Der Todesgruß der Legionen, 3. Band | Page 4

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
sein," sagte Herr Pietri, "daß diejenigen Personen,
um welche es sich handelt,--und zu denen in erster Linie der eitle
Schwätzer Raoul Rigault gehört, so vollständig umstellt sind, daß keine
ihrer Bewegungen, keines ihrer Worte uns entgeht, und daß ihre
Verhaftung, wenn sie jemals nothwendig werden sollte, jeden
Augenblick stattfinden kann. Es ist aber eine alte Regel der
polizeilichen Praxis," fügte er hinzu, "in großen und besonders
bedeutungsvollen Fällen immer einige der betreffenden Personen in
scheinbarer Freiheit zu lassen, um, wenn es nöthig ist, durch sie das
herstellen zu können, was man mit dem technischen Ausdruck eine
"Mausefalle" nennt. Hat man einmal alle Personen, von denen man
irgend etwas weiß, im Gefängniß eingeschlossen, so ist es kaum
möglich, irgend etwas Weiteres und Neues zu erfahren."
"Ich bitte Sie also," sagte Herr Ollivier, "sich mit dem
Generalprocurator Grandperret über diesen Punkt zu verständigen."
"Der Herr Marschall Kriegsminister," meldete der Kammerdiener.
"Ich bitte den Marschall einzutreten," erwiderte der Kaiser.
Der Marschall Leboeuf trat in das Cabinet, die militairische Haltung
seiner großen vollen Gestalt, der martialische Ausdruck seines starken
Gesichts mit dem großen, dichten Schnurrbart ließen in ihm trotz des
Civilüberrocks, den er trug, den Soldaten erkennen.
"Nun, mein lieber Marschall," rief ihm der Kaiser entgegen. "Sie
bringen das Resultat der Abstimmungen der Armee."
"Zu Befehl, Majestät," erwiderte der Marschall. "Leider aber habe ich
Eurer Majestät mitzutheilen, daß nach den Mittheilungen, welche
nunmehr beinahe abgeschlossen sind dreißigtausend Ihrer Soldaten mit
"Nein" gestimmt haben."
Der Kaiser ließ einen Augenblick das Haupt auf die Brust sinken, ein
trüber, trauriger Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

"So großen Einfluß," sagte er, "haben die Feinde meiner Regierung also
auch in den Reihen meiner Armee gewonnen, daß dreißigtausend
kaiserliche Soldaten es wagen, ein Mißtrauensvotum gegen mich
auszusprechen."
"Ich habe Eure Majestät," sagte Herr Pietri, "bereits seit lange darauf
aufmerksam gemacht, daß es vom polizeilichen Gesichtspunkt aus
nicht zweckmäßig sei, die Soldaten so lange, wie das jetzt geschehen
ist, oft über drei Jahre lang in denselben Garnisonen zu lassen, sie
fraternisiren dadurch zu sehr mit der Bevölkerung, und es sind gerade
die revolutionären Elemente, welche in kluger Berechnung und mit
großem Geschick stets danach streben, in den Reihen der Armee
Propaganda zu machen,--wenn Eure Majestät Ihre Regimenter öfter die
Garnisonen wechseln ließen, so würde so etwas nicht vorkommen."
"Wir wollen darüber nachdenken," sagte der Kaiser, sich zum
Marschall Leboeuf wendend. "Wo sind denn besonders Stimmen mit
Nein abgegeben worden," fragte er, augenscheinlich noch immer sehr
peinlich durch die Mittheilung des Marschalls berührt.
"Vor allen Dingen hier in Paris," erwiderte der Marschall Leboeuf, "bei
dem siebenzehnten Jägerbataillon und dem siebenzehnten
Linienregiment.--In der Kaserne Prinz Eugene," fuhr er fort, "hatte sich,
wie man mir meldete, die Garnison bei der Abstimmung in zwei, fast
ganz gleiche Theile gespalten. Ich bin selbst dorthin gegangen, habe die
Truppen antreten lassen und eine Ansprache an sie gehalten, in welcher
ich ihnen auseinandersetzte, daß gerade in diesem Augenblick, in
welchem die Revolution es versucht habe, die bestehende
Staatsordnung umzustürzen, die feste Treue der Armee gegen den
Kaiser eine hohe patriotische Pflicht sei."
"Und," fragte der Kaiser.
"Ein einstimmiges, laut schallendes Vive l'Empereur war die Antwort,"
erwiderte der Marschall. "Ich glaube," fuhr er fort, "daß bei dem
negativen Votum der einzelnen Soldaten mehr der Reiz maßgebend
gewesen ist, einmal ungestraft und unbeengt durch
Disciplinarvorschriften ein wenig Opposition machen können. Ich

glaube aber nicht, daß diese Opposition gefährlich ist, und daß irgend
ein Theil der Armee es an Energie in der Bekämpfung der Revolution
fehlen lassen würde, wenn es jemals dazu käme."
Der Kaiser dachte einen Augenblick nach.
"Der Faubourg du Temple ist unruhig, wie Sie mir heute gemeldet
haben," sagte er zu Pietri gewendet.
"Zu Befehl, Majestät," erwiderte dieser. "Es finden dort
Zusammenrottungen statt. Bis jetzt ist noch nichts Ernstes geschehen,
als daß einige Laternen umgeworfen wurden, indessen ist zu besorgen,
daß mit dem Eintritt der Dunkelheit dort ernstere Unruhen stattfinden
möchten, und meine Agenten haben mir bereits berichtet, daß
Vorbereitungen zum Barrikadenbau getroffen wurden."
"Commandiren Sie, mein lieber Marschall, das siebenzehnte
Jägerbataillon und das siebente Linienregiment heute Abend nach dem
Faubourg du Temple, um gegen die Ruhestörungen, welche man dort
versuchen möchte, einzuschreiten. Ich will den Truppen zeigen, daß ich
ihr Recht des freien Votums achte, und das mein Vertrauen in die
Erfüllung ihrer Dienstpflicht durch den Gebrauch ihres Stimmrechts
auch gegen mich nicht erschüttert werden kann. Nun aber," fuhr er fort,
indem er sich in einer kräftigeren Bewegung als sonst erhob und den
Blick stolz und frei über die in seinem Cabinet befindlichen Personen
gleiten ließ, "ist es nothwendig, zu der Verfolgung der Verschwörer
durch die Gerichte Maßregeln zu treffen, um den Staat gegen alle
Attentate zu schützen, welche vielleicht dennoch von denen versucht
werden könnten, die sich bisher der Wachsamkeit der Behörden zu
entziehen wußten. Lassen Sie, mein lieber Marschall," sprach er im
festen Ton des Befehls, der
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