Der Zweyte Theil von König Heinrich dem Vierten | Page 5

William Shakespeare
von unsern Hoffnungen denket.
Was saget ihr dazu, Lord Marschall?
Mowbray.
Ich billige gänzlich die Sache unsrer Waffen, aber ich
wünschte besser überzeugt zu seyn, wie wir mit den Mitteln die wir
haben einer so furchtbaren Macht als des Königs, die Stirne bieten
können.
Hastings.
Unsre dermalige Stärke ist auf fünf und zwanzig tausend
Mann auserlesener Leute angewachsen; und der grosse
Northumberland, dessen Brust von gerechtester Rache glüht, giebt uns
die
zuverläßige Hoffnung einer mächtigen Unterstüzung.
Bardolph.
Die Frage, Lord Hastings, ist also diese: Ob wir mit diesen
fünf und zwanzig tausend Mann, die wir haben, ohne Northumberland,
eine Unternehmung wagen können?
Hastings.
Mit ihm können wir's.
Bardolph.
Gut, das ist also der Umstand auf den alles ankommt.

Wenn wir ohne ihn zu schwach sind, so ist meine Meynung, wir sollen
uns nicht zu tief einlassen, bis wir seinen Beystand haben. Bey einem
so blutigen Vorhaben wie das unsrige, können Vermuthungen,
Wünsche, Erwartungen einer ungewissen Unterstüzung, nicht in die
Rechnung gebracht werden.
York.
Diß ist sehr richtig, Lord Bardolph; des jungen Hot-Spurs Fall
zu Schrewsbury giebt uns diese Lection.
Bardolph.
In der That, Milord, was verursachte seinen Fall, als daß er
seine kleine Anzahl durch die Hoffnung versprochner Hülfe doppelte;
daß er sich selbst mit Ausrechnungen einer eingebildeten Macht
täuschte, die in der That kleiner war, als der kleinste seiner Gedanken;
daß er in der Schwärmerey einer erhizten Einbildungskraft seine Leute
zum Tod führte, und taumelnd in sein Verderben sprang.
Hastings.
Es kan, dem ungeachtet, mit eurer Erlaubniß, nicht schaden,
die Vortheile, auf die man sich mit der grösten Wahrscheinlichkeit
Rechnung machen kan, in den Ueberschlag unsrer Unternehmung zu
bringen.
Bardolph.
Ja, wenn uns die Umstände nicht zu einer augenbliklichen

Entschliessung nöthigten. Eine auf blosse Hoffnung hin würklich
angefangne Sache gleicht den Trag-Knospen eines zu frühzeitigen
Frühlings, von denen man gleichviel Ursache hat zu hoffen, daß sie
Früchte geben, als zu fürchten, daß Fröste sie verderben werden. Wenn
wir bauen wollen, so überlegen wir zuerst wie wir es angelegt haben
wollen; hernach machen wir den Riß davon, und dann müssen wir
nothwendig die Unkosten der Aufführung berechnen. Finden wir, daß
sie unsre Kräfte übersteigen, was thun wir dann? Wir ziehen unsern
Plan zusammen, wir machen ein kleineres Modell, oder wir geben den
Bau gar auf. Sollten wir bey einem so grossen Werk, als das Vorhaben
ein Königreich niederzureissen, und ein anders
aufzurichten, weniger
Vorsichtigkeit gebrauchen? Um wie viel nöthiger ist es, daß wir eines
wolüberlegten Entwurfs einig seyen, daß wir des Fundaments
versichert seyen, worauf wir bauen wollen; daß wir unsre Mittel
überrechnen und genau erkundigen, wie weit sie zu einem solchen

Werke zureichen, und ob sie die entgegenstehende Schwierigkeiten
überwiegen? Denn sonst bauen wir auf Papier, zählen blosse Namen
von Männern für die Männer selbst, und befinden uns am Ende im Fall
desjenigen der einen Bau angefangen hat, der sein Vermögen übersteigt,
und wenn er's zur Hälfte gebracht hat, genöthigt ist es ligen zu lassen,
und als einen nakten Gegenstand weinender Wolken, den Stürmen und
dem verwüstenden Winter preis zu geben.
Hastings.
Gesezt auch, unsre Hoffnungen sollten wider allen
Anschein in der Geburt erstiken, und wir hätten nicht einen einzigen
Mann mehr als wir schon haben zu erwarten, so denke ich doch, wir
sind, so wie wir sind, stark genug, uns mit dem König zu messen.
Bardolph.
Wie? hat er etwann nur fünf und zwanzig tausend Mann?
Hastings.
Gegen uns, nicht mehr; nicht einmal so viel, Lord Bardolph;
Er ist genöthiget, seine Macht in drey Heere zu theilen; eines gegen die
Franzosen, eines gegen Glendower, und ein drittes gegen uns; diese
Theilung muß den König desto schwächer machen, da sein Schaz
erschöpft und seine Kisten leer sind.
York.
Daß er seine verschiedne Schaaren zusammenziehen, und uns
mit gesammter Macht angreiffen sollte, haben wir nicht zu besorgen.
Hastings.
Wenn er das thun wollte, so ließ' er seinen Rüken
unbeschüzt, und er sezte sich in die unvermeidliche Gefahr, von allen
Seiten eingeschlossen zu werden; das ist nimmermehr zu besorgen.
Bardolph.
Wem wird er wohl die Anführung seiner Truppen gegen
uns geben?
Hastings.
Dem Herzog von Lancaster und Westmorland; er selbst und
Harry Monmouth ziehen gegen die Welschen, aber wer gegen die
Franzosen commandieren wird, ist noch nicht bekannt.
York.
Wolan dann, laßt uns Hand ans Werk legen, und die Ursachen
bekannt machen, warum wir die Waffen ergreiffen--Die Gemeinen sind

ihrer eignen Wahl überdrüssig, ihre heißhungrige Liebe hat sie überfüllt.
Der hat eine wankende und unsichre Wohnung, der auf das Herz des
Pöbels baut. O du schwärmerischer Hauffe! Mit was für einem lauten
Zujauchzen, mit welchem Getümmel von Segnungen schlugst du den
Himmel, eh Bolingbroke war, was du wolltest daß er seyn sollte? Und
nun, da er zugerichtet ist, wie du ihn wünschtest, nun bist du so voll
von ihm, daß du dich selber reizest, ihn wieder von dir zu geben. So, so
entludest du, du gemeiner Gassen-Hund, deinen gefräßigen Busen des
königlichen Richards; und izt wolltest du gerne wieder essen was du
gespien hast,
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