Der Traum ein Leben | Page 4

Franz Grillparzer
Adern füllt. Herr, ich war mal auch so wählig, Als ich,
freilich jung genug, Meine ersten Waffen trug. Ging im Kopf mir hin
und her, War das Herz mir zentnerschwer; Als es hieß: dem Feind
entgegen! Schlug's da drin mit harten Schlägen, Und die Nacht Vor der
Schlacht Ward gar bange zugebracht. Doch beim ersten Sonnenstrahl
Ward mir's klar mit einem Mal. Ha! da standen beide Heere, Zahllos,
wie der Sand am Meere, Still und stumm Weit hinum, Düster, wie das
Nebelgrauen, Das noch lag auf Feld und Auen. Durch den Duftqualm
sah man's blitzen Von dem Strahl der Eisenspitzen, Und als jetzt der
Nebel wich, Zeigte Roß und Reiter sich, Da fühlt' ich mein Herz sich
wandeln, Jeder Zweifel war besiegt, Klar ward's, daß im Tun und
Handeln, Nicht im Grübeln 's Leben liegt. Und als nun erschallt das
Zeichen, Beide Heere sich erreichen, Brust an Brust, Götterlust!
Herüber, hinüber, Jetzt Feinde, jetzt Brüder Streckt der Mordstahl

nieder. Empfangen und geben, Der Tod und das Leben Im wechselnden
Tausch, Wild taumelnd im Rausch. Die Lüfte erschüttert, Die Erde
zittert Von Pferdegestampf, Laut toset der Kampf. Die Gegner, sie
wanken, Die Gegner, sie weichen, Wir, mutig und jach Den Fliehenden
nach, Über Freundes und Feindes Leichen. Jetzt auf weitem Feld Der
Würger hält, Überschaut die gefallenen Ähren, Doch kann er der
Freude nicht wehren. Sieg, rufet es, Sieg! Herr, das heißt leben! Es lebe
der Krieg!
Rustan. Oh, halt ein! Du tötest mich!
Zanga. Wenn so ein Gefangener, Ein Verkaufter spricht, ein Sklave,
Was muß erst--doch still! Genug!
(Er zieht sich zurück.) (Mirza kommt aus der Hütte.)
Mirza. Rustan!
Rustan. Ha, man kömmt!
Mirza. Du bist es! Konntest du so lange weilen? Oh, wir zitterten um
dich.
Rustan. Ist es denn so ungewöhnlich?
Mirza. Ungewöhnlich? Das wohl nicht, Aber schmerzlich drum nicht
minder. Sag ich mir gleich jeden Morgen: Spät erst wird er
wiederkehren, Hoff ich dich doch immer früh; Und der Wunsch und die
Erwartung Sind gar reich an Möglichkeiten. Weil du ruhig bist und
sorglos, Glaubst du denn, wir wären's auch? Immer fließen meine
Tränen, Was auch die Erfahrung spricht; Für den Mut gibt's ein
Gewöhnen, Aber für die Sorge nicht. Warum wendest du dich ab?
Rustan. Horch! Mich dünkt, dein Vater ruft.
Mirza. Ich soll gehn? Oh, komm du mit! Du bist heiß, die Nachtluft
kühl, Und der müde Fuß will Ruhe.
Rustan. Laß nur! Hier--
Mirza. Nicht doch! Du sollst! In der Hütte ruht sich's besser Und das
Abendessen wartet. Komm! Der Vater zürnt nicht mehr, Alles ist
vergessen.--Komm!
(Mit Rustan in die Hütte ab.)
Zanga. Deut mir eins der Liebe Werke, Ob Verlust sie, ob Gewinn?
Gibt dem Weibe Männerstärke Und dem Manne--Weibersinn! Sei's!
Man muß nicht gleich verzweifeln!
(Er folgt ihnen.)
(Das Innere der Hütte. Im Mittelgrunde ein Tisch mit den Resten einer

Abendmahlzeit und Licht, an dessen einem Ende Massud nachdenklich
sitzt. Rechts im Hintergrunde ein Ruhebett. Mirza führt Rustan herein;
bald nach ihnen Zanga.)
Mirza. Hier ist Rustan, lieber Vater, Seht, er hatte sich verirrt. Wo?--Ei
gleichviel! Er ist hier. Ja, die Wege dort im Walde Sind verworren und
verschlungen; Bricht der Abend noch herein, Braucht es Glück, den
Pfad zu finden. Nun, er fand ihn, Dank dem Himmel! Künftig eilt er
wohl ein wenig, Sieht er sich die Sonne neigen. Setze dich!
(Da Rustan neben dem Alten niedersetzen will, sich zwischen beide
drängend.)
Nicht hier! Nein dorthin! Ich muß bei dem Vater sitzen. Seht doch! 's
ist mein Ehrenplatz.
(Rustan setzt sich an das andere Ende des Tisches.)
Massud (sanft, doch ernst). Rustan!
Mirza (rasch einfallend). Vater, könnt Ihr's glauben? Racha, unsre
Magd will wissen--
Massud. Liebe Tochter!
Mirza. Wollt Ihr Wein?
Massud. Gönne mir ein Wort mit ihm! Nur ein Tor verhehlt den Brand;
Wir, mein Kind, wir wollen löschen.
Mirza. Ihr verspracht mir--
Massud. Fürchte nichts! Doch es muß einmal zur Sprache. Sohn, seit
lange schon bemerk ich, Daß du unsern Anblick meidest. Die
Bewohner dieses Hauses Und ihr stilles Tun und Treiben Scheint dir
nicht mehr zu gefallen. Auf den Bergen ist dein Lager, In den Wäldern
deine Wohnung, Und das Heulen wilder Tiere, Sturmbewegter Bäume
Dröhnen Scheint dir lieblicher zu tönen, Als der Nahverwandten Wort.
Rauh und düster ist dein Wesen, Zank und Hader dein Geschäft. Heute
nur, ich hab's vernommen, Daß du mit Osmin im Walde Streit erregt.
Zanga (der sich um den Tisch beschäftigt hat, einfallend). Erregt? Mit
Gunst, Das kann ich Euch besser sagen.
Massud. Du?
Zanga. Ich hab's mit angesehn.
Massud. Hüte dich!
Zanga. Ei, wahr ist wahr! Und erlaubt Ihr, so erzähl ich's.
Mirza. Hört ihn Vater, mir zulieb!
Zanga. Mittag war es, und die Jäger, Von der Arbeit Last zu ruhn,

Kamen alle, wie sie pflegen, Auf dem Wiesengrund zusammen, Um am
Rand der klaren Quelle Mit des Weidsacks kargem Vorrat Und
Gespräch sich
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