Der Wehrwolf | Page 5

Hermann Löns
das anzusehen. Die Töchter des Wirts und die Mägde
waren übel dran; sogar die Wirtsfrau, die doch gewiß kein Ansehen
mehr hatte, konnte sich vor den Lümmeln nicht bergen.
Als der Wulfsbauer um das Haus nach dem Stalle gehen wollte, kam
ihm ein Kerl entgegen, der eine rote Feder auf dem Hute und einen
gefährlichen pechschwarzen Schnauzbart unter seiner langen Nase
hatte. Als er den Bauern sah, juchte er laut auf, nahm ihn in den Arm,
küßte ihn auf beide Backen, daß Harm der Schnapsgeruch um die
Ohren schlug, faßte ihn an die Schultern, hielt ihn von sich ab, lachte
über sein ganzes gelbes Gesicht, nahm ihn wieder in den Arm und
brüllte: »Brudderhärz mainiges! Wie lange habben wirr uns nicht
gesähenn? Aberr die Freide, die Freide! Auf das wollen wirr aberr
einen trrinkenn!« Er zog den Bauern, der gar nicht wußte, was er davon
halten sollte, unter das Fenster und schrie: »Frau Wirrtinn, zwei Birr
fürr mainen Freind und mich, wo ich so lange nicht gesähenn habbe.«
Die Großmagd brachte das Bier, aber als der fremde Kerl sie in den
Arm kniff, machte sie Wulf mit den Augen Zeichen, denn sie war eine
Häuslingstochter aus Ödringen, und als der Reiter das Bier hinnehmen
wollte, juchte sie auf und ließ beide Krüge fallen. Der fremde Mensch
schimpfte Mord und Brand, aber da rief der Hauptmann und er mußte
fort. Als Harm schnell machte, daß er weiter kam, winkte ihn Trine
Reineke auf die Diele: »Wulfsbauer,« sagte sie, »um Christi Blut und
Wunden, daß du bloß den Ludervölkern nicht Bescheid tust! Wer
Bescheid tut, der ist angeworben. Kiek, da ist Krischan Bolle, den
haben sie schon eingeseift, den Döllmer! Mit jedwedem hat er auf

Bruderschaft angestoßen und nun hat er den bunten Lappen um den
Arm und kann sich morgen für Gott und den Deubel totschießen
lassen.«
Ängstlich sah ihn das hübsche Mädchen, das auf dem Wulfshofe als
Lütjemagd angefangen hatte, in die Augen: »Sieh man bloß zu, daß du
weiter kommst! Je eher daß du fortkommst, je besser ist das für dich.
Das sind ja keine Menschen nicht, das ist das reine Vieh. O Gotte!« Sie
schlug die Schürze vor das Gesicht und weinte los.
»Na, Deern,« beruhigte Harm sie, indem er ihr auf die Schulter schlug,
»das ist alles man ein Übergang. Aber recht hast du, wer hier nichts
verloren hat, soll sich nicht weiter aufhalten.« Er bezahlte die beiden
Krüge Bier, gab dem Mädchen ein Bringgeld und ging nach den Ställen.
Da war es noch toller als vor dem Hause. Sieben Roßknechte, einer
noch schlimmer aussehend als der andre, hielten einen alten
Trödeljuden zum besten, spuckten ihm in die Hände, warfen ihm seine
Waren durcheinander und wollten ihn zwingen, Schweinewurst zu
essen. Drei andere stachen eine Sau ab, einer machte sich mit einem
Taternmädchen das knapp zwölf Jahre alt sein konnte, zu schaffen, ein
anderer lag besoffen auf dem Mist und noch einer hatte einen Hahn in
den Händen und drehte ihm den Hals ab.
»Gottes Wunder,« dachte der Bauer, »was ist das für eine Zucht und
Wirtschaft!« Er drückte sich an den betrunkenen Völkern vorbei und
ging in den Pferdestall. Sein Falber war da, hatte aber ein
herrschaftliches Geschirr um und zwei Mantelsäcke aufgeschnallt. Er
schirrte ihn ab, machte sich ein Halfter aus einem Ende Strick und
führte das Pferd aus dem Stalle. Schon war er meist vom Hofe, da kam
ihm ein Reiter, der einen roten Bart hatte, der ihm bis über den Kragen
hing, entgegen und schnauzte ihn an, wo er mit dem Pferd hinwolle.
»Das ist doch von jeher mein Falber gewesen!« gab ihm der Bauer
zurück. »Ferdl, Tonio, Pitter, Wladslaw, daher, daher!« schrie der
rotbärtige Mensch; »wem ist das Pferd hier, diesem Mann da oder
Korporal Tillmann Anspach? Häh? Ruft ihn mal her! Wollen doch mal
sehen, wessen Wort mehr gilt, das von einem ehrlichen Kriegsmann,
der für die reine Lehre fechten tut, oder von so 'nem Bauern, der zu

Fuße kommt und zu Pferde weiter will!«
Harm bekam einen roten Kopf und faßte nach der Hosennaht, wo er das
Messer stecken hatte, aber er besann sich, denn er war einer gegen
anderthalb Dutzend, und nun kam auch der Korporal an, ein Mensch,
so dürr wie ein Bohnenstiefel und mit einer Narbe vom Auge bis zum
Kinn, und hinter ihm noch ein Dutzend Reiter, die alle Gesichter hatten
wie dem Gottseibeiuns seine Vetternschaft.
Als der Korporal hörte, wovon die Rede war, schüttelte er den Kopf,
hob zwei Finger hoch und schwur: »So wahr ich hier auf zwei Beinen
stehe,« und dabei hob er den einen Fuß auf, »verdammigt will ich sein,
wenn das nicht der Falbe ist, den ich zu Martini von Schlome Schmul
zu Kölle am Rhing für dreißig schwere Taler und einen guten Weinkauf
erstanden habe. Darauf will ich leben und sterben, so
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