Die Ahnfrau | Page 9

Franz Grillparzer
Aller
Widerstand genommen Und im Strudel fortgeschwommen. Nun
Wohlan, es sei! Der Himmel Scheint mir selbst den Weg zu zeigen,
Den ich wandeln soll und muß. Stemmt gleich manches sich entgegen,
Glimmt gleich in der tiefsten Brust Noch verborgen mancher Funke
Von der einst so mächt'gen Glut. Töricht Treiben! Eitles Trachten! Der
Palast ist eingesunken, Kaum noch geben seine Trümmer Eine Hütte
für mein Kind. Wohl es sei! Ach wie so schwer Lösen sich die
Hoffnungen, In der Jugend Lenz empfangen, Holde Zeichen,
eingegraben In des Bäumchens frische Rinde, Aus des Alters morscher
Brust. Als sie mir geboren ward Und vor mir lag in der Wiege
Freundlich lächelnd, schön und hold, Wie durchlief ich im Gedanken
Die Geschlechter unsers Landes, Sorgsam wählend, kindisch suchend
Nach dem künftigen Gemahl. Fand den Höchsten noch zu niedrig,
Kaum den Besten gut genug: Damit ist's nun wohl vorbei! Ach, ich fühl
es wohl, wir scheiden Kaum so schwer von wahren Freuden, Als von
einem schönen Traum!
Berta (an der Schärpe musternd). Halt mir still, du Ungeduld'ger!
Graf. Und ziemt mir so ekles Wählen? Wenn es wahr was er
gesprochen, Was im Nebel der Erinnrung Aus der fernen Jugendzeit
Unbestimmt, in sich verfließend Meine Stirn vorüberschwebt; Wenn
sie wahr die alte Sage, Daß der Name, den ich trage, Der mein Stolz
war und mein Schmuck, Nur durch tief geheime Sünden-- Fort
Gedanke!--Ha, und doch, und doch!
Berta (ihr Werk betrachtend). So nun steht es schön und gut. Aber nun
sei mir auch freundlich, Daß mich nicht die Arbeit reue!
Graf. Jaromir!
Jaromir (aufgeschreckt). Was!--Ihr Herr Graf!
Graf. Noch bist du uns Kunde schuldig Von den Deinen, deiner

Abkunft. Jaromir von Eschen heißt du, Fern am Rhein wardst du
geboren, Dienste suchst du hier im Heer, So erzählte mir mein
Mädchen, Aber weiter weiß ich nichts.
Jaromir. Ist doch weiter auch nichts übrig. Mächtig waren meine Ahnen,
Reich und mächtig. Arm bin ich. Arm, so arm, daß wenn dies Herz, Ein
entschloßner kräft'ger Sinn Und ein schwergeprüfter, doch vielleicht
Grade darum festrer Wille Nicht für etwas gelten können, Ich nichts
habe und nichts bin.
Graf. Du sagst viel mit wenig Worten. Also recht! Du bist mein Mann!
Sieh, mein Sohn, ich bin ein Greis. Die Natur winkt mir zu Grabe, Und
ein dunkel, dumpf Gefühl Nennt mir nah des Lebens Ziel. Nie hab ich
dem Tod gezittert, Und auch jetzt schreckt er mich nicht. Doch dies
Mädchen, sie mein Kind. Könntest du in meinen Tränen, Hier in
meinem Herzen lesen Was sie alles mir gewesen, Du verstündest
meinen Schmerz. Daß ich sie allein muß lassen In der unbekannten
Welt, Macht dem Tode mich erblassen, Das ist's was so tief mich quält.
Sohn, auf dich ist ihrer Neigung Schlaferwachtes Aug' gefallen; Du
weißt ihren Wert zu schätzen, Weißt zu schützen was dir wert; Du
gabst einmal schon dein Leben Und wirst's freudig wieder geben,
Wenn das Schicksal winkt, für sie. Dir vertrau ich dieses Kleinod, Sohn
du liebst sie?
Jaromir. Wie mein Leben!
Graf. Und du ihn?
Berta. Mehr als mich selbst.
Graf. Mög' denn Gottes Finger walten! Nimm sie hin, die du erhalten!
(Schläge ans Haustor.)
Graf. Was ist das?--Wer naht so spät Noch sich dieses Schlosses Toren!
Berta. Gott, wenn etwa--
Graf. Sei nicht kindisch. Glaubst du wohl, verdächtig Volk Wage sich
an feste Schlösser, Wohlverwahrt und wohlbemannt.
Günther (kömmt). Herr, ein königlicher Hauptmann An der Spitze
seines Haufens Bittet Einlaß an der Pforte.
Graf. Wie? Soldaten?
Günther. Ja, Herr Graf.
Graf. Weiß ich gleich nicht was sie suchen, Öffne ihnen schnell die
Pforten, Stets willkommen sind sie mir.
(Günther geht.)

Graf. Was führt den hierher zu uns? Und in dieser Stunde? Gleichviel.
Wird doch seine Gegenwart Wohl die Stunden uns beflügeln Dieser
peinlich langen Nacht.
Berta. Jaromir, geh doch zu Bette. O du bist noch gar nicht wohl! Sieh,
ich fühl's an diesem Zucken, An dem Stürmen deiner Pulse, Daß du
krank, bedenklich krank!
Jaromir. Krank? ich krank? Was fällt dir ein! Stürmen gleich die
raschen Pulse, Grad im Sturme ist mir wohl!
(Günther öffnet die Türe. Der Hauptmann tritt ein.)
Hauptmann. Ihr verzeihet, mein Herr Graf, Daß ich noch in später
Nacht Eures Hauses Ruhe störe.
Graf. Wer des Königs Farben trägt Dem ist stets mein Haus geöffnet;
Euch, mein Herr, auch ohne sie.
Hauptmann. Hier grüß ich wohl Eure Tochter?
Graf. Ja, es ist mein einzig Kind.
Hauptmann. Wie soll ich mich hier entschuld'gen? Doch bringt meine
Ankunft Schrecken, Soll sie Schrecken auch zerstreun. Jene mächt'ge
Räuberbande, Die die Geißel dieser Gegend--
Graf. Ja, fürwahr, 'ne schwere Geißel! Dieses Mädchen, meine Tochter,
Daß sie lebt noch, daß sie ist, Dankt sie nur dem kühnen Mute Ihres
wackern Bräutigams Jaromir von Eschen hier. Ja er selbst, noch diese
Nacht Ward im Forst er überfallen, Seine Diener ihm erschlagen, Kaum
entging er gleichem Los.
Hauptmann. Diese
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