faltige Gesicht.
Was den Knaben am m?chtigsten anrührte, da? er bis in die Knie gebannt war, gebannt emporsah, war der unergründlich tiefe, geistige Ernst. Das schnitt durch und durch, wie Eisluft von einem Gletscher. Das L?cheln, das heitere Wort, die herzliche Geb?rde beleuchteten den Ernst nur, sie verdeckten ihn nicht.
Sich ihm zu n?hern, war, als ob man sich erfrechte. Und doch war er selbst herangetreten und hatte einem den Arm um die Schultern geschlungen. Es ehrte unerme?lich. Jeder einzelne Blutstropfen unterwarf sich. Die freiwillige, enthusiastische Unterwerfung war seliger Rausch.
Er stand ganz oben in Dietrichs Augen; befehlender Mensch, bestimmender Geist. Sein Wort glich einer Mauer, an die man sich lehnt und die Sicherheit gew?hrt. Die heimlichen und feurigen Gedanken von fünfundachtzig Knaben folgten ihm in seine wolkenhafte H?he, und wer wei? wie vieler noch von drau?en. Und er war herangetreten, um den Arm um seine Schultern zu schlingen. Schauderndes Gefühl.
Dietrich hatte nie einen gegenw?rtigen Zustand an einem vergangenen oder einem m?glichen gemessen. Es hatte ihm immer geschienen, da? alles so war, wie es sein mu?te; es anders zu wünschen, war ihm nicht in den Sinn gekommen. Jetzt sah er sich um wie einer, der aus Tr?umen erwacht, in denen er gedemütigt worden ist, ohne es zu merken; er erwacht verwundert und besch?mt. Von der Leyens blo?e N?he bewirkte, da? er ungern zurückdachte; Heimat und Vaterhaus waren ?de, weil dort keiner war, zu dem man bewundernd emporsehen konnte.
Das Du, das ihm erlaubt war, vermehrte die Ehrfurcht und Dankbarkeit nur. Es war wie ein überkostbares Geschenk, das man selten zu gebrauchen wagt. Er war pl?tzlich voller Zweifel in bezug auf sich selbst. Früher w?re es ihm fern gewesen, sich zu fragen, ob das, was er gesagt, getan, wie er sich hielt, sich gab, richtig und gut war. Jetzt prüfte er sich innen und au?en; ein übereiltes Wort qu?lte ihn; ein begangener Fehler machte ihn in der Erinnerung erbleichen; er spürte bedrückend das Langsame seiner Auffassung, das tr?ge Beharren in seiner Natur; er war voll Unruhe, voll brennenden geheimen Eifers, voll Angst, nicht erfüllen zu k?nnen, was von ihm erwartet wurde; was Er erwartete. Gab er ihm denn so viel Vorsprung, da? er so freundlich war? Sammelte er Forderungen in der Stille, um ihm dann seine Unzul?nglichkeit desto bündiger zu beweisen? Warum war er freundlich? Warum redete er wie zu einem Gef?hrten? Vielleicht übersch?tzte er ihn; Oberlin zitterte vor dem Tag, der ihn, Dietrich, in seiner wahren Gestalt zeigen mu?te, seiner groben, trüben, mi?gebildeten Beschaffenheit.
Er war sich unwert. Er gefiel sich nicht. Dennoch wollte er Ihm gefallen, um jeden Preis. Kein Opfer war zu hart; nur Ihn nicht entt?uschen, nur nicht zurückgesto?en werden, da man doch, aus unerkl?rlichen Gründen freilich, einmal vorgezogen war; nur nicht wieder ein Unbeachteter sein, verdeckt, versteckt unter den Andern, nur nicht wieder hinab in die gefühllose Leere, wo kein Glanz war, kein Gerufenwerden, kein Arm-in-Arm-Wandeln, kein Geh?rtwerden. Er h?tte beten m?gen darum.
Bisweilen warf er einen musternden Blick in den Spiegel und ha?te sein Gesicht, weil es nicht edler und bedeutender war, nahm ein schwer verst?ndliches Buch zur Hand und ha?te sein Gehirn, weil es nicht leichter begriff. Er schrieb seinen Namen auf die L?schbl?tter und fand ihn h??lich, nichtssagend, plump. Alles war Ungenügen, Verzagen, Kriechen im Schatten; alles Hunger und Begier nach Seinem Wort, Seinem Einverst?ndnis, Seiner Billigung.
War er in Lucians Gesellschaft, so blühte das Leben. Er hatte Pl?ne, er wollte etwas werden und etwas k?nnen. Nach und nach fa?te er Mut zu Fragen, die ohne Wortkleid in ihm geschlummert hatten, über Menschen und allt?gliche Vorf?lle. In der Freude am Sichüberliefern las er ihm Briefe seiner Mutter vor. Erz?hlte vom Vater, von abendlichen G?ngen ins Gebirge, von der Ermatinger Villa am Bodensee, wo die Familie den Sommer zu verbringen pflegte, von Regatten, Wettschwimmen, Fischpartien. Es gab harmlose Erlebnisse, die er mit lebhafter Eindringlichkeit vortrug. Sie sollten bezeugen und bezeugten auch einen Schatz von bereits gesammelten Erfahrungen. Lucian von der Leyen nahm es in diesem seri?sen Sinn auf. Unter anderem berichtete er von einer Katze und einem Hund, die er seit ihrer Geburt besessen; wie die Tiere sich zur Verwunderung aller miteinander angefreundet und schlie?lich unzertrennlich gewesen seien; stets um ihn und mit ihm, sogar die Katze folgte treulich bis zur Bootshütte; eines Nachts weckt ihn ein Schrei, wie er nie einen vernommen; er lauscht, wirft sich in Kleider, eilt ins Freie; wieder ein Schrei, als ob ein Mensch erstochen würde; sogleich denkt er an die Katze, er l?uft durch den Garten ans Seeufer, da kommt ihm der Hund entgegen, verbrecherhaft geduckt, er stellt ihn zur Rede; man k?nne das; Hunde antworteten; und der Hund habe gestanden, aus b?sem Gewissen heraus; er führt ihn zum Zaun, dort liegt, in schwachem Mondlicht sichtbar, die sch?ne Katze mit dem getigerten Fell ausgestreckt in ihrem Blut.
Von der Leyen sagte: ?Zwischen denen mag etwas Schlimmes
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