Der Wehrwolf | Page 7

Hermann Löns

Den Morgen hatte er noch das Brummelbeerlied durch die Zähne
geflötet, als er nach der Stadt ritt, und jetzt? Jetzt lag er da und dachte
an das Lied, das der rotbärtige dicke Kerl ihm in das Gesicht gebrüllt
hatte, derselbe Kerl, dem er nachher den Heckenstößer gezeigt hatte.
Wie ein unkluges Stück Vieh hatte er gebrüllt:
Der Mansfeld kommt, der Mansfeld kommt, der Mansfeld ist schon da,
truderiderallala, jetzt ist der Mansfeld da.

Die Braunschweiger
Am folgenden Tage aber, als der kleine Hermke auf seinen Knieen
Hopphoppreiter machte, ihm die Ohren lang zog und lustig krähte,
bekam er wieder helle Augen, doch als er nachher säete, wollte ihm das,
was er im Kruge belebt hatte, nicht aus dem Sinne.
»Das soll doch mit dem Deubel zugehen,« dachte er, »daß ich dem
hergelaufenen Kerl das Pferd für nichts und wieder nichts lassen soll
und obendrein noch einen ausgeben muß!« Er dachte lange über die
Sache nach und weil er doch auf dem Ulenhofe zu tun hatte, besprach

er sich mit seinem Schwiegervater.
»Tja,« sagte Ulenvater und spuckte in das Feuer, »tja, das ist eine
dummerhaftige Sache. Du kannst den Schaden ja wohl bören, aber ein
Pferd ist doch kein Hühnerei und reichlich gut zum Verschenken.
Weißt du was? Ich habe sowieso in Celle zu tun, und da wollten die
Völker ja hin, wie du sagst. Ich will mal sehen, was sich machen läßt.
Ich komme mit den Herren vom Hofe ganz gut aus, seitdem sich unser
Herzog damals hier auf der Jagd über das wilde Schweinelied halb
ungesund gelacht hat. Vielleicht ist es gut, daß du mitfährst. Heute
kann ich nicht, aber morgen.«
Sie fuhren dann auch am andern Morgen los. Es war wieder ein schöner
Tag; die Lerchen sangen über der Haide und im Bruche flötete der
Kolüt. Die beiden Bauern aber sahen brummig vor sich hin und als sie
vor sich drei Reiter zu Gesicht bekamen, faßte Harm die Zügel fester
und Ulenvater legte die Pistole, die er mitgenommen hatte, neben sich
in das Wagenstroh. Die Reiter aber ritten vorbei, indem sie ihnen nur
eben dankten, als sie ihnen die Tageszeit boten.
Es waren drei Kerle mit Gesichtern, wie sie der Teufel nicht besser
haben kann; der eine konnte seine Augen gar nicht von dem Gespanne
wegkriegen, und als Harm sich umdrehte, sah er, daß sie haltgemacht
hatten und miteinander redeten. Aber dann setzten sie sich in Trab und
ritten quer in die Haide hinein.
Noch allerlei Volk begegnete ihnen; zuerst zwei Landstreicher, dann
drei, dann Tatern, die mit ihrem Planwagen dahergezogen kamen, und
in dem es von nackigten Kindern wimmelte. Eins davon, ein Mädchen,
das wohl schon an die dreizehn Jahre alt war, aber so bloß war wie ein
Fisch, sprang aus dem Wagen und ehe Harm es sich versah, saß es bei
ihm auf dem Sattelpferd und bettelte ihn an und drei, vier andere
machten sich bei Ulenvater im Wagen zu schaffen.
»Das Takelzeug ist noch zäher als wie Hirschläuse,« meinte der
Wulfsbauer, als sie die nackte Gesellschaft abgeschüttelt hatten, und er
setzte hinzu: »Was für Völker jetzt im Lande herumstromen! Eine
Schande ist es, daß da nichts getan wird! Gaudiebe und Vagelbunden

sind beinahe die Herren jetzt. Wenn das so beibleibt, kann es noch gut
werden.«
Indem er sich nach den Zigeunern umsah, wurde er gewahr, daß die
drei Reiter umgedreht hatten und hinter ihnen herkamen. Das schien
ihm verdächtig und deshalb ließ er die Pferde ordentlich laufen; so kam
er früher vor der Stadt an, als die Reiter.
Bei dem Tore sah es bunt aus; eine Menge fremden Kriegsvolkes lag
dort, und als die Bauern den Wächter fragten, was das für eine
Bewandtnis habe, hörten sie, daß das allerlei Gesindel war, daß der
Halberstädter Bistumsverwalter Christian von Braunschweig gegen die
Kaiserlichen angeworben hatte. Die Leute hielten sich ziemlich
anständig, denn sie lagen unter den Kanonen der Stadt und eine
Abteilung herzoglicher Kriegsknechte unter einem Hauptmann paßte
auf, daß sie keinen Unfug anstellten. Aber Harm dachte sich, als er sie
besah: »Die mehrsten sehen aus, als wenn sie mit einem Strick um den
Hals weggelaufen sind.«
In Celle spannten sie in der Wirtschaft zur goldenen Sonne aus, wo sie
gut bekannt waren, und frühstückten mit vier Bauern aus dem Gau
Flottwede. »Wir werden bald allerlei gewahr werden,« meinte der
Wathlinger Burvogt; »die Wienhäuser Nönnekens haben sich schon
dünne gemacht, denn sonst könnten sie wohl bald ihr Nonnenfleisch
losgeworden sein. In Altencelle haben die Halunken von Kriegsleuten
den Bauern mit Gewalt die Würste und Schinken genommen und sie
obendrein mit Schlägen zugedeckt. Der Vollmeier Pieper in Burg liegt
auf den Tod; er wollte es nicht leiden, daß sie sich an seinen Töchtern
vergriffen, und da hat ihm ein Kerl mit dem Säbel über den Kopf
geschlagen, daß der Brägen herauskam.«
Er sah sich um und flüsterte dann: »Der
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