gute Graf auch das kleine Antlitz in
dem Rosenwölkchen erkannt; aber, der Freudenblitz aus seinen Augen
verschwand auf einmal, und die Gräfin sah im Spiegel, wie er erblaßte.
"Siehst du es denn nicht?" flüsterte sie.
"Ich sehe es freilich, Herzensfrau", erwiderte er; "aber es erschreckt
mich, daß das Kindlein weint."
Sie kehrte sich zu ihm und wiegte das Haupt. "Du törichter Mann",
sprach sie, "es schlummert, es lächelt ja im Traum."
Und so blieb es mit den beiden. Er ging in Sorge; sie aber rüstete
heiteren Sinnes mit ihrer Schaffnerin die Wiege nebst den
Daunenkissen und den kleinen zarten Gewändern für den künftigen
Erben des Hauses. Mitunter, wenn sie vor dem Spiegel stand, streckte
sie wohl wie in traumhafter Sehnsucht ihre Arme nach dem
Rosenwölkchen aus, aber wenn dann ihre Finger an die kalte
Spiegelfläche stießen, so ließ sie die Arme wieder sinken und gedachte
an ein Wort des Cyprianus: 'Es will alles seine Zeit.'
Und auch ihre Stunde kam. Das Wölkchen im Spiegel verschwand, und
statt dessen lag ein rosiger Knabe auf dem weißen Leintuch ihres Bettes.
Das gab große Freude im Schloß und drunten im Dorf, und als der gute
Graf morgens durch seine lachenden Fluren ritt, da ließ er dem
wiehernden Goldfuchs die Zügel schießen und rief es jubelnd in den
Sonnenschein hinaus: "Mir ist ein Sohn geboren!"
Nachdem die Gräfin als Sechswöchnerin ihren Kirchgang gehalten, sah
man sie wiederum an warmen Sommertagen in die Käthnerhäuser des
Dorfes gehen; nur daß sie jetzt nicht mehr in Leid auf die Bauernkinder
herabsah. Sie stand oft lange und bückte sich zu ihnen und wies sie an
in ihren Spielen; und wo sie einen recht kräftigen Jungen sah, da dachte
sie auch wohl: "Der Meine ist ihm doch noch über!"
Aber, wie Cyprianus geschrieben hatte, das Letzte ruht in der Hand des
unerforschten Gottes.--Mit dem Herbst fiel ein böses Fieber über das
Dorf; die Menschen starben; doch ehe sie starben, lagen sie
verschmachtend und hilfeflehend auf ihrem Lager. Und die gute Gräfin
ließ nicht auf sich warten. Mit den Arkanen des alten Meisters ging sie
in die Hütten; sie saß an den Betten der Kranken und wischte, wenn es
zum Sterben ging, mit ihrem Tüchlein den letzten Schweiß von ihren
Stirnen. Endlich aber, da der kleine Kuno die Hälfte seines ersten
Jahres erreicht hatte, schritt der Tod, dem sie so manches Leben
entrissen hatte, mit ihr selber nach dem Schloß hinauf; und nachdem
ihre armen Wangen im Fieber wie zwei dunkle Rosen gebrannt hatten,
streckte er sie weiß und kalt auf ihrem Lager aus. Da war alle Freude
ausgetan. Der Graf ritt mit gesenktem Haupt durch seine Fluren und
ließ sein Roß die Wege, die es wollte, suchen. "Nun weiß ich, warum
mein armes Knäblein schon vor der Geburt hat weinen müssen", so
sprach er immer wieder bei sich selbst; "denn Mutterlieb ist nur einmal
auf der Welt."
Einsam stand der kunstreiche Spiegel in dem Schlafgemach; und wie
oft auch die Frühsonne ihre Funken auf den Stahlkranz des Rahmens
streute, das Bild der guten Gräfin saß nicht mehr darin. "Trage ihn fort",
sagte der Graf eines Morgens zu seinem alten Hausmeister; "das
Blitzen tut meinen Augen weh!"--Der Hausmeister ließ den Spiegel in
ein entlegenes Gemach des oberen Stockwerkes bringen, das derzeit
zur Aufbewahrung allerlei alten Gewaffens diente; und als die Diener,
die ihn hinaufgetragen, sich entfernt hatten, holte der alte Mann ein
schwarzes Bahrtuch vom Begräbnis der guten Gräfin und verhing damit
das Kunstwerk des Meisters Cyprianus, so daß kein Lichtstrahl fürder
es berühren konnte.
Allein der Graf war noch jung; und als ein paar Jahre ins Land
gegangen waren und der kräftige Knabe anfing, in den weiten
Korridoren des Schlosses umherzutoben, da dachte der Graf: "Es
ziemte sich, daß du deinem Sohn eine neue Mutter suchtest, die ihn
aufzöge in edler Sitte, wie es sich für deinen Erben ziemt." Und weiter
dachte er: "Am Hofe des Kaisers sind viel holde Frauen; es sollte
schlimm kommen, so du nicht die rechte fändest." Auch eine Stimme
war in seinen Ohren, die sprach: "Eine Mutter für das Kind, ein Weib
für dich; denn Frauenliebe ist ein süßer Trank!"
"Und so, als wieder einmal der Mai gekommen war, wurde das
Reisezeug gerüstet, und der Graf zog mit seinem Knaben, von
stattlicher Dienerschaft begleitet, nach der großen Stadt Wien.
"Lange blieben sie aus, und der alte Hausmeister ging in den hohen
leeren Gemächem umher und ließ die Fenster aufsperren, damit das
Geräte, das einst der guten Herrin gedient, in der eingeschlossenen Luft
nicht zugrunde gehe. Endlich aber, da schon die Herbstfäden über die
Felder flogen, gelangten nacheinander viele Kisten mit kostbaren
Teppichen, goldgepreßten Ledertapeten und allerart modischen Dingen
an, wie es von dem Gesinde dort nie zuvor gesehen war, und der
Hausmeister erhielt Befehl, die großen Gemächer des Erdgeschosses
für die neue Herrin zu bereiten."
Die alte
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