Der Todesgruß der Legionen, 2. Band | Page 6

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
Regierungsrath Meding, "findet meine Bemühungen für die Herstellung eines Comité de Patronage, da dasselbe auch für eine Colonie in Algerien wirken k?nne, nicht vereinbar mit seinen Beschlüssen, nach welchen er aus militairischen Gründen die Gründung einer solchen Colonie abgelehnt hat. Er befiehlt mir deshalb, aus dem Comité auszuscheiden und mich sogleich nach Thun in der Schweiz zu begeben, um dort seine weiteren Befehle abzuwarten. Das Schreiben ist übrigens," fuhr er fort, "abermals eine Antwort auf etwas durchaus Anderes, als ich geschrieben und au?erdem von einer beinah unglaublichen Stylisirung und Logik."
"Unerh?rt!" riefen die Officiere.
"Und Sie werden diesem Befehl Folge leisten?" fragte Herr von Düring.
"Ganz gewi?," erwiderte der Regierungsrath Meding, "ich stehe noch im Dienste des K?nigs und mu? seinen Befehlen folgen. Ich bedaure, da? sie mich zwingen, die armen Emigranten zu verlassen, aber ich kann darin Nichts ?ndern, die Verantwortung für ihr Schicksal trifft mich nicht."
"Ich habe auch noch Briefe für Herrn von Düring und für Herrn von Tschirschnitz," sagte Hattensauer, indem er sich demüthig gebeugt den beiden Herren n?herte und jedem ein Schreiben übergab, welches dieselben schnell ?ffneten und durchflogen.
"Ich bin nach Bern verbannt," sagte Herr von Düring.
"Und ich nach Basel!" rief Herr von Tschirschnitz laut lachend. "Die Sache wird nun geradezu komisch, man scheint sich in Hietzing für die Gebieter der Welt zu halten."
"Haben Sie Nichts für mich?" rief Herr von Mengersen, zu Herrn Hattensauer sich wendend, "vielleicht hat man mich nach Sibirien verbannt."
"Nun, meine Herren," sagte der Regierungsrath Meding, "so müssen wir denn die Hannoveraner ihrem Schicksal überlassen, ich werde noch das M?glichste thun, um sie allen meinen Freunden hier zu empfehlen. Jedenfalls haben wir für sie gethan, was in unsern Kr?ften stand. Und nun lassen Sie uns schlafen und ausruhen, denn ich glaube, wir k?nnen sagen: 'Finita la commedia'. Morgen wollen wir überlegen, was weiter zu thun ist, und," sagte er l?chelnd zu Herrn von Düring und Herrn von Tschirschnitz, "unsere Reisevorbereitungen treffen."

Zweites Capitel
Der Legationsrath Bucher hatte seinen Vortrag bei dem Kanzler des Norddeutschen Bundes, Grafen von Bismarck, beendet.
Der Graf sa? in dem Lehnstuhl vor dem Schreibtisch bequem zurückgelehnt, die kraftvolle markige Gestalt erschien noch breiter und voller im Militairüberrock,--die Züge seines Gesichts waren st?rker geworden und drückten noch mehr als früher feste, entschlossene Willenskraft aus. Das Haar an seinen Schl?fen und der volle Schnurrbart hatten sich mehr und mehr wei? gef?rbt, ohne da? dadurch sein Gesicht ?lter erschien,--der frische Ausdruck seiner klaren, grauen Augen, welche bald streng und drohend, bald tief und gemüthvoll blickten, gab seiner ganzen Erscheinung einen gewissen Schimmer jugendlicher Lebendigkeit.
Vor dem Grafen stand, ein Packet zusammengelegter Papiere in der Hand, der Legationsrath Bucher.
Sein kr?nkliches feines Gesicht mit den kalt und ernst blickenden kleinen Augen, dem fest geschlossenen Mund und der etwas scharf vorspringenden Nase, seine magere Gestalt, welche dem Grafen Bismarck gegenüber fast winzig erschien,--seine etwas gebückte Haltung,--das Alles gab der Erscheinung dieses merkwürdigen Mannes, der früher seiner politischen Ueberzeugung Heimath und Existenz geopfert und nunmehr das Vertrauen des gro?en deutschen Staatsmannes zu erwerben und zu erhalten gewu?t hatte, einen Ausdruck, der die Mitte hielt zwischen dem Typus eines Bureaukraten und eines Professors.
"Haben Sie die Schrift von Vilbort gelesen," fragte der Graf--'l'oeuvre de Monsieur de Bismarck'--es wird in Paris viel besprochen--"
"Und ist auch bereits in deutscher Uebersetzung erschienen," bemerkte der Legationsrath, "es enth?lt viel Interessantes und manche sehr bemerkenswerthe Zeugnisse über das, was Herr Vilbort w?hrend des Krieges von 1866 selbst gesehen und erlebt hat.--Ob freilich Alles das wahr ist, was Vilbort über die Aeu?erungen mittheilt, die Eure Excellenz ihm selbst gegenüber gemacht haben, das müssen Sie selbst besser beurteilen k?nnen, als ich--"
"Im Allgemeinen," sagte Graf Bismarck, "so weit ich das Buch zu durchbl?ttern Zeit gefunden habe,--giebt er meine Aeu?erungen richtig wieder,--und das ist schon sehr viel.--So oft man mit einem Journalisten spricht, mu? man sich gefallen lassen, da? er Alles, was man gesagt oder nicht gesagt hat, wiedererz?hlt, wie er es aufgefa?t hat,--oder wie er es aufgefa?t zu sehen wünscht,--das hindert mich übrigens nicht," fuhr er fort, "mich ganz freimüthig und offen gegen diese Herren auszusprechen, wenn ich Gelegenheit habe, einen von ihnen zu sehen;--ich halte mit dem, was ich denke und was ich will, nicht hinter dem Berge,--die ?ngstliche Geheimni?kr?merei der alten Diplomatie hat keinen Sinn mehr in unserer Zeit,--freilich mu? ich dann auch die ?ffentliche Beurtheilung dessen, was ich gesagt habe, nicht scheuen, und,--Gott sei Dank,--dafür habe ich ganz gesunde Nerven."
"Herr Vilbort," sagte der Legationsrath Bucher, "scheint mir durch die Offenheit, mit welcher Eure Excellenz sich ihm gegenüber ausgesprochen haben, etwas eitel geworden zu sein;--er h?lt sich für einen Geschichtschreiber,--und das ist er in der That nicht,--auch geht durch sein ganzes Werk ein gewisses sentimentales Jammern über den Krieg, der doch, da die Conflicte einmal unl?sbar geworden, eine Nothwendigkeit war."
"Diese Richtung des Buches," fiel Graf Bismarck ein, "das jedenfalls in Frankreich viel gelesen werden wird, ist mir am wenigsten unangenehm,--die
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