Der Todesgruß der Legionen, 2. Band | Page 7

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
Franzosen k?nnen in der That eine Warnung vor den traurigen Folgen eines gro?en Krieges brauchen,--es scheint, da? dort wieder der Chauvinismus erhitzt wird, und da? man die Geister für einen Krieg vorbereitet, für den Fall, da? man der inneren Schwierigkeiten nicht Herr werden sollte."
"Glauben Eure Excellenz wirklich," fragte der Legationsrath, "da? man in Paris ernstlich an einen Krieg denken k?nnte,--gerade jetzt in dem Augenblicke, in welchem die Zügel des pers?nlichen Regiments gelockert sind, in dem Augenblick, in welchem Ollivier, der Mann des Friedens, Minister geworden ist?"
"Die Berichte aus Paris," sagte Graf Bismarck mit leichtem Achselzucken, "sprechen von den friedlichen Dispositionen der Regierung,--ich glaube auch, da? der Kaiser, der arme kranke Mann, sich nach dem Frieden sehnt,--schon um pers?nlich Ruhe zu haben,--aber Alles," fuhr er fort, "was dort geschieht, kann zu irgend einem pl?tzlichen Ausbruch führen, auf den wir heute mehr als je gefa?t sein müssen.
"Sehen Sie," sprach er nach kurzem Nachdenken, w?hrend er die Augen sinnend emporschlug, "dieser unglückliche Pistolenschu?, der Victor Noir t?dtete, diese lauten Anklagen von Flourens, die ungeschickte Verhaftung Rocheforts, ein Bonaparte vor Gericht, des Mordes angeklagt, das Alles bricht über das Kaiserreich herein,--das ist ein furchtbares Verh?ngni?,--und das constitutionelle Regiment kann die immer h?her aufwallenden Wogen nicht beschw?ren. Die Coterie des Krieges, welche durch einen ruhmvollen Feldzug den Glanz des Kaiserreichs wieder herstellen will, gewinnt an Boden,--der Kaiser ist schwach,--wird man ihn nicht eines Tages dahin bringen, das Aeu?erste zu wagen, um den festen Boden wieder zu gewinnen, der ihm t?glich mehr unter den Fü?en verschwindet. Er wird vielleicht den Krieg machen aus Schw?che, denn die Schw?che ist tollkühner als die Kraft.
"Für uns," fuhr der Graf fort, "ist der Krieg um so weniger zu fürchten, je mehr die innere Kraft Frankreichs t?glich zersetzt wird,--aber der arme Kaiser thut mir leid,--es ist doch eine gro? angelegte und im Grunde gute Natur,--und für Europa ist das Kaiserreich eine Wohlthat,--denken Sie, wenn alle diese in den Tiefen g?hrenden Elemente in Frankreich wieder entfesselt würden!
"Man hat mir da," fuhr er fort, indem er ein Blatt Papier von seinem Schreibtisch nahm, "einen Brief Eugen Duponts mitgetheilt, in welchem dieser th?tige Agent der Internationale und Secretair von Carl Marx in London dem Comité in Genf auseinandersetzt, da? die Zeit gekommen sei, in welcher der action sécrète et souterraine die allgemeine revolutionaire Schilderhebung in Europa folgen müsse. Merkwürdigerweise," sagte er, einen Blick in das Schriftstück werfend, "will Dupont den Ausgangspunkt dieser gro?en Revolution nach England verlegen, weil in Frankreich die Regierung noch zu stark sei."
"England sei das einzige Land," fuhr er fort, "in welchem eine wirkliche socialistische Revolution gemacht werden k?nnte, das englische Volk aber k?nne diese Revolution nicht machen, Fremde mü?ten sie ihm machen und der Punkt, wo man zuerst losbrechen solle, sei Irland."
Der Legationsrath Bucher l?chelte. "Das sind Tr?umereien," sagte er, "wie sie von Zeit zu Zeit sich immer wiederholen, ohne zu praktischen Resultaten zu führen."
"Die Ideen dieses Dupont sind Tr?umereien,--das ist ganz richtig," fiel Graf Bismarck ein,--"aber in Frankreich ist die Sache ernster,--dort haben die gem??igten Mitglieder der Internationale vollst?ndig die Führung verloren und die extremsten Doctrinen dringen immer mehr in die Arbeiterbev?lkerung,--bei jeder unruhigen Bewegung kann die Commune proclamirt werden.--Das Alles g?hrt um den Kaiser herauf und kann ihn eines Tages dazu dr?ngen, einen Verzweiflungscoup zu machen;--wir müssen von dort her immer auf etwas Unerwartetes gefa?t sein."
"Die Elemente der G?hrung," sagte der Legationsrath, "von denen Eure Excellenz sprechen, sind aber nicht nur in Frankreich vorhanden, sondern erfüllen die ganze Welt,--auch unter den deutschen Arbeitern macht die Internationale Fortschritte,--ich glaube, da? die Regierungen zu dieser Frage Stellung nehmen müssen."
"Das sagt mir auch Wagner," rief Graf Bismarck,--"aber welche Stellung soll man dazu nehmen?--Die alten Parteibildungen beginnen sich zu zersetzen, keine der vorhandenen Parteien kann sich dazu erheben, den neuen Zeitfragen mit freiem und klarem Blick entgegen zu treten,--und gerade dieser socialen Frage gegenüber mü?te doch die Regierung sich auf eine im Volke selbst wurzelnde Partei stützen.--Das w?re eine Aufgabe für die Conservativen," sagte er sinnend,--"aber leider verlieren gerade diese sich immer mehr in unm?gliche und unpraktische Theorien."
"Nun," fuhr er fort,--"wir müssen darüber nachdenken,--jetzt will ich ein wenig h?ren, was die ausw?rtige Politik macht."
Er reichte mit freundlichem Kopfnicken dem Legationsrath die Hand und dieser zog sich mit einer kurzen stummen Verbeugung zurück.
"Ist Jemand im Vorzimmer?" fragte Graf Bismarck den Kammerdiener, welcher auf seinen starken Glockenzug erschien.
"Der englische Botschafter, Excellenz."
"Ich lasse bitten."
Der Minister-Pr?sident erhob sich und machte einige Schritte nach der Thür, durch welche Lord Augustus Loftus, der Botschafter Ihrer Majest?t der K?nigin Victoria am preu?ischen Hofe und beim Norddeutschen Bunde, in das Cabinet trat.
Lord Loftus, eine durchaus englische Erscheinung, hatte in seinen Gesichtszügen und in seiner ganzen Haltung eine gewisse feierliche Würde und Zurückhaltung, welche ein wenig gegen das offene, freie Wesen des Grafen Bismarck abstach. Der Lord setzte sich dem preu?ischen Minister-Pr?sidenten gegenüber vor den gro?en Schreibtisch in der Mitte des
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