fremde Formen dem deutschen Leben und Wesen immer mehr zu eigen wurden.
W?hrend alle andern abendl?ndischen V?lker verh?ltnism??ig früh zur Bildung eines staatlichen Organismus gelangten, war dies bei den Deutschen erst im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts der Fall. Deutsche Zerrissenheit war das Merkwort, mit dem sich der Deutsche selbst in die Unab?nderlichkeit eines Weltzustandes ergab. Dies ist eine Tatsache, deren Grund zu erforschen sich wohl lohnt.
Nach allem, was wir von dem Volk der Germanen wissen, scheint es, als ob ihr religi?ses Leben durch den Eintritt in das Christentum eine bedeutende St?rung erlitten, als ob eine natürliche Entfaltung ihrer religi?sen Anlage ein andres Ergebnis gehabt h?tte als das durch die Geschichte hervorgebrachte. Darauf l??t namentlich die immer wieder zutage tretende Abneigung der Deutschen gegen den Klerus, gegen das Papsttum und seine unumschr?nkte Gewalt schlie?en. Der Papst strebte nach Weltherrschaft; ein Weltimperium zu schaffen war auch der tiefe Wille der Deutschen; ist es nicht denkbar, da? die eingeborne Macht dieser Idee dadurch gebrochen worden ist, da? die Kaisergeschlechter der Salier, Franken und Schwaben eine Art Kompromi? schlossen, indem sie eine r?mische Weltherrschaft auf deutschem Boden gründen, die Nation in ein r?misches Kaisertum verwandeln wollten? Es war dies eine poetische Idee und nicht eine politische, und darin liegt das Verh?ngnis, darin der Irrtum, der Stillstand, die Unfruchtbarkeit. Der Zug über die Alpen: das romantische Abenteuer; Italien, die zweite Heimat, Provinz des Lichtes und der Sch?nheit, der holde Traum, die Lockung der Jahrhunderte.
Immer wieder setzen die Kr?fte an diesem Punkte an, immer wieder brechen sie hier. Es lebte im Volk ein unbeirrbarer, bis ins Unbewu?te gedrungener Glaube, da? es die Herrenrolle in Europa wieder übernehmen werde, die nach alten überlieferungen die Ahnen der Vorzeit innegehabt; aber diese überzeugung kam stets nur in den Leistungen und Werken einzelner zum Ausdruck und entbehrte dann auch nicht der Schwermut und Klage; das Staatswesen schien davon unberührt zu bleiben. W?hrend die Reformation, diese deutscheste Bewegung in der deutschen Geschichte, die langersehnte geistige Befreiung schafft, findet der Staat im Kaiserhaus selbst einen Feind, der ihn best?ndig an Rom und an die Romanen verr?t, und die Hoffnung der Freien und Befreiten wird durch den Drei?igj?hrigen Krieg, das gr??te Unglück, von welchem je ein Volk getroffen wurde, erstickt. Langsam sammeln sich die Kr?fte wieder; es ist ein erhabenes Zeugnis für die der Nation innewohnende Tüchtigkeit und Kraft, da? sie kaum eines Jahrhunderts bedarf, um zu einer Blüte der Bildung und des geistigen Lebens zu gelangen, wie sie die Geschichte keines andern Volkes kennt, eine Blüte allerdings, die nach Gustav Freytags tiefem Wort die wundergleiche Sch?pfung einer Seele ohne Leib ist.
Erst mit dem Heraufkommen des preu?ischen Staates kündigt sich eine neue und verhei?ungsvolle Periode des nationalen Lebens an. Ein neues Lebensgesetz wird von den einzelnen ergriffen und bindet sie. Gleichsam gereinigt in der Glut geistiger Erlebnisse, vor einen reinen Spiegel hingestellt durch das Genie der Dichter, das Beispiel gro?er Feldherrn, gro?er Fürsten und im wahren Sinn protestantischer Volksfreunde, erkennen die Führer, erkennt das Volk die Notwendigkeit politischer Sammlung und finden den Weg, das Ideal praktisch zu verwirklichen. Alte Instinkte trotziger Selbst?ndigkeit werden niedergezwungen und dem Allgemeinen dienstbar gemacht, sch?dliches Fremdes wird ausgeschieden, nützlich und tüchtig Fremdes angeschmolzen.
[Illustration: Ziethen, nach einem Stich von Townley.]
In preu?ischer Zucht und Schule w?chst das neue Deutschland zur Erkenntnis und zur Erfüllung seiner Aufgabe heran. Dort vollzieht sich die Sonderung, die Wandlung, der Zusammenschlu?. Ein K?nig, dessen unerschütterliche Energie im Bewahren, Sammeln und Vorbereiten ihn zum Werkzeug des Schicksals und zum wahren Zimmermann der Fundamente macht, gibt aus scheinbar bürgerlicher Enge das ungeheure Wort von der Suver?nit?t, die er als einen #rocher de bronze# statuiere, und ein Philosoph in ebenso scheinbarer bürgerlicher Enge formuliert den kategorischen Imperativ als Stützpunkt einer die ganze moderne Welt überw?lbenden Moral- und Sittenlehre.
Friedrich der Gro?e war dann der Gestalter, wenn auch nicht der Vollender, die Verk?rperung wesentlicher politischer und organisatorischer Eigenschaften, mit denen die neue Zeit ihre Arbeit beginnen konnte. Vielleicht war ihm am Ende seiner unvergleichlichen Laufbahn noch nicht einmal bewu?t, wie sehr er Bürger war, indem er K?nig war. Und da seine Taten ihn zum Helden machten, schuf er eben dadurch, da? er K?nig und Bürger zugleich war, einen neuen Begriff des Heroischen, der durch seine Einfachheit und Menschlichkeit vorbildlich wurde. In ihm hat das deutsche Gesicht seine kr?nende Gültigkeit erhalten und seinen beredtesten Ausdruck.
Das deutsche Gesicht! Es schwebt mir Christoph Ambergers Bildnis eines Augsburger Patriziers vor, und Holbeins Bildnis des Bürgermeisters Meyer, und Lukas Cranachs Bildnis eines alten Mannes; ich denke an Luthers Gesicht, an Keplers Gesicht, an Scharnhorsts und Nettelbecks Gesicht, an Sebastian Bachs und an Moltkes Gesicht; es sind immer dieselben Züge wie die von Brüdern und Gef?hrten in der Reihe der wechselnden Geschlechter.
Sie wissen den Tod, ohne ihn zu sehen, sie spüren ihn, ohne ihn zu fürchten. Wie der Tod innerstes Gefühl wird, ist in dem Dürerschen Portr?t
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