Der Sturm | Page 7

William Shakespeare
Sprache reden; wär' ich nur da wo sie geredet wird.
Prospero.
Wie? der erste? Was wärest du, wenn dich der König von
Neapel reden hörte?
Ferdinand.
Eine einzelne Person, wie izt, die sich wundert, dich vom
König von Neapel reden zu hören. Er hört mich, und daß er mich höret,
ist was ich beweine. Ich selbst bin nun der König von Neapel, da ich
mit diesen meinen Augen, die seit dem niemals troken worden sind,
den König meinen Vater im Schiffbruch umkommen gesehen habe.
Miranda.
Wie sehr dauert er mich!
Ferdinand.
Glaubet mirs, er kam um, er und alle seine Hofleute: der
Herzog von Meiland und sein edler Sohn waren dabey.
Prospero.
Der Herzog von Meiland und seine noch edlere Tochter
könnten dich eines bessern belehren, wenn es izt Zeit dazu wäre--
(vor sich.)
Beym ersten Anblik tauschten sie ihre Augen (Ariel, für diesen Dienst
sollt du frey seyn!)
(laut.)

Ein Wort mit euch, mein feiner Herr, ich fürchte ihr habt euch in einen
schlimmen Handel verwikelt: Ein Wort--
Miranda.
Warum spricht mein Vater so unfreundlich? Diß ist der
dritte Mann, den ich jemals sah, und der erste, für den ich seufze.
Möchte Mitleiden meinen Vater so gesinnt machen wie mich!
Ferdinand.
O, wenn ihr ein sterbliches Mädchen seyd, und eure
Neigung noch frey ist, so will ich euch zur Königin von Neapel
machen.
Prospero.
Sachte, mein Herr; Nur ein Wort--
(vor sich.)
Sie sind beyde eines in des andern Gewalt: aber ich muß diesem
plözlichen Einverständniß Schwierigkeiten in den Weg legen, sonst
möchte ein zu leichtgewonnenes Glük seinen Werth verringern--Herr,
nur noch ein Wort; ich befehle dir, mir zu folgen. Du legst dir hier
einen Namen bey, der dir nicht gebührt, du hast dich als einen
Kundschafter in diese Insel eingeschlichen, um sie mir, ihrem Herren
abzugewinnen.
Ferdinand.
Nein, so wahr ich ein Mann bin.
Miranda.
Gewiß, es kan nichts böses in einem solchen Tempel
wohnen. Wenn der böse Geist ein so schönes Haus hätte, gute Dinge
würden bey ihm zu wohnen versucht.
Prospero.
Folge mir--Rede du nicht für ihn, er ist ein Verräther.
Komm, ich will dir Hals und Füsse zusammenfesseln, Seewasser soll
dein Trank, und frische Bachbungen, dürre Wurzeln und Eicheln deine
Speise seyn. Folge!
Ferdinand.
Nein, eine solche Begegnung will ich nicht leiden, bis
mein Feind der stärkere ist.

(Er zieht den Degen, und bleibt bezaubert und unbeweglich stehen.)
Miranda.
O mein theurer Vater, verfahret nicht so strenge mit ihm; er
ist ja liebenswürdig, nicht fürchterlich.
Prospero.
Wie, Mädchen, du willt mich meistern? Zieh dein Schwerdt,

Verräther! du willt den Herzhaften machen, und darfst keinen Streich
führen? Bilde dir nicht ein, daß du dich wehren wollest; ich brauche
nichts, als diesen Stab, dich zu entwaffnen, und deinen Degen fallen zu
machen.
Miranda.
Ich bitte euch, mein Vater.
Prospero.
Weg, hänge dich nicht so an meinen Rok.
Miranda.
Mein Herr, habet Mitleiden, ich will Bürge für ihn seyn.
Prospero.
Schweige, noch ein einziges Wort mehr wird machen, daß
ich dich ausschelte, oder gar hasse. Was? einem Betrüger das Wort
reden? husch! du denkst, es habe nicht noch mehr solche Gesichter wie
er ist, weil du nur den Caliban und ihn gesehen hast; einfältiges Ding!
gegen die meisten Männer gerechnet, ist er nur ein Caliban, und sie
sind Engel gegen ihn.
Miranda.
So sind meine Neigungen sehr demüthig, denn ich habe
kein Verlangen einen schönern Mann zu sehen.
Prospero.
Komm mit, gehorche; deine Nerven sind wieder in ihrer
Kindheit, und haben keine Stärke mehr.
Ferdinand.
So ist es; alle meine Lebensgeister sind wie in einem
Traum, gefesselt. Aber meines Vaters Tod, die Schwäche die ich fühle,
der Schiffbruch aller meiner Freunde, und die Drohungen dieses
Mannes, dem ich unterworfen bin, würden mir leicht zu ertragen seyn,
möchte ich nur einmal des Tages durch eine Öfnung meines Kerkers
dieses holde Mädchen sehen: Die Freyheit mag von dem ganzen Rest
der Erde Gebrauch machen; für mich ist Raum genug in einem solchen

Kerker.
Prospero (für sich.)
Es würkt:
(laut)
folge mir! (du hast dich wohl gehalten, Ariel) folge mir.
(Zu Ariel.)
Höre, was du weiter zu verrichten hast.
(Er sagt dem unsichtbaren Ariel etwas in Geheim.)
Miranda (zu Ferdinand.)
Fasset Muth, mein Herr; mein Vater ist von
einer bessern Gemüthsart, als ihr aus seinen Worten schliessen könnt;
sein iziges Betragen ist etwas ungewohntes.
Prospero (zu Ariel.)
Du sollst so frey seyn als die Winde auf hohen
Bergen; aber unter der Bedingung, daß du meinen Befehl in allen
Puncten aufs genaueste vollziehest.
Ariel.
Nach dem Buchstaben.
Prospero.
Komm, folge mir! Sprich du nicht für ihn.
(Sie gehen ab.)
Zweyter Aufzug.
Erste Scene.
(Ein andrer Theil der Insel.)
(Alonso, Sebastian,
Antonio, Gonsalo, Adrian, Francisco, und andre Hofleute, treten auf.)
Gonsalo.
Ich bitte euch, Gnädigster Herr, gutes Muths zu seyn; wir
haben alle Ursache zur Freude; denn unsre Errettung geht weit über
unsern Verlust. Das Unglük das wir gehabt haben, ist etwas gemeines;
jeden Tag hat irgend eines Schiffers Weib oder irgend ein Kauffmann
das nehmliche Thema zu klagen; aber von einem solchen Wunder wie

unsre Erhaltung
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