta. Was ist dir begegnet, Lieber? Warum starrst du also wild Hin
nach jenem düstern Winkel?
Jaromir. Hier und dort, und dort und hier! Üb'rall sie und nirgends sie!
Berta. Himmel, was ist hier geschehn?
Jaromir. Ei bei Gott, ich bin ein Mann! Ich vermag was einer kann.
Stellt den Teufel mir entgegen Und zählt an der Pulse Schlägen Ob die
Furcht mein Herz bewegt! Doch allein soll er mir kommen. Grad als
grader Feind. Er werbe Nicht in meiner Phantasie, Nicht in meinem
heißen Hirn Helfershelfer wider mich! Komm' er dann als mächt'ger
Riese, Stahl vom Haupte bis zum Fuß, Mit der Finsternis Gewalt, Von
der Hölle Glut umstrahlt; Ich will lachen seinem Wüten Und ihm kühn
die Stirne bieten. Oder komm' als grimmer Leu Will ihm stehen ohne
Scheu, Auge ihm ins Auge tauchen, Zähne gegen Zähne brauchen,
Gleich auf gleich. Allein er übe Nicht die feinste Kunst der Hölle,
Schlau und tückevoll, und stelle Nicht mich selber gegen mich!
Berta (auf ihn zueilend). Jaromir, mein Jaromir!
Jaromir (zurücktretend). O ich kenn dich, schönes Bild! Nah ich mich
wirst du vergehn Und mein Hauch wird dich verwehn!
Berta (ihn umfassend). Kann ein Wahnbild so umarmen? Und blickt

also ein Phantom? Fühle, fühle ich bin's selber Die in deinen Armen
liegt!
Jaromir. Ja, du bist's! Ich fühle freudig Deine warmen Pulse klopfen,
Deinen lauen Atem wehn. Ja, das sind die klaren Augen, Ja, das ist der
liebe Mund, Ja, das ist die süße Stimme, Deren wohlbekannter Laut
Frieden auf mich niedertaut. Ja, du bist's, du bist's, Geliebte!
Berta. Wohl bin ich's, o wärst du's auch! Wie du zitterst!
Jaromir. Zittern! zittern! Wer sieht das und zittert nicht? Bin ich doch
nur Fleisch und Blut, Hat doch keine wilde Bärin Mich im rauhen Forst
geboren Und mit Tigermark genährt, Steht auf meiner offnen Stirne
Doch der heitre Name: Mensch! Und der Mensch hat seine Grenzen!
Grenzen, über die hinaus Sich sein Mut im Staube windet, Seiner
Klugheit Aug' erblindet, Seine Kraft wie Binsen bricht Und sein Innres
zagend spricht: Bis hierher und weiter nicht!
Berta. Du bist krank, ach geh zurück, Geh zurück nach deiner Kammer.
Jaromir. Eher in die heiße Hölle Als noch einmal auf die Stelle! Ehrt
Ihr so die Pflicht des Hauses Und des Gastes heilig Recht? Arglos und
vertrauensvoll Folgt' ich meinem Führer nach In das weite
Prunkgemach. Müde, ruhelechzend steig ich Schnell das hohe Bett
hinan Und das Licht ist ausgetan. Wehend fühl ich schon den
Schlummer, Mild wie eine Friedenstaube Mit dem Ölzweig in dem
Munde, Über meinem Haupte schweben, Und in immer engern Kreisen
Sich auf mich herniederlassen. Jetzo, jetzo senkt sie sich, Süße Ruhe
fesselt mich. Da durchzuckt es meine Glieder, Ich erwache, horch und
lausche. Laut wird's in dem öden Zimmer, Rauschend wogt es um mich
her Wie ein wehend Ährenmeer, Seltsam fremde Töne wimmern,
Zuckend fahle Lichter schimmern, Es gewinnt die Nacht Bewegung
Und der Staub gewinnt Gestalt. Schleppende Gewänder rauschen
Durch das Zimmer auf und nieder, Hör es weinen, hör es klagen Und
zuletzt in meiner Nähe Wimmert es ein dreifach Wehe! Da reiß ich des
Bettes Vorhang Auf in ungestümer Hast; Und mit tausend
Flammenaugen Starrt die Nacht mich glotzend an. Lichter seh ich
schwindelnd drehen Und mit tausend fahlen Ringen Schnell sich
ineinander schlingen, Und nach mir streckt's hundert Hände, Kriecht an
mich mit hundert Füßen, Fletscht auf mich aus hundert Fratzen. Und an
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