Der Sturm | Page 6

William Shakespeare
mich, und thatest freundlich
mit mir, gabst mir Wasser mit Beeren drinn zu trinken, und lehrtest
mich, wie ich das grössere Licht und das kleinere, die des Tags und des
Nachts brennen, nennen sollte; und da liebt ich dich, und zeigte dir die
ganze Beschaffenheit der Insel, die frischen Quellen, und die salzigen,
die öden und die fruchtbaren Gegenden.
Verflucht sey ich, daß ich es
that! Alle Zaubereyen meiner Mutter, Kröten, Schröter und
Fledermäuse über euch! Daß ich, der vorher mein eigner König war,
nun euer einziger Unterthan, und in diesen Felsen eingesperrt seyn muß,
indessen daß ihr die ganze übrige Insel für euch allein behaltet.
Prospero.
Du lügenhafter Sclave, den nur Schläge, statt
Freundlichkeit, zähmen können; So ein garstiges Thier du bist, so hab
ich dir doch mit menschlicher Fürsorge begegnet, und dich in meiner
eignen Celle beherberget, biß du frech genug warst, meinem Kinde
Gewalt anthun zu wollen.
Caliban.
O ho! o ho!--Ich wollt' es wäre vor sich gegangen; du kamst
zu früh dazu, sonst hätte ich diese Insel mit Calibanen bevölkert.
Prospero.
Du abscheulicher Sclave, unfähig den Eindruk von irgend
einer guten Eigenschaft anzunehmen, und zu allem Bösen aufgelegt!
Ich hatte Mitleiden mit dir nahm die Mühe dich reden zu lehren, und
wieß dir alle Stunden etwas neues. Da du nicht im Stand warst, du
wilder, deine eigne Meynung zu entdeken, sondern gleich einem

unvernünftigen Vieh nur unförmliche Töne von dir gabst, begabte ich
deine Gedanken mit Worten, damit du sie andern verständlich machen
könntest. Aber ungeachtet alles Unterrichts behielt die angebohrne
Bosheit deiner Natur die Oberhand und machte deine Gesellschaft

wohlgearteten Geschöpfen unerträglich; ich sah mich also gezwungen,
dich in diesen Felsen einzusperren, und begnügte mich, deine Bosheit
nur allein unwürksam zumachen, ob du gleich mehr als ein Gefängniß
verdient hattest.
Caliban.
Ihr lehrtet mich reden, und der ganze Vortheil den ich davon
habe, ist daß ich fluchen kan; daß ihr die Pest dafür hättet, daß ihr mich
reden gelehrt habt!
Prospero.
Du Wechselbalg, hinweg! Bring uns Holz und Reiser zu
einem Feuer hieher, und mache hurtig, damit ich dich zu andern
Arbeiten gebrauchen kan. Zükst du die Achseln, du Unhold? Wenn du
nicht thust was ich dir befehle, oder es unwillig thust, so will ich dich
am ganzen Leibe mit krampfichten Zükungen foltern, alle deine
Gebeine mit Schmerzen füllen, und dich heulen machen, daß wilde
Thiere vor deinem Geschrey zittern sollen.
Caliban.
Nein, ich bitte dich.
(Für sich.)
Ich muß gehorchen; seine Kunst giebt ihm eine so grosse Gewalt, daß
er im Stande wäre, meiner Mutter Gott Setebos zu bezwingen, und
einen Vasallen aus ihm zu machen.
(Caliban geht ab.)
Prospero.
So, Sclave, hinweg!
Fünfte Scene.
(Ferdinand tritt auf; Ariel unsichtbar singend und
spielend.)
Ferdinand.
Wo kan diese Musik seyn? In der Luft oder auf der
Erde?--Sie hat aufgehört--wahrhaftig es ist eine Anzeige, daß irgend
eine Gottheit dieses Eiland bewohnt. Indeme ich auf einer Sandbank
saß, und den Untergang des Königs meines Vaters beweinte, schien
diese Musik über die Wellen mir entgegen zu schleichen, und

besänftigte durch ihre Lieblichkeit beydes ihre Wuth und meine
Leidenschaft; ich folgte ihr bis an diesen Ort, oder sie zog mich
vielmehr an;--Aber sie hat aufgehört--Nun beginnt sie von neuem.
Ariel (singt:)
Fünf Faden tief dein Vater ligt,
Sein Gebein ward zu
Corallen,
Zu Perlen seine Augen-Ballen,
Und vom Moder unbesiegt,

Wandelt durch der Nymphen Macht
Sich jeder Theil von ihm und
glänzt in fremder Pracht.
Die Nymphen lassen ihm zu Ehren
Von
Stund zu Stund die Todtengloke hören.
Horch auf, ich höre sie,
ding-dang, ding-dang--
Ferdinand.
Der Gesang spricht von meinem ertränkten Vater; diß ist
nicht das Werk eines Sterblichen, noch eine irdische Musik; izt hör ich
sie über mir.
Sechste Scene.
(Prospero und Miranda nähern sich auf einer andern
Seite dem Orte, wo Ferdinand steht.)
Prospero.
Ziehe die Vorhänge deiner Augen auf, und sage, was du
dort siehest?
Miranda.
Was ist es? ein Geist?--Wie es umherschaut! Glaubet mir,
mein Herr, es hat eine feine Gestalt. Aber--es ist ein Geist.
Prospero.
Nein, Mädchen, es ißt und schläft, und hat solche Sinnen
wie wir haben, eben solche; und wenn es nicht von Gram (der der
Schönheit Krebs ist) in etwas entstellt wäre, könnte man ihn eine ganz
hübsche Person nennen. Er hat seine Gefährten verlohren, und irret
umher sie zu suchen.
Miranda.
Ich möchte ihn etwas Göttliches nennen, denn nie sah ich in
der Natur eine so edle Gestalt.
Prospero (für sich.)
Es geht, sehe ich, wie es mein Herz
wünschet--Geist, feiner Geist, für diß will ich dich in zween Tagen frey
lassen.

Ferdinand
(indem er Miranda gewahr wird.)
Ganz gewiß ist dieses die Göttin, deren Gegenwart jene Harmonien
ankündigten. Erlaubet meiner Bitte zu wissen, ob ihr auf dieser Insel
wohnet, und würdiget mich einer Belehrung, wie ich mich hier zu
verhalten habe? Mein erster Wunsch, obgleich zulezt
ausgesprochen,
ist, o ihr Wunder! zu wissen, ob ihr geschaffen seyd oder nicht?
Miranda.
Kein Wunder, mein Herr, aber ganz gewiß ein Mädchen.
Ferdinand.
Meine Sprache! Himmel! ich bin der Erste unter denen die
diese
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