Der Sturm | Page 5

William Shakespeare
Freyheit.
Prospero.
Eh deine Zeit aus ist? Nichts mehr davon!
Ariel.
Ich bitte dich, erinnere dich wie getreu ich dir gedient habe; ich
sagte dir keine Lügen vor, ich machte nie eines für das andre, ich diente
dir ohne Groll noch Murren; und du versprachest mir ein ganzes Jahr
nachzulassen.
Prospero.
Hast du vergessen, von was für einer Marter ich dich
befreyet habe?
Ariel.
Nein.
Prospero.
Du hast es vergessen, und hältst es für zuviel in dem
sumpfichten Grund des gesalznen Meeres für mich zu waten, oder auf

dem scharfen Nordwind zu rennen, oder in den Adern der hartgefrornen
Erde meine Geschäfte auszurichten.
Ariel.
Das thu ich nicht, mein gebietender Herr.
Prospero.
Du lügst, boshaftes Ding. Hast du die scheußliche Zauberin
Sycorax vergessen, die von Alter und Neid in einen Reif
zusammengewachsen war? Hast du sie vergessen?
Ariel.
Nein, Herr.
Prospero.
Du hast; wo war sie gebohren? Sprich, erzähl es mir.
Ariel.
In Argier, mein Herr.
Prospero.
So, war sie? ich muß alle Monat einmal mit dir
wiederholen was du gewesen bist, um dir das Gedächtniß ein wenig
anzufrischen. Diese verdammte Hexe Sycorax, war wegen
manchfaltiger Übelthaten und Zaubereysünden, die zu ungeheuer sind,
als daß ein menschliches Ohr sie ertragen könnte, wie du weist, von
Argier verbannt; um eines einzigen willen das sie gethan hatte, wollten
sie ihr das Leben nicht nehmen. Ists nicht so?
Ariel.
Ja, mein Herr.
Prospero.
Diese blauaugichte Unholdin ward schwängern Leibes
hiehergebracht, und von den Schiffleuten hier zurükgelassen; du, mein
Sclave, warest nach deiner eignen Aussage, damals ihr Diener. Und
weil du zu Verrichtung ihrer irdischen und abscheulichen Aufträge ein
zu zärtlicher Geist warst, und ihre grossen Befehle ausschlugest; so
schloß sie dich in ihrer unerbittlichen Wuth, mit Hülfe ihrer stärkern
Diener in eine gespaltne Fichte, in deren Klamme
eingekerkert du
zwölf peinvolle Jahre verharren mußtest, bis sie starb und dich in
diesem elenden Zustand ließ, worinn du die Gegend umher, soweit als
man das Getöse von Mühlrädern hören kan, mit Ächzen und Winseln
erfülltest. Damals war dieses Eiland, (ausser einem Sohn, den sie hier
geworfen hatte, einen rothgeflekten ungestalten Wechselbalg) mit

keiner menschlichen Gestalt geziert.
Ariel.
Ja, Caliban ihr Sohn.
Prospero.
Dummes Ding, das ists was ich sage; eben dieser Caliban,
den ich nun in meinen Dinsten habe. Du weist am besten in was für
einer Quaal ich dich hier fand; dein Winseln machte Wölfe mit dir
heulen, und durchbohrte die wilde Brust des immerzürnenden Bärs; es
war eine Marter, wie die Verdammten ausstehen müssen, und Sycorax
selbst war nicht im Stande sie wieder aufzuheben: meine Kunst war es,
als ich hieher kam und dich hörte, welche die bezauberte Fichte zwang
sich zu öffnen, und dich herauszulassen.
Ariel.
Ich danke dir, mein Gebieter.
Prospero.
Wenn du noch einmal murrest, so will ich eine Eiche
spalten, und dich in ihr knottichtes Eingeweide einklammern, bis du
zwölf Winter weggeheult hast.
Ariel.
Vergieb mir, mein Gebieter, ich will alle deine Befehle
vollziehen, und willig und behend in meinen Spükereyen seyn.
Prospero.
Thue das, so will ich dich in zween Tagen frey lassen.
Ariel.
Das ist mein großmüthiger Meister! Was soll ich thun? Sage
was? Was soll ich thun?
Prospero.
Geh, nimm die Gestalt einer Meernymphe an, aber mache
dich jedem andern Auge als dem meinigen unsichtbar. Geh, und komm
in dieser Gestalt wieder hieher; mache hurtig.
(Ariel verschwindt.)
Erwache, mein theures Herz, erwache, du hast wohl geschlafen--
Erwache!
Miranda.
Die Seltsamkeit eurer Geschichte hat meinen Kopf ganz

schwer gemacht.
Prospero.
Muntre dich auf; komm mit, wir wollen den Caliban
meinen Sclaven besuchen, der uns niemals eine freundliche Antwort
giebt.
Miranda.
Es ist ein Nichtswürdiger, mein Herr, ich mag ihn nicht
gerne ansehen.
Prospero.
Und doch, so wie er ist können wir nicht ohne ihn seyn; er
macht uns unser Feuer, schaft unser Holz herbey und thut uns Dienste,
die uns zu statten kommen. He! Sclave! Caliban! du Kloz du, gieb
Antwort!
Caliban (hinter der Scene.)
Es ist Holz genug drinnen.
Prospero.
Komm hervor, sag' ich, es ist eine andre Arbeit für dich da,
komm, du Schildkröte! Nun, wie lange--
(Ariel erscheint in Gestalt einer Wasser-Nymphe.)
Eine artige Erscheinung! Mein muntrer Ariel, ich habe dir etwas ins
Ohr zu sagen--
Ariel.
Es soll geschehen, mein Gebieter.
(Geht ab.)
Prospero.
Du krötenmäßiger Sclave, vom Teufel selbst mit der Hexe,
die dich gebohren hat, gezeugt! hervor!
Vierte Scene.
(Caliban zu den Vorigen.)
Caliban.
Ein so schädlicher Thau, als jemals meine Mutter mit
Rabenfedern von ungesundem Morast abgebürstet hat, träufle auf euch
beyde! Ein Südwest blase euch an, und bedeke euch über und über mit
Schwülen und Finnen!

Prospero.
Für diesen guten Wunsch, verlaß dich drauf, sollt du diese
Nacht den Krampf haben, Seitenstiche sollen deinen Athem
einzwängen, und Igel sollen sich die ganze Nacht durch an dir ermüden;
du sollt so dicht gekneipt werden, wie Honigwaben, und jeder Zwik
soll schärfer stechen als die Bienen, die sie machen.
Caliban.
Ich muß zu Mittag essen. Diese Insel ist mein, ich habe sie
von Sycorax, meiner Mutter geerbt, und du hast sie mir abgenommen.
Wie du hieherkamst, da streicheltest du
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