Der Wendekreis - Erste Folge | Page 7

Jakob Wasserman
mit dem Lilienteich und den T��rmen aus G?tterbildern; immer unter den Menschen, dicht bei den Menschen, immer einsam, dicht bei sich, von Tag zu Tag einsamer, von Tag zu Tag reicher, beladen mit Reicht��mern, und immer noch durstig. Er erz?hlte weiter. Das alles war erst Untermalung; Figur und Umri? zeigten sich sp?ter.
Er sprach von Schiffen und Dschunken; vom Himmel, vom Meer; von W?ldern und G?rten; von Tempeln und Festen; von St?dten und W��steneien; von Heiligen und von Verbrechern; von religi?ser Versunkenheit und weltlicher M��hsal; von Aufruhr und Unterdr��ckung, von innigem Werkflei? und liebender Tat. Vom Schicksal und abermals vom Schicksal, seinem Wechsel, seinem Grauen, seiner Herrlichkeit, seiner in alle Seelen gewirkten Vielf?ltigkeit.
Er hatte erkannt; vom Erkennen war er voll. Er hatte Kr?fte in sich geschl��rft mit Begierde. Er hatte die Bindungen und Verflechtungen des Menschheitsk?rpers sehen gelernt wie man die Lagerungen der Muskeln und Adern an einem hautlosen Leib wahrnimmt. Er war vertraut mit dem F��hlen und Denken aller Verlorenen, Irrenden, Geplagten und Duldenden an allen Enden und Ecken der Erde. Er kannte die Lasterhaften, die M?rder, die Diebe, die Hehler, die Geknechteten, die Einf?ltigen, die Ergl��hten, die stummen Unverdrossenen. F��r ihn zogen sich F?den von der K��ste des indischen Ozeans bis zu den Pal?sten europ?ischer Metropolen. Alles war ein einziger, bebender, hei?er Leib; alles wie die verschlungenen Zweige eines ungeheuren Baums. Er dr��ckte dergleichen nicht aus, dazu war er nicht imstande, aber es lag in seinem Aug und Wesen.
Er war, vom Osten her, durch den Krieg gegangen, unangefochten, bewillkommt, von schonender Luft und schonenden H?nden umgeben, und wo er war, schien er f��r die andern von jeher gewesen zu sein. Er hatte die Schlachtfelder durchzogen, die Brandst?tten, das blutbesudelte Land, h��ben und dr��ben, das zermalmte, seufzende Land. Er war Zeuge geworden von Pl��nderung und Metzelei, Hunger und Ha?, Wahnsinn und L��ge, Bestialit?t und Verzweiflung. Aber auch von verborgenem Heldentum und dem kleinen Gl��ck der Gen��gsamen, von Opferdienst und Wundern der Vollbringung. Er wurde nicht m��de; er durfte es nicht werden, denn er sah noch kein Ziel.
Was mag das Ziel sein? ging es M?rner durch den Sinn, indes er lauschte und mitlebte; in dem unendlichen Zirkel der Bilder und Vorstellungen dachte er pl?tzlich an Buddhas Wiese, an die seligen Gefilde der letzten Ent?u?erung, des letzten Wissens, des letzten Friedens, der letzten Inkarnation, H?henscheide zwischen irdischer und himmlischer Welt.
Wu?te er nicht, wohin er ging, der ��beraus Seltsame? Dar��ber war kein Zweifel, da? er sich ��bernat��rliche F?higkeiten angeeignet hatte, das hei?t, von denen aus betrachtet, die noch nicht an die Natur reichen: Er hatte sie erworben, weil sein Einsatz ��bermenschlich war, das hei?t, von denen aus betrachtet, die noch nicht ans Menschliche reichen.
* * * * *
?Ich durfte mir keinen Zweck setzen, so wie ich mich nicht binden durfte,? sagte der Unbekannte; ?im Zweck liegt schon das ��bel; der Zweck hat die Welt so ins Fieber gebracht. Nein, ich durfte mich niemals binden, sonst h?tte ich den Zusammenhang verloren. Ich mu?te immer wieder Abschied nehmen, immer wieder brechen, sonst h?tte ich mich vers?umt und die wichtige Stunde. Die wichtige Stunde ist die nach der ��berwindung und dem Entschlu?. Da ist die Kraft ohne Ma? und Grenzen.?
Die Stimme blieb gleich n��chtern, gleich karg, gleich unbetont; gleich h?flich die Haltung, sparsam die Geb?rde. Oft spielte ein L?cheln um die Lippen, die ungealtert waren, indes sich andere Teile des Gesichts eigent��mlich verwittert zeigten, besonders die Stirn und die Schl?fengruben; auch das Haar war an manchen Stellen silbrig angegraut. Das scheue L?cheln schien die Versicherung zu enthalten, da? die Distanz nicht ��berschritten werden w��rde, die der Andere vorschrieb. Der unerhobene Ton aber, die zarte, r��cksichtsvolle Bem��hung um das ?u?erlich Konventionelle und Gestattete verlieh den Worten eine vollkommene Durchsichtigkeit, und Gestalt um Gestalt, Vorgang um Vorgang entfalteten sich so rein, als l?gen Schall und Stimme nicht mehr vermittelnd dazwischen.
?Ich liebe die Dinge,? sagte die h?fliche Stimme; ?ich liebe sie manchmal bis zur Unverge?barkeit; sie sind oft wie Laternen ��ber dem Schicksal des einzelnen Menschen aufgeh?ngt. Ich wei? nicht, ob das eine Schw?che von mir ist, aber ich kann mich dem nicht entziehen. Ich bin mit einem Mann gegangen, in einer kleinen Stadt, und es war Abend. Er hatte Furcht, allein zu gehen, weil die Frau w?hrend seiner langen Abwesenheit wieder geheiratet hatte und ihn f��r tot hielt. Er hatte Furcht, wollte aber zu seinen Kindern, und ich bin mit ihm gegangen. Das Haus lag in einer Gasse gegen den Flu? und hatte ein schiefes Dach. Rechter Hand im Flur war ein Backofen, davor kniete eine Magd, von schwacher Glut beschienen, und schob mit einer Stange die fertigen Brote von den hei?en Ziegeln. An der Treppe oben stand das Weib des Mannes; sie ahnte noch nichts und tr?llerte ein Lied. Zu ihren F��?en spielten zwei K?tzchen. Drau?en war es feucht, das Pflaster gl?nzte, man h?rte den Flu? rauschen,
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