Die Ahnfrau | Page 5

Franz Grillparzer

Das der Sage heil'ger Mund Aus der Väter fernen Tagen In die
Enkelwelt getragen. Eines, das den Schlüssel gibt Zu so manchem
finstern Rätsel, Das ob diesem Hause brütet. Aber wag ich es zu sagen

Hier an diesem, diesem Ort Wo noch kurz zuvor der Schatten--
(Mit scheuen Blicken umhergehend. Berta schmiegt sieh an ihn, und
folgt mit ihren Augen den seinigen.)
Runzelt Ihr die hohen Brauen Edler Herr? Ich kann nicht anders!
Meinen Busen will's zerbrechen Und es drängt mich's auszusprechen
Beb ich selber gleich zurück.-- Kommt hierher, mein Fräulein, hierher
Und vernehmt und staunt und bebt.-- Mit der Ahnfrau blut'ger Leiche
Ward der Sünde Keim begraben, Aber nicht der Sünde Frucht. Das
Verbrechen, das des Gatten Blut'ger Rachestahl bestraft, War, wie jene
Sage spricht, Wohl das Letzte ihres Lebens Aber ach, ihr erstes nicht.
Ihres Schoßes einz'ger Sohn, Den Ihr unter Euren Ahnen, Unter Euren
Vätern zählt, Der des mächt'gen Borotin Lehen, Gut und Namen erbte,
Er--
Graf. Schweig!
Günther. Es ist ausgesprochen. Er, dem Vater unbewußt, War ein Pfand
geheimer Lust, War ein Denkmal ihrer Sünde! Darum muß sie klagend
wallen Durch die weiten, öden Hallen, Die das Werk von Trug und
Nacht Auf ein fremd Geschlecht gebracht. Und in jedem Enkelkinde,
Das entsproßt aus ihrem Blut, Haßt sie die vergangne Sünde, Liebt sie
die vergangne Glut. Also harret sie seit Jahren, Wird noch harren
jahrelang Auf des Hauses Untergang; Und ob der sie gleich befreiet,
Hütet sie doch jeden Streich, Der dem Haupt der Lieben dräuet, Den sie
wünscht und scheut zugleich. Darum wimmert es so kläglich In den
halbverfallnen Gängen, Darum pocht's in dunkler Nacht--
(Entferntes Getöse.)
Berta. Himmel!
Günther. Weh uns!
Graf. Was ist das?
(Das Getöse wiederholt sich.)
Fast gefährlich scheint dein Wahnsinn Er steckt auch Gesunde an. An
die Pforte wird geschlagen Einlaß fordernd. Geh hinab Und sieh zu,
was man begehrt!
(Günther ab.)
Berta. Vater, du siehst bleich! Ist's Wahrheit Was der alte Mann da
spricht?
Graf. Was ist wahr, was ist es nicht? Laß uns eignen Wertes freuen Und
nur eigne Sünden scheuen. Laß, wenn in der Ahnen Schar Jemals eine

Schuld'ge war, Alle andre Furcht entweichen Als die Furcht ihr je zu
gleichen.-- Und jetzt komm, mein liebes Kind, Führe mich nach
meinem Zimmer. Ist's gleich noch nicht Schlafens Zeit Ruhe heischt
der müde Körper Hat er doch in einer Stunde Mehr als manchen Tag
gelebt. (Ab mit Berta.)
(Pause.--Dann stürzt wankend, mit verworrenem Haar und
aufgerissenem Wams, einen zerbrochenen Degen in der Rechten,
Jaromir herein.)
Jaromir (atemlos). Bis hierher!--Ich kann nicht weiter! Wankend
brechen meine Kniee, Es ist aus!--Ich kann nicht weiter!
(Sinkt gebrochen auf den Sessel hin.)
Günther (nachkommend). Sagt doch Herr, ist das wohl Sitte?
Einzudringen so ins Haus Achtlos auf mein mahnend Wehren. Sprecht,
was wollt Ihr? was begehrt Ihr?
Jaromir. Ruhe!--Nur ein Stündchen Ruhe, Nur ein kurzes Stündchen
Ruhe!--
Günther. Was ist Euch begegnet, Herr? Woher kommt Ihr?
Jaromir. Dort--vom Walde-- Wurde--wurde überfallen--
Günther. Ach man hört so manches Unheil Von den Räubern dort im
Walde! Wie bedaur' ich Euch, mein Herr! Ach verzeihet, wenn ich
anfangs Eure bange Hast mißdeutend Und das Fremde Eures Eintritts
Anders sprach, als ich gesollt. Wenn's Euch gutdünkt, folgt mir Herr
Nach den oberen Gemächern, Wo Euch würdig Speis und Trank Und
willkommne Lagerstätte--
Jaromir. Nein, ich kann--ich mag nicht schlafen! Laß mich hier in
diesem Stuhl, Bis die Sinne sich gesammelt Und ich wieder selber bin.
(Er legt den Arm auf den Tisch, und den Kopf darauf.)
Günther. Was soll ich mit ihm beginnen? Ganz verwirrt hat ihn der
Schreck. Bleib ich? geh ich? Laß ich ihn? Ich will's nur dem Grafen
melden, Mag er selber doch empfangen Seinen sonderbaren Gast. (Ab.)
Jaromir. Ha, er geht, er geht!--Was soll ich? Sei es denn!--Nun Fassung,
Fassung!
(Der Graf und Günther kommen.)
Günther. Hier mein gnäd'ger Herr, der Fremde!
Jaromir (steht auf).
Graf. Laßt Euch doch nicht stören, Herr, Und genießt der nöt'gen Ruhe.
Hoch willkommen seid Ihr mir, Doppelt wert, denn Euch empfiehlt

Eure Not und Euer Selbst--
Jaromir. Ihr verzeihet wohl die Stunde Und die Weise meines Eintritts.
Mag mein Unfall mich entschuld'gen Wo ich selbst es nicht vermag.
Dort in jenem nahen Walde Ward ich räubrisch überfallen. Ich und
meine beiden Diener Wehrten lang uns ritterlich: Aber wachsend stieg
die Menge, Meine treuen Diener lagen Hingestreckt in ihrem Blut. Da
gewahr ich meines Vorteils, Und ins dunkle Dickicht springend,
Schnell, die Räuber auf der Ferse, Such ich fliehend zu entrinnen Und
das Freie zu gewinnen. Gibt die Hoffnung schnelle Füße Leiht dafür
das Schrecken Flügel. Bald gewinn ich einen Vorsprung, Und heraus
ins Freie tretend Blinkt mir Euer Schloß entgegen. Gastfrei schien 's
mich einzuladen, Zögernd folgt' ich,--und bin hier.
Graf. Halten wird Euch der Besitzer Was sein Eigentum versprach.
Was nur dieses Haus vermag Ist das Eure, Euch
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