Der Wehrwolf | Page 6

Hermann Löns
wahr ich ein
getreuer Christenmensch und kein papistischer Hundsfott bin!«
Harm Wulf sah sich um: er stand zwischen dreißig oder mehr
verwogenen Kerlen, denen es auf eine Handvoll Menschenblut weiter
nicht ankam. Betrunken waren sie ja alle, und wenn er erst auf dem
Falben saß und er gab ihnen die Eisen in die Zähne! Aber der Gaul war
schließlich nicht wert, daß er sich dafür in Not und Gefahr begab, und
das Tier hatte eine dumme Gewohnheit: es stand auf den Pfiff! Sollte es
also einem von den Kerlen in den Kopf kommen, zu flötjen, dann war
er der Dumme und seine Frau konnte auf ihn lauern, bis sie alt und grau
war, denn drei, viere von den Koppelknechten machten schon ihre
Messer locker, und das Frauensmensch da mit dem schwarzen Haare,
von dem die Butter nur so herunterlief, stieß den Kerl, der neben ihr
stand, den scheeläugigen mit den Blatternarben, in einem fort in die
Rippen und machte Augen wie ein Wolf, der Luder wittert.
Harm Wulf lachte mit eins auf. »Kinder und Leute,« juchte er, »das ist
ja hier ein Leben, noch doller als beim Martensmarkt auf der Burg! Da
wird so ein Haidbauer, als wie ich bin, der man alle halbe Jahre einen
fremden Menschen zu sehen kriegt, ganz dösig von im Koppe. Ist ja
auch wahr! Ich habe ja meinen Falben in der Burg! Ja, ja, man soll vor
dem Mittagbrot den Schnaps aus dem Balge lassen. Na, denn nichts für
ungut! Irren ist menschlich, sagte der Hahn, da gab er sich mit der Ente

ab. Und nun wollen wir einen nehmen, daß die Haide wackelt!«
»Kiek sieh,« schrie er lauthals, »da ist ja auch mein alter Freund,« und
damit nahm er den Mann mit dem schwarzen Schnauzbart, der die rote
Feder auf dem Hute stecken hatte, unter den Arm und schrie über den
Hof: »Howingvater, Trine, Deern, hille, hille! Bier her!«
Als die Reiter ihm lachend folgten, warf er einen Reichstaler auf das
Fensterbört und sang: »Ich hab' noch einen Taler, der soll versoffen
sein,« stieß mit jedwedem an und machte seine Witze, aber dabei
wahrte er sich den Rücken, behielt seine Lippen trocken und goß das
Bier und den Schnaps über seine Schulter gegen die Wand.
Die hübsche Trina wußte nicht, wo sie so schnell Bier herkriegen sollte,
so lustig ging es zu. Aber als sie zum achten Male wiederkam, war der
Wulfsbauer nicht mehr da. Er hatte einen Witz von Ulenvaters
quantester Sorte zum besten gegeben, und als die betrunkene Bande vor
Lachen nicht wußte, wo sie bleiben sollte, und einer dem anderen, der
sich auf die Landessprache nicht verstand, verklarte, was der Bauer
gesagt hatte, und sich auf die Reithosen schlug und wie ein Ochse
brüllte, da gab Wulf der Wirtin etwas in das Ohr, und auf einmal schrie
die: »Das Essen ist da! Zum Essen!« Da standen alle auf und Wulf
drückte sich hinter die Bäume.
Er kam glücklich davon. Einen Koppelknecht, der ihm in die Möte kam,
stieß er mit der Faust unter das Herz, daß der Mensch ohne ein Wort in
die Jauche schlug. Der Rotbart fragte ihn: »Brudder, libber Brudder,
trinken wirr noch eins?« aber er gab ihm einen Buff, daß der Kerl mit
dem Kopf in die Hecke schoß, und als das Taternmädchen Hallo
schreien wollte, machte er ein paar Augen und hielt ihr das Messer vor
das Gesicht, daß sie erst so weiß wie ein Bettuch wurde, ihn dann
anlachte und sagte: »Ei a su a starkes Mahn, hiebsches Mahn!« Er aber
trat sie von sich weg und sprang in den Busch, und als er erst dort war,
da verholte er sich, biß die Zähne durcheinander, machte eine Faust und
fluchte: »Ich sollte man bloß, ich sollte man, wenn ich noch ein lediger
Kerl wäre! dann solltet ihr mir den Falben bezahlen, was er wert ist, ihr
Schweinepack!«

Aber als er dann in der Haide war, beruhigte er sich, und als er meist
beim Hofe war und seine Frau ihm entgegenkam, ganz weiß im Gesicht
und ordentlich blau unter den Augen, denn noch keinmal war er so
lange ausgeblieben, da konnte er schon wieder mit dem Munde lachen
und ihr das, was ihm zugestoßen war, so erzählen, als wenn das bloß
ein dummer Spaß gewesen wäre.
Doch als er hinterher in der Butze lag und überdachte, wie es ihm
gegangen war, machte er die Finger an beiden Händen krumm. Wenn
er nicht an seine Frau gedacht hätte, die da neben ihm lag und so ruhig
schlief, als wenn es auf der Welt nichts und weiter nichts als lauter
Engel gab, dann hätte er am liebsten geflucht wie sein Schwiegervater,
wenn der ganz falsch war, loslegte: »Das tote Pferd soll dich
schlagen!« hätte er geflucht.
Aber so lag er da, ohne sich zu rühren, obzwar ihm stickend heiß war.
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