einfachen, ungezierten Wort aus unverzerrtem Frauenmund. Nach Lippen, die ohne Anfragung einer Etikette auf den seinen lagen, nach einem Herzen, das ihm herzlich zugetan war. Nach einem Kinde, das nicht ?Fr?ulein? oder ?junger Herr? tituliert wurde, sondern mit dem er reiten und jagen und spielen durfte wie mit sich selbst. Er hatte 1200-1210 in 24810 Versen im ?Parzival? den Ritterroman der Deutschen geschaffen, er hatte ihnen den Spiegel vorgehalten. Aber es war schon eine vergangene edlere Zeit, die sich in ihm spiegelte. Der Dichter ist oft nur der Vollstrecker des letzten Willens einer Epoche, der er schon l?ngst nicht mehr angeh?rt. Der Stoff ist franz?sischen und provenzalischen Vorbildern entnommen. Die Idee der Erl?sung: christlich. Aber der Leidens- und Freudensweg, den Parzival gehen mu?, seine Entwicklung vom ahnungsvollen, aber ahnungslosen Kind zum seiner Seele bewu?ten Mann ist ganz Wolframsche Pr?gung. Er ist den Weg des Knaben Parzival selbst gegangen.
Gottfried von Stra?burg (um 1210), Wolframs gr??ter Zeitgenosse, war auch sein gr??ter Gegner. Er fand den Parzival dunkel und verworren, ohne einheitliche Handlung und stellenweise schwer verst?ndlich. Im Tristan stellte er dem Parzival sein Ritterepos gegen��ber: von einer leidenschaftlichen Klarheit des Themas und der Formulierung und trotz der Leidenschaft nicht ohne Zierlichkeit und Zartheit. Er hatte von seinem Standpunkt mit der Beurteilung des Parzival recht. In Wolfram und Gottfried spitzten sich, wie sp?ter bei Goethe und Schiller, zwei dichterische Typen bis ins Polare zu: der Pathetiker und der Erotiker. Wolfram-Schiller, das besagt: Kampf, Forderung, Dornenweg, Verblendung und Erl?sung, Gottesminne, Jenseits. Goethe-Gottfried, das hei?t: Sein, Genu?, selbst des Schmerzes, Blumenpfad, Sonnenblendung, Glanz und Erf��llung: Menschenminne, Diesseits.
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W?hrend die von Walter, Gottfried usw. geschaffene Kunstdichtung entartete, erlebte die deutsche Volksdichtung, das Volkslied und das M?rchen, im 15. und 16. Jahrhundert ihre ��ppigste Bl��te. Die sch?nsten der von Herder, Arnim und Brentano, Erk und B?hme sp?ter aufgezeichneten Volkslieder sind damals entstanden. Die Dichter der von den Gebr��der Grimm gesammelten Kinder- und Hausm?rchen wandelten als Gumpelm?nner, Vagabunden und Gott wei? was durch die deutschen Lande. Ihnen waren Tier und Blume, Berg und Teich wie Bruder und Schwester vertraut. Sie hatten kein ander Bett als die Erde, keine andere Decke als die Sternendecke des Himmels. Ein verlassener Ameisenhaufen war ihr Kopfkissen. Eichh?rnchen h��teten ihren Schlaf, und der war voll von Tr?umen wie ein Kirschbaum im Juni voll von Kirschen. Da gaben sich der Froschk?nig, die Bremer Stadtmusikanten, der Teufel mit den drei goldenen Haaren, der R?uberhauptmann, Frau Holle, Daumerling, Doktor Allwissend, das kluge Schneiderlein, der Vogel Greif und viele andere wunderliche und seltsame Wesen ihr heimliches Stelldichein. Und der Vogel Greif schnaufte: ?Ich rieche, rieche Menschenfleisch ...?, aber dann lie? er sich doch von seiner Frau ��bert?lpeln (wie listig sind die Frauen, wenn sie l��gen!). Die neidische und eitle K?nigin befragte den Spiegel an der Wand:
Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die sch?nste im ganzen Land?
Und der Spiegel antwortete:
Frau K?nigin, Ihr seid die sch?nste hier. Aber Sneewittchen ��ber den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal sch?ner als Ihr.
Auf einem Lindenbaum sa? ein Vogel, der sang in einem fort:
Kywitt, kywitt, wat v?rn sch??n Vagel b��n ick ...
Aber dieser Vogel war kein richtiger Vogel. Es war ein Mensch, der sich nach seinem Tod in einen Vogel verwandelt hatte. Denn wir Menschen sterben nicht. Das Volkslied und das Volksm?rchen l??t unsere Seele wandern. Vogel und Blume k?nnen wir werden: ja Blume auf unserem eigenen Grabe, dann kommt wohl die Geliebte, begie?t uns mit Tr?nen, oder sie pfl��ckt und dr��ckt uns, Veilchen oder Lilie, an den Busen. Sind wir aber b?se, so werden wir verflucht und verzaubert in Werw?lfe. Die Wurzeln von M?rchen und Volkslied gehen bis tief in die heidnische Vorzeit zur��ck, da des Menschen Fr?mmigkeit vom Diesseits, seine Augen von Sonne, Himmel und der weiten, weiten Welt ganz erf��llt waren. Ihm war der Tod nur eine andere Art des Lebens. Verwandlung. Eine T��r f?llt ins Schlo?, und eine andere geht auf. Auf Tag folgt Nacht, aber wieder Tag. Er war nicht zerrissen in Leib und Seele. Die waren eins. Die M?rchen und Lieder sind so bunt wie die Natur selbst. Wie die Sonne ��ber Gerechte und Ungerechte scheint, so f��hlt der Dichter mit allen seinen Kreaturen, auch den erb?rmlichsten. Irgendein armseliger Stra?enr?uber (der arme Schwartenhals) steht ihm so nahe wie die zwei K?nigskinder, die zueinander nicht kommen konnten, ?das Wasser war viel zu tief?. Goethe ist ohne das deutsche Volkslied, Volksm?rchen, Volksepos nicht zu denken. Er steht auf den Schultern von tausend anonymen Autoren, die kommen mu?ten, damit er kommen konnte. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde der Grundstock gelegt zu jenem Geb?ude des 18. Jahrhunderts voll vollendeter Klassizit?t, das den Namen Goethe tragen sollte. Aber auch Matthias Claudius, Clemens Brentano, Eichendorff, Heine haben mit den Bausteinen gearbeitet, die jene bescheidenen M?nner schichteten. Vielleicht sind ihre Werke der lauterste Ausdruck des deutschen Kunstwillens und
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