Der Todesgruß der Legionen, 1. Band | Page 8

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
auf Ihre endliche, vollständige Wiederherstellung."
Der Kaiser schüttelte langsam und traurig den Kopf. "Die großen
Aufgaben meiner Stellung!" sprach er mit matter Stimme--"das ist es ja
eben, was mich so niederdrückt und lähmt--daß die Maschine den
Dienst versagt, um das ausführen zu können was nothwendig
geschehen muß; ja, daß sogar oft die Klarheit des Erkennens dessen
was nothwendig ist mir schwindet. Wäre ich einer jener legitimen
Könige, die ruhig auf ihrem Thron sitzen, die denselben sicher und
unangefochten ihrem Nachfolger überlassen können--oh, dann würde
ich ruhig alle diese Leiden und Schmerzen ertragen. Ich fürchte

wahrlich den Tod nicht--fast möchte ich ihn zuweilen wünschen, denn
die Genüsse und Freuden des Lebens sind für mich--beendet; aber,
mein Gott," rief er händeringend, "ich darf ja nicht nur an mich und
mein Leben denken, ich muß sorgen für die Zeit die nach mir kommt;
ich muß meinem Sohn das Erbe sichern, für dessen Erwerbung mein
großer Oheim seine Riesenkraft eingesetzt hat und für welches ich in
mühsamer Arbeit die Tätigkeit meines ganzen Lebens angestrengt habe
und nun gerade, da ich diese letzte Aufgabe meiner irdischen Laufbahn
erfüllen will und erfüllen muß, geht mir die Kraft aus und wenn dieser
elende Körper zusammenbricht, so wird das stolze Gebäude in
Trümmer fallen, welches ich aufgerichtet und dieses Frankreich, das
ich so sehr liebe, für das ich gestrebt und gearbeitet habe so lange Jahre
hindurch, es wird wieder zurücksinken in unruhige Zerrüttung;
Ohnmacht und Elend wird die Folge davon sein."
"Aber, mein Gott, Sire," sagte Dr. Conneau, "warum diese schwarzen
Gedanken? Die Macht des Kaiserreichs steht fest begründet im Innern
und hoch geachtet nach Außen da. Es giebt vielleicht unter den alten
legitimen Monarchieen so manche, welche nicht auf so sichern und
unerschütterlichen Fundamenten ruht als der Thron Ew. Majestät und
wenn der kaiserliche Prinz--was Gott noch lange verhüten möge,
dereinst berufen sein wird jenen Thron zu besteigen, so wird er ein
nach allen Richtungen hin vollendetes, großartiges Werk vorfinden,
dessen natürliche Weiterentwickelung er nur fortsetzen und leiten darf.
Ew. Majestät Werk ist wahrlich größer als das Ihres Oheims, denn die
Schöpfungen jenes Riesengeistes stützten sich doch immer nur auf die
Spitze seines Degens, während Ew. Majestät Bau breit und ruhig auf
der Wohlfahrt des ganzen Volkes ruht."
Der Kaiser schüttelte abermals den Kopf.
"Auch Sie, mein alter Freund," sagte er, "täuscht der Schein--oder Sie
wollen mich beruhigen und mir das Vertrauen auf die Zukunft
wiedergeben, das ich immer mehr verliere.
"Ich selbst," sagte er nach einem tiefen Athemzuge, indem es wie
leichte Nachwehen nervöser Schmerzen über sein Gesicht zuckte--"ich
selbst kann besser wie jeder Andere die Schwächen dieses Kaiserreichs

erkennen, das ich selbst erbaut und so lange Zeit aufrecht erhalten habe.
"Fest begründet im Innern, sagen Sie, stehe mein Reich da?--Und
dennoch wogt und gährt es in dieser so leicht beweglichen Pariser
Bevölkerung--ich kenne sie genau die Vorzeichen der revolutionairen
Stürme und ich sehe sie deutlich in der heutigen Bewegung des
öffentlichen Lebens."
Dr. Conneau lächelte.
"Ew. Majestät überschätzen diese kleine Bewegung," sagte er. "Die
stets unruhige Bevölkerung des Faubourg St. Antoine bedarf von Zeit
zu Zeit solcher leichter Emotionen, aber unter einer so starken
Regierung wie diejenige Ew. Majestät ist hat das nichts zu bedeuten.
Die große Masse der Bevölkerung Frankreichs, namentlich die
ländlichen Grundbesitzer hängen an Ew. Majestät und empfinden
dankbar die Segnungen, welche Ihre Regierung ihnen gebracht hat.
Dank der Ordnung, Ruhe und Sicherheit des öffentlichen Verkehrs,
Dank dem neuen Wegesystem, das Ew. Majestät geschaffen und das
jedem Grundbesitzer die Möglichkeit der reichsten Verwerthung seiner
Producte sichert, steht Frankreich auf einer Höhe des Wohlstandes wie
nie zuvor und einige unruhige Köpfe in Paris werden niemals die
Macht haben, die tiefe Anhänglichkeit des ganzen Volkes an Ew.
Majestät und Ihre Dynastie zu erschüttern."
"Sie kennen Frankreich nicht wie ich," sagte der Kaiser traurig--"ich
weiß wie Sie, daß das Volk im ganzen Lande mir dankbar ist und daß
aus dem Lande selbst niemals eine Bewegung gegen das Kaiserreich
hervorgehen wird; aber die Centralisation in diesem Lande hat eine
unbesiegbare Gewalt--eine unvernünftige Gewalt, wenn Sie wollen,
doch die Gewalt ist da und ich sage Ihnen, bei irgend einem Unglück,
bei irgend einer Schwäche der Regierung--bei meinem Tode
vielleicht," fügte er seufzend hinzu, "wird immer eine Hand voll Nichts
bedeutender Menschen, denen es gelingt Paris zu terrorisiren, die
Macht haben eine Regierung zu stürzen, welche die Sympathieen des
ganzen Landes besitzt und dieses so ganze reiche, so arbeitsame, so
geistvolle Frankreich wird den Thorheiten folgen, zu denen man Paris
zu verleiten im Stande sein möchte.--

"Und nach Außen," fuhr er fort, fast mehr noch zu sich selbst als zu
Conneau sprechend--"hat man in Europa noch Achtung, hat man noch
Furcht vor Frankreich? Wohin richten sich die Blicke der Cabinette?
Ich fühle es heraus aus den Berichten aller meiner Gesandten, man
sieht nach Berlin und die Zeit ist vorbei, in der
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