Der Todesgruß der Legionen, 3. Band | Page 6

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
Stande ist. Indessen wird die gesammte
politische Leitung der Regierung Sie in der nächsten Zeit, in welcher
alles jetzt Geschaffene befestigt werden muß, so sehr in Anspruch
nehmen, daß ich nicht die Detailarbeiten Ihnen auch noch aufbürden
möchte. Es kommt darauf an," fuhr er fort, "einen Minister der
auswärtigen Angelegenheiten zu finden, welcher die für den
internationalen Verkehr erforderliche Geschmeidigkeit mit dem festen
Willen und der Kraft vereint, die Würde und die Interessen Frankreichs
nach außen hin energisch zu vertreten, und welcher zugleich mit den
Grundsätzen, nach welchen Sie zu meiner großen Freude meine
Regierung führen, völlig übereinstimmt. Ich habe geglaubt, daß Drouyn
de L'huys, welcher bereits mehrere Male die auswärtige Politik
Frankreichs geführt hat, im wesentlichen die erforderlichen
Eigenschaften besitzt, es würde nur darauf ankommen, ob Sie glauben,
mit demselben in inniger und aufrichtiger Uebereinstimmung
zusammen arbeiten zu können."
Herr Ollivier schien noch immer unter dem Eindruck einer gewissen
Verstimmung sich zu befinden.
"Ich achte Herrn Drouyn de L'huys hoch," sagte er mit einiger
Zurückhaltung, "er ist ein Mann von großer und ausgedehnter

Erfahrung, von tiefen Kenntnissen und großer Charakterfestigkeit.
Freilich," fuhr er fort, "sagt man, daß diese Charakterfestigkeit
zuweilen ein wenig die Grenzen des Eigensinns streifen soll,--"
"Man hat nicht ganz Unrecht," fiel Napoleon, leicht das Haupt neigend,
ein. "Indeß glaube ich, daß es Ihnen bei Ihrer Gewandtheit, Andere zu
überzeugen, nicht schwer werden würde"--
Die Flügel der Thür des kaiserlichen Cabinets wurden geöffnet. Der
Huissier meldete die Kaiserin.
Unmittelbar darauf trat Ihre Majestät schnell ein, ihre Hand leicht auf
den Arm des kaiserlichen Prinzen gelegt. Das schöne Gesicht der
Kaiserin leuchtete vor freudiger, innerer Erregung, ihre Augen strahlten,
ein triumphirendes Lächeln lag auf ihren Lippen, hoch und stolz trug
sie das Haupt auf dem wunderbar schönen, schlanken Halse.
Der kaiserliche Prinz war damals vierzehn Jahre alt, seine Gestalt war
schlank und schmächtig, seine Haltung elegant und sicher, sein
bleiches Gesicht mit dem dichten, dunkel glänzenden Haar, schien älter
als seine Jahre, frühzeitige körperliche Leiden hatten ihm einen
gewissen Ausdruck von fast melancholischer Weichheit gegeben. Seine
Stirn zeigte eine auffallende Ähnlichkeit mit derjenigen des Kaisers,
während der untere Theil des Gesichts, die Nase und der Mund lebhaft
an seine Mutter erinnerten. Seine dunklen, sinnigen Augen blickten
aufmerksam forschend, es lag in denselben neben einer gewissen,
kindlichen, wohlwollenden Offenheit, doch auch ein gewisses
prüfendes Mißtrauen.
Der Prinz trug einen einfachen schwarzen Civilanzug und küßte,
nachdem die Kaiserin den Kaiser begrüßt, mit liebevoller Ehrerbietung
die Hand seines Vaters.
"Ich komme mit unserm Louis," rief die Kaiserin, "um die Erste zu sein,
welche Ihnen zu dem so glänzenden Ausfall des Plebiscits von ganzem
Herzen Glück wünscht, und zugleich," sagte sie, mit anmuthiger
Bewegung sich zu Ollivier wendend, "dem geistvollen und treuen
Rathgeber, dessen eifriger Thätigkeit wir vor allen Dingen dieses

glückliche Resultat zu verdanken haben, auch meinen herzlichsten und
aufrichtigsten Dank zu sagen."
Sie reichte Ollivier ihre Hand, auf welche dieser seine Lippen drückte.
"Es scheint," sagte der Kaiser, "als ob gerade in diesem Augenblick, in
welchem das Glück uns lächelt, die finsteren Dämonen der Revolution
von Neuem ihr Haupt erheben, hoffentlich zum letzten Mal. Ich habe,"
fuhr er fort, "soeben, obgleich mir das gerade in diesem Augenblick
mehr als je widerstrebt, die Befehle zur energischen Verfolgung der
Schuldigen gegeben und zugleich zum Schutz des Staats und der
Dynastie die Voltigeurs der Garde in den Pavillon des Prinzen gelegt.
Und Du, mein lieber Louis," sagte er, leicht mit der Hand über das Haar
seines Sohnes streichend, "wirst in den nächsten Tagen Dir gefallen
lassen müssen, die Tuilerien nicht zu verlassen, so lange wenigstens,
bis das Complott in allen seinen Verzweigungen entdeckt und
unschädlich gemacht sein wird."
"Oh, Papa," rief der junge Prinz mit blitzenden Augen, "ich fürchte
mich nicht, mögen sie nur kommen, ich werde mich zu vertheidigen
wissen, und" fügte er hinzu, den glänzenden Blick aufwärts gerichtet,
"Gott wird nicht erlauben, daß die ruchlosen Pläne dieser Verschwörer
gelingen."
"Ich bin überzeugt, daß Du Dich nicht fürchtest, mein Sohn," sagte der
Kaiser, indem er seinen Blick voll stolzer Freude auf dem Prinzen
ruhen ließ--"Du würdest sonst nicht im Stande sein, Frankreich zu
beherrschen, aber Dein Leben gehört der Zukunft Deines Landes, Du
darfst es wohl in der Schlacht für die Ehre und den Ruhm Frankreichs
einsetzen, aber es soll nicht die Beute heimtückischer Meuchelmörder
werden. Wo ist der General Frossard?" fragte er.
"Der General hat den Prinzen hierher begleitet," erwiderte die Kaiserin,
"er befindet sich im Vorzimmer."
Napoleon öffnete selbst die Thür seines Cabinets und rief den General.
Dieser, ein Mann von etwa fünfzig Jahren mit einem länglichen, ernst
und streng blickenden Gesicht trat ein und erwartete schweigend die

Befehle des Kaisers.
"Mein lieber General," sagte Napoleon, "ich bitte Sie, dafür Sorge zu
tragen, daß der Prinz bis auf weitere Befehle sein Zimmer nicht verläßt,
und daß er keine Audienzen ertheilt, welche ich nicht
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