Des Meeres Und Der Liebe Wellen | Page 7

Franz Grillparzer
Dich grüßend nehm
ich Abschied auch von dir.
(Sie entfernt sich.)
Die Priester. Den Göttern Ehrfurcht!
Das Volk. Glück mit uns!
Hero (an der Bildsäule des Hymenäus stehend). Dein Bruder sendet
mich--
Naukleros (leise zu Leander). Siehst du nicht auf?
Leander (der gerade vor sich hin auf den Boden gesehen hat, hebt jetzt
das Haupt empor).
Priester. Was ist? Du stockst.
Hero. Herr, ich vergaß die Zange.
Priester. Du hältst sie in der Hand.
Hero. Der du die Liebe--
Priester. So hieß der erste Spruch. Laß nur! Zum Opfer!
(Hero gießt Rauchwerk ins Feuer. Eine lebhaftere Flamme zuckt
empor)

Zuviel!--Doch gut!--Nun noch zum Tempel! Komm!
(Sie entfernen sich. In die Mitte der Bühne gekommen, sieht Hero, als
nach etwas Fehlendem an ihrem Schuh, über die rechte Schulter zurück.
Ihr Blick trifft dabei auf die beiden Jünglinge. Die Eltern kommen ihr
entgegen. Die Musik ertönt von neuem.)
(Der Vorhang fällt.)

Zweiter Aufzug
(Tempelhain zu Sestos. Auf der linken Seite nach rückwärts eine
Ruhebank von Gebüsch umgeben.)
Naukleros (von der linken Seite auftretend). Leander komm! und eile
mir doch nur!
Leander (der von derselben Seite sichtbar wird). Hier bin ich, sieh!
Naukleros. So rasch? Ei doch! Man denke! Wie lange noch, sag an!
führ ich, zur Strafe Für ein Vergehn, derzeit noch unbekannt Und
unbegangen auch, dem Knaben gleich Der seinen blinden Herrn die
Straße leitet, Ringsum dich durch der Menschen laute Städte, Von Fest
zu Fest, vom Markte zum Altar, Den Ort ausforschend, der dir Frohsinn
brächte? Wie lang sitz ich, von Sprechen müd', dir gegenüber Und
forsch in deinem Aug', dem leid'gen Blick, Ob's angeglommen, ob
erwacht die Lust? Und les ein ewig neues: nein, nein, nein! Wenn deine
Mutter starb, wer kann da helfen? War's gut und recht, daß du, ein
wackrer Sohn, Und ihr, der Tiefbekümmerten zu Willen, Am Strand
des Meeres wohntest, fern der Stadt Und Menschen fern, nur
Kindespflichten übend; Nun, da sie tot, was hält dich länger ab Den
Gleichen als ein Gleicher zu gehören Mitfühlend ihre Sorgen, ihre Lust?
Wein um die Gute, rauf dein braunes Haar, Allein dann kehre zu den
Freuden wieder, Die sie dir gönnt, die du ihr länger gönntest. Sag ich
nicht recht? und was ist deine Meinung? Nun?
Leander. Ich bin müd'.
Naukleros. Ei ja, der großen Plage! Den ganzen Tag, am fremden Ort,
umgeben Von fremden Menschen, fröhlichen Gesichtern, Sich
durchzuhelfen und zu schaun, zu hören, Einmal zu sprechen gar. Ei,
gute Götter, Wer hielte das wohl aus?
Leander (der sich gesetzt hat). Und krank dazu.
Naukleros. Krank? Sei du unbesorgt! Das gibt sich wohl. Sei du erst
heim in deiner dumpfen Hütte, Vom Meer bespült, wo rings nur Sand

und Wellen Und trübe Wolken, die mit Regen dräun. Hab erst das gute
Kleid da von den Schultern, Und umgehüllt dein derbes Schifferwams.
Dann sitz am Strand, den langen Tag verangelnd, Tauch dich ins Meer,
der Fische Neid im Schwimmen, Lieg abends erst--so fand ich dich ja
einst-- Im Ruderkahn, das Antlitz über dir, Des Körpers Last vertraut
den breiten Schultern, Indes das Fahrzeug auf den Wellen schaukelt; So
lieg gestreckt und schau mir nach den Sternen, Und denk--an deine
Mutter, die noch eben Zur rechten Zeit dich, sterbend, frei gemacht; An
sie; an Geister, die dort oben wohnen; An--denk ans Denken; denk
vielmehr an nichts! Sei nur erst dort; und Freund, was gilt die Wette?
Du fühlst dich wohl, fühlst wieder dich gesund. Nun aber komm, denn
fernab liegt die Heimat, Die Zeit verrinnt, die Freunde kehren heim.
Leander. Es ist so schattig hier. Laß uns noch weilen! Leicht findet sich
ein Kahn. Ich rudre dich.
Naukleros. Ei rudern, ja! Wie glänzt ihm da das Auge! Am Steuer
sitzend, ausgestreckt die Hand, Die prallen Arme vor und rückwärts
führend, Jetzt so, dann so, und fort auf feuchtem Pfad! Da fühlst du
dich ein Held, ein Gott, ein Mann; Für andres mag man einen andern
suchen. Doch, schöner Freund, nicht nur ums Rudern bloß, Hier frägt
es sich um andre, ernstre Dinge. Wir stehen, wiß es, auf verbotnem
Grund, Im Tempelhain, der jedem sich verschließt, Als nur am Tag des
Fests, von dem wir kehren. Sonst streifen Wächter durch die grünen
Büsche, Die fahen jeden, den ihr Auge trifft, Und stellen ihn dem
Priester ihres Tempels, Der ihn bestraft, leicht mit dem Äußersten.
Sprichst du?
Leander. Ich sagte nichts.
Naukleros. Drum also komm! Um Mittag endet sie des Festes Freiheit
Und fast schon senkrecht trifft der Sonne Pfeil. Mich lüstet nicht, ob
deines trägen Zauderns, Den Kerkern einzuwohnen dieser Stadt. Hörst
du?--Noch immer nicht!--Nun, gute Götter! Kehrt euch von ihm, wie er
von euch sich wendet! Da lehnt er, weich, mit mattgesenkten Gliedern.
Ein Junge, schön, wenngleich nicht groß, und braun. Die finstern
Locken ringeln um die Stirn; Das Auge, wenn's die Wimper nicht
verwehrt, Sprüht heiß wie Kohle,
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