Der Wehrwolf | Page 3

Hermann Löns

Das tat es denn auch. Es gingen im Jahre 1623 allerlei Gerüchte von
einem Kriege um, den der Kaiser mit den Böhmen wegen der neuen
Lehre führte und der immer weiter fraß. Zudem hatte es sehr viele
wunderliche Zeichen gegeben. Es waren Rosen gewachsen, aus denen
wieder Rosen kamen, das Brot hatte geblutet, auf den Koppelwegen
lagen Sternschnuppen, drei Tage hintereinander im Juli kamen
Unmassen von Schillebolden über die Haide geflogen und hinterher
ebensoviele Buttervögel; es gab mehr Mißgeburten beim Vieh, denn je
zuvor, die Mäuse heckten unmäßig, Pest- und Sterbevögel ließen sich

sehen, am Himmel zeigten sich feurige Männer und ein Stern, der wie
ein Schwert aussah, fiel herunter.
Daraus sagten manche Leute Krieg, Hunger, Brand und Pest an. Es
dauerte auch nicht lange, daß ein großes Sterben anging, vorzüglich in
den Städten, wo die Menschen eng aufeinandersaßen und allerlei
fremdes Volk zusammenkam. Um den Herrgott wieder um gut Wetter
zu bitten, zogen ganze Haufen von halbnackten Männern und Weibern
mit Ketten um den Hälsen hinter einem Kreuze her, heulten und schrien
wie unklug, schlugen sich mit Stricken die Rücken, daß das Blut nur so
spritzte, und sangen zum Gotterbarmen.
Als Harm Wulf, der Anerbe vom Wulfshofe, Torf nach der Stadt fuhr,
war er einem solchen Zuge begegnet und sehr falsch geworden, denn er
hatte junge Pferde vor dem Wagen, und die wollten mit Gewalt vom
Wege, als die verrückten Völker angebrüllt kamen.
Hinterher mußte er aber darüber lachen; es hatte zu albern ausgesehen,
wie sie alle auf einmal die Arme in die Luft schmissen und lossangen:
»Hui halt' auf eure Hände, daß Gott dies Sterben wende, hui streckt aus
eure Arme, daß Gott sich eur' erbarme!«
»Was für ein dummerhaftiges Lied!« dachte er und pfiff das
Brummelbeerlied.

Die Mansfelder
Als er am anderen Morgen durch die Haide ging, lachte er auch vor
sich hin, aber nicht mehr über die Geißler, denn die hatte er längst
vergessen.
Er dachte daran, was sein Vater ihm gesagt hatte, daß es nämlich an der
Zeit wäre, daß er freien müsse und den Hof übernehmen solle. Und er
dachte an Rose Ul.
Denn das sollte seine Frau werden, das glatteste Mädchen weit und
breit, und Ulenvaters einziges Kind, mit der er immer am liebsten beim

Erntebiere getanzt hatte. Darum lachte er vor sich hin.
Er drehte eine Maiblume, die er an der alten Wallburg im Holze
abgerissen hatte, zwischen den Zähnen und sah über die Haide, die
ganz grün von dem jungen Birkenlaube war und ganz blank von der
Sonne.
Vom Bruche her kam zwischen den hohen Machangelbüschen ein
Mann angegangen. Er blieb stehen, zeigte mit dem Finger auf die
Blume, die Harm im Munde hielt, griente und sagte: »Friggeblumen,
wer die bricht, Junggeselle bleibt er länger nicht.«
Harm lachte und gab ihm die Hand. Immer mußte er sich wundern,
wenn er Ulenvater sah; denn der war so ganz anders, als alle Leute, die
er kannte. Jedes Wort, das er sprach, hatte einen doppelten Sinn; er
hatte den ganzen Kopf voller Dummheiten, aber auch voller Klugheit,
und man sagte von ihm, daß er mehr könne als Brot essen.
Aber das war man ein Altweiberschnack; er war drei Jahre auf die hohe
Schule in Helmstedt gegangen und hatte da fleißig gelernt, sowohl
geistliche Sachen, wie denn auch, was gegen Krankheiten bei Mensch
und Vieh gut war; dann aber war der Hoferbe abgestorben und weil
weiter kein Sohn da war, mußte er den Hof annehmen; und nun hieß er
zum Spaß der Papenbur.
Er wurde jedoch ein Bauer, wie nur einer, bloß daß er in vielem seinen
eigenen Weg ging: so konnte er niemals nach der Kirche hinfinden,
denn er sagte: »Wer da weiß, wie man Würste macht, der ißt schon
keine.« Dann hatte er die Gabe, alles, was er sagte, in Reime zu bringen,
wenn er gerade wollte; es wurde keine Hochzeit abgehalten, bei der
Ulenvater nicht seinen Vers sagte, und jedesmal einen anderen. Er hatte
Augen, die hatten gar keine Farbe; wie Wasser sahen sie aus. Die
wenigsten Menschen hielten ihnen stand, und wenn er einen Hund
ansah, und war der auch noch so böse, er machte, daß er fortkam.
Nun stand er da, als wenn er nicht bis drei zählen konnte, griente und
sagte, indem er auf das Schießgewehr wies, das Harm auf den Rücken
hatte: »All wieder nach dem Saufang?« Und dann lachte er lauthals,

denn der Saufang war dicht beim Ulenhofe, und wenn Harm am
Saufang war, dann dauerte es nicht lange und Rose hatte vor dem Hofe
zu tun.
Das war auch jetzt so. Als Wulf dort angekommen war und gesehen
hatte, daß der Fang noch aufstand, steckte er drei Finger in den Mund
und pfiff wie der Schwarzspecht. Es dauerte eine Weile, da hörte er
hinter sich ein Geräusch; als er sich umdrehte, sah er bei einer Eiche
etwas Feuerrotes,
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