Der Traum ein Leben | Page 3

Franz Grillparzer
rauh zu ihm gesprochen, Wie ein Pfeil
aus schwachen Händen, Prallt von seinem starren Busen Und dringt in
dein weiches Herz. Komm nur, komm! Ich will nicht schelten.
(Beide in die Hütte ab.) (Pause. Dann schleicht Zanga, nach allen
Seiten umherspähend, herein.)
Zanga. Kommt nur, Herr! die Luft ist rein!
(Rustan tritt auf mit Bogen und Köcher.)
Zanga. Munter, Herr! was soll das heißen? Warum düster und
beklommen? Was ist Arges denn geschehn? Daß Ihr einem platten
Jungen, Der recht unverständig prahlte, Euch zu höhnen sich erfrechte,
Etwas unsanft mitgespielt, Das ist alles. Und was weiter? Euer Oheim
wird wohl schelten; Sei es drum! Gönnt ihm die Lust.
Rustan. Glaubst du, daß ich seine Worte, Seines Tadels Ausbruch
scheue? Nimmer brauch ich zu erröten, Was ich tat, kann ich vertreten;
Könnt' ich's nicht, ich wär' nicht hier. Nicht der Schmerz, den mir sein
Zürnen, Der, den es ihm selber kostet, Macht mich seinen Anblick
fliehn. Könnt' er all doch seine Sorge, Seine Angst um mich, mit einem,
Einem Feuergusse strömen Auf dies unverwahrte Herz, Und dann kalt

und ruhig bleiben Bei des Wilden Tun und Treiben, Hier! er kühle
seinen Schmerz. Aber, daß ich sehen muß, Wie der Nahverwandten
Wünsche, Gleich entzügelt wilden Pferden, Nord- und südenwärts
gespannt, An dem Leichnam unsers Friedens, Raschgespornt,
zerfleischend reißen; Daß ich sehe, wie wir beide, Bürgern gleich aus
fremden Zonen, Bang uns gegenüberstehn, Sprechen und uns nicht
begreifen, Einer mit dem andern zürnend, Ob gleich Lieb' in beider
Herzen, Weil, was Brot in einer Sprache, Gift heißt in des andern
Zunge, Und der Gruß der frommen Lippe Fluch scheint in dem
fremden Ohr: Das ruft diesen Schmerz empor.
Zanga. Nun, so lernt denn seine Sprache, Er wird Eure nimmer lernen!
Und wer weiß? An Lektionen Läßt's der alte Herr nicht fehlen. Bleibt
im Land und nährt Euch redlich! Auch die Ruhe hat ihr Schönes.
Rustan. Spotte nicht! Denk an Osmin! Gleicher Lohn harrt gleicher
Frechheit. Ha, bei Gott! Es soll kein Prahler Trotzig vor mich hin sich
stellen Und mich mit den Augen messen, Den verschämten, keuschen
Degen Wiegend auf den glatten Schenkeln. Er soll's nicht, wenn nicht
sein Kopf Härter ist als Osmins Schädel, Tücht'ger ist als diese Faust.
Bin ich nichts, ich kann noch werden, Rasch und hoch ist
Heldenbrauch; Was ein andrer kann auf Erden, Ei, bei Gott! das kann
ich auch.
Zanga. Herr, Ihr sprecht nach meinem Herzen.
Rustan. Wie so schal dünkt mich dies Leben, Wie so schal und
jämmerlich! Stets das Heute nur des Gestern Und des Morgen flaches
Bild. Freude, die mich nicht erfreuet, Leiden, das mich nicht betrübt,
Und der Tag, der stets erneuet, Nichts doch als sich selber gibt. Oh, wie
anders dacht' ich's mir In entschwundnen, schönern Tagen!
Zanga. 's ist auch anders, muß ich sagen. Nur Geduld! es wird schon
kommen. Zeit tut alles, Zeit und Mut. Jener Fürst von Samarkand, Den
Osmin als Herrn genannt, War, wie Ihr, des Dorfes Sohn, Jetzt von
Macht und Glanz umgüldet; Ihr seid aus demselben Ton, Aus dem
Glück die Männer bildet Für den Purpur, für den Thron.
Rustan. Oh, es mag wohl herrlich sein, So zu stehen in der Welt Voll
erhellter, lichter Hügel, Voll umgrünter Lorbeerhaine, Schaurig schön,
aus deren Zweigen, Wie Gesang von Wundervögeln, Alte Heldenlieder
tönen, Und vor sich die weite Ebne, Lichtbestrahlt und reich
geschmückt, Die zu winken scheint, zu rufen: Starker, nimm dich an

der Schwachen! Kühner, wage! Wagen siegt! Was du nimmst, ist dir
gegeben! Sich hinabzustürzen dann In das rege, wirre Leben, An die
volle Brust es drücken, An sich und doch unter sich: Wie ein Gott, an
leisen Fäden Trotzende Gewalten lenken, Rings zu sammeln alle
Quellen, Die, vergessen, einsam murmeln, Und in stolzer Einigung,
Bald beglückend, bald zerstörend, Brausend durch die Fluren wälzen.
Neidenswertes Glück der Größe! Welle kommt und Welle geht, Doch
der Strom allein besteht.
Zanga. Recht! Der Strom allein besteht.
Rustan. Schon mein Vater war ein Krieger, Meines Vaters Vater auch,
Und so fort durch alle Grade. Ihr Blut pocht in diesen Adern, Ihre Kraft
stählt diese Faust, Und ich soll hier müßig träumen, Schauen, wie sich
jedermann Lorbeern pflückt vom Feld der Ehre, Früchte bricht vom
Lebensbaum, Und mich selbst zur Ruh' verdammen?
Zanga. Ihr sollt nicht! beim Himmel, nicht! Wenn Ihr wollt, ei, Herr, so
handelt! Ja, wenn die da drin nicht wären! Dieser Oheim, diese Muhme
Hängen Euch wie schwere Fesseln--
Rustan. Laß uns von was anderm sprechen! Von was anderm, Zanga.
Zanga. Seht Ihr? Da kommt Euer weiches Herz, Und der Vorsatz ist
zum Henker. Oh, daß ich Euch draußen hätte, Draußen aus dem
dumpfen Tale, Auf den Höhen, auf den Gipfeln, In der unermeßnen
Welt! Herr, Ihr solltet anders sprechen! Seht nur erst ein Schlachtgefild',
Hört nur erst Trompeten klingen, Und es soll Euch Kraft durchdringen,
Wie sie diese
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