Der Zweyte Theil von König Heinrich dem Vierten | Page 6

William Shakespeare
und heulst, es zu finden. Was für Vertrauen darf man auf
die Menschen sezen! Diejenige, die Richards Tod wollten, da er lebte,
sind nun in sein Grab verliebt; du, der Staub und Auskehricht auf sein
schönes Haupt herab
schüttete, als er seufzend hinter dem
bewunderten Bolingbroke durch das stolze London geführt wurde,
schreyst izt: o Erde, gieb uns jenen König wieder, und nimm
diesen!--[*Verfluchte Unbeständigkeit der menschlichen Gedanken!
Das Vergangne und Künftige scheint ihnen immer das beste, das
Gegenwärtige immer das schlimmste.
{ed. * Reime im Original.}
Mowbray.
Sollen wir unsre Leute mustern, und ausrüken?
Hastings.
Wir hangen nun von der Zeit ab, und die Zeit befiehlt uns,
zu gehen.]
Zweyter Aufzug.
Erste Scene.
(Eine Strasse in London.)
(Die Wirthin tritt mit den
zween Häschern, Fang und Schlinge auf.)
Wirthin.
Herr Fang, habt ihr die Klage anhängig gemacht?
Fang.
Sie ist anhängig gemacht.
Wirthin.
Wo ist euer Scherge? Ist es ein braver Scherge? Ist er ein
Mann, zum Anpaken?

Fang.
Holla, wo ist Schlinge?
Wirthin.
O Jemini! Ah, guter Herr Schlinge!
Schlinge.
Hier, hier.
Fang.
Schlinge, wir müssen Sir John Falstaffen in Verhaft nehmen.
Wirthin.
Ach ja, guter Herr Schlinge, ich hab ihn verklagt, und alle.
Schlinge.
Das mag einigen von uns das Leben kosten; er wird vom
Leder ziehen.
Wirthin.
Das ist doch ein Elend! Nehmt euch ja vor ihm in Acht; er
erstach mich neulich in meinem eignen Hause, und das nur auf eine
recht bestialische Art; er bekümmert sich nichts darum, was für Unheil
er anrichtet, wenn er mit seiner Fuchtel heraus ist. Er wird
zustossen
wie ein Teufel; er schont euch weder Mann, noch Weib, noch Kind.
Fang.
Wenn ich ihn nur einmal zu paken kriegen kan, so frag ich
nichts nach seinem Pochen.
Wirthin.
Nein, ich auch nicht; ich will euch schon an der Hand seyn.
Fang.
Wenn ich ihm nur einmal mit der Faust beykommen kan--
Wirthin.
Ich bin verlohren, wenn er entgeht; ich versichre euch, die
Zechen nehmen kein Ende, die er mir schuldig ist. Guter Herr Fang,
haltet ihn ja fest; guter Herr Schlinge, laßt ihn ja nicht entwischen; er
kommt immer in Pie-Corner, mit Verlaub vor euer Ehren zu reden,
einen Sattel zu kauffen, und er ist heute zum Mönchs-Kopf in der
Lombard-Strasse zu Hrn. Smooth, dem Seidenhändler, zum
Mittagessen eingeladen. Ich bitte euch, weil meine Klage einmal
anhängig ist, und die Sache so weit gekommen ist, daß es die ganze
Welt weiß, macht doch ja, daß er sich zur Verantwortung stellen muß.
Hundert Mark ist eine grosse Summe für eine arme verlassene Wittfrau;
ich hab immer gewartet, und gewartet, und gewartet, und er hat mich

immer gefoppt, und gefoppt, und wieder gefoppt, daß es eine Schande
ist, nur daran zu denken.--
(Falstaff, sein kleiner Lakay, und Bardolph
zu den Vorigen.) Dort kommt er eben, und der ausgemachte
malvasiernasichte Spizbube Bardolph mit ihm. Thut euer Amt, thut
euer Amt, Herr Fang und Herr Schlinge, thut mir, thut mir, thut mir
euer Amt.
Falstaff.
Wie? wie? Wessen Mähre ist todt? Was giebt's hier?
Fang.
Sir John, ich arretire euch, auf Ansuchen der Frau Quikly.
Falstaff.
Weg, ihr Lümmel; zieh, Bardolph: Hau mir dem Raker den
Kopf herunter: Wirf den Sausödel in den Bach.
Wirthin.
Was? Mich in den Bach werfen? Ich will dich in den Bach
werfen. Willt du? willt du? Du--Mörder! Mörder!--
Falstaff.
Bardolph, halt sie zurük.
Fang.
Succurs! Succurs!
Wirthin.
Liebe Leute, holt noch einen Mann oder zwey; du willt, willt
du? Du willt, willt du? Thu's, thu's, du Raker, du, du Hanfsaamen!
Falstaff.
--
(Dumme Schimpfwörter.)
Zweyte Scene.
(Der Lord Ober-Richter mit seinem Gefolge.)
Ober-Richter.
Was giebts hier? Haltet Frieden hier, he!
Wirthin.
O mein lieber Gnädiger Herr, haltet zu mir; ich bitte euch,
nehmt euch meiner an.
Ober-Richter.
Wie, Sir John? Was für saubre Händel habt ihr hier?
Schikt sich das für eure Bedienung, und für das Geschäfte, so euch

aufgetragen ist? Ihr solltet schon weit auf der Landstrasse nach York
seyn. Laß ihn gehen, Bursche; was hängst du dich an ihn an?
Wirthin.
O allergnädigster Herr Lord, ich bin mit Euer Gestreng
Erlaubniß eine arme Wittfrau von East-Cheap, und er wird auf mein
Ansuchen in Verhaft genommen.
Ober-Richter.
Für was für eine Summe?
Wirthin.
Für alles, Gnädiger Herr, für alles was ich habe. Er hat mich
von Haus und Hof gefressen, er hat mein ganzes Vermögen in seinen
diken Bauch da hinein gestopft; aber ich will doch nicht alles verlohren
haben, ich will wieder was herauskriegen, oder ich will dich des Nachts
reiten wie eine Hexe.
Falstaff (Eine Zote.)
--
Ober-Richter.
Wie kommt das, Sir John? Fie! welcher ehrliche Mann
wollte sich dergleichen nachreden lassen? Schämt ihr euch nicht, eine
arme Wittfrau zu solchen Mitteln zu treiben, um zum Ihrigen zu
gelangen?
Falstaff.
Wie viel bin ich dir dann schuldig?
Wirthin.
Meiner Six! Wenn du ein Bidermann wär'st, dich selbst und
das Geld dazu; du schwur'st mir auf einen verguldten Becher, es war in
der Delphin-Stube, du sassest an der runden Tafel, bey einem
See-KohlenFeuer, am Dienstag in der Pfingst-Woche, war es, wie dir
der Prinz ein Loch in den
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