und sechsmal
an heißen Sommertagen mindestens warf er Hemde und Hose in den
Sand und tauchte sich in die braune, träge, lauwarme Flut. Er schwamm
schon wie ein Fisch. Er ging auf den Grund und holte Steine aus dem
Schlamm herauf. Er glitt unter den Flößen durch und verschwand hier,
um dort in die Höhe zu kommen.--Und er lernte seinen ersten Sprung,
den einfachen Kopfsprung. Erst von dem Rand des Floßes, dann von
dem des Nachens, endlich von dem des großen Spreekahnes plumpste
er--den Kopf voran und mit ausgespreizten Beinen--wie ein Frosch ins
Wasser.
Ach, und wie war es schön, den nassen Körper in das heiße Sägemehl
zu werfen, sich auf Bauch und Rücken darin herumzuwälzen und dann
den weißen Pelz mit einem Sprunge wieder abzuwaschen!... Und
stundenlang in der Sonne zu liegen und die Kähne und Dampfer mit
festlich geputzten und fröhlichen Menschen auf der Spree
vorüberziehen zu sehen, während die roten Wände der Fabriken und die
weißen der Villen im Glanz des Sommertages aus dem Grün der Ufer
hervorleuchteten und der blaue Himmel sich über alles spannte, die
Ringbahnzüge über die nahe Eisenbahnbrücke donnerten und unter ihr
die Dampfer pfiffen und läuteten...
Es war ein großer Sommer für den kleinen Kerl, der von den Arbeitern
auf dem Platz, die sich nur selten und nur bei übergroßer Hitze ins
Wasser wagten, wie ein kleines Wundertier angestaunt und ihre "Otter"
genannt wurde, wenn er plötzlich zu aller Ergötzen im Wasser lag und
seine ersten, kleinen Kunststücke zeigte.
Im Herbst dieses Sommers war er braun wie ein Neger, gesund und
immer hungrig wie ein Haifisch, und er begann bereits, sich etwas
einzubilden auf seine frühe Kunstfertigkeit...
4
Mit sechs Jahren kam er, wie jeder andere Berliner Junge, in die
Volksschule um bis zu seinem vierzehnten Jahre, dem der Einsegnung,
in ihr zu bleiben. In diesen Jahren lernte er schreiben, rechnen und
lesen und einige allgemeine, elementare Kenntnisse, das heißt, Franz
Felder lernte auch hiervon nur das allernotwendigste. Seine Schrift
behielt immer die klobigen Formen der Ungewandtheit, und man sah
ihr an, wie mühsam es ihm wurde, die Feder zu führen; sein Rechnen
ging gerade so weit, um zur Zusammenzählung seiner kleinen
Ausgaben und Einnahmen zu dienen; und sein Lesen--ach, der arme
Franz Felder hat in seinem kurzen Leben wenig mehr gelesen, als hier
und da den "Lokalanzeiger" und eine Annonce an der Litfaßsäule, denn
es ist ihm ewig unverständlich geblieben, wozu Bücher überhaupt
anders existierten als um den Überfluß an Zeit zu beseitigen.
Er brachte sich mühsam durch die acht Klassen bis zur ersten hinauf.
Zweimal blieb er sitzen, und dreimal half ihm sein "gutes Betragen"
durch. Auch die guten Schüler konnten es nicht weiter bringen, denn
bis zum vierzehnten Jahre mußten sie alle miteinander in der Schule
bleiben. Dann begann für sie alle das Leben--die Arbeit.
Franz war durchaus kein guter, aber auch grade kein schlechter Schüler.
Es gab noch viel Dümmere als ihn. Er begriff das wenige, was er zu
begreifen hatte, schwer und manches gar nicht; aber was er einmal in
sich aufgenommen hatte, war auch sein geworden.
Im allgemeinen war ihm die Schule höchst gleichgültig; er ging hin,
weil es nun einmal sein mußte.
5
Aber nicht allein durch die Schule, sondern auch durch die
Notwendigkeit frühen Verdienens wurde seine Zeit in Anspruch
genommen, und desto mehr, je älter er wurde.
Zwar folgten auf jenen ersten Sommer frohen Umhertummelns und
sorglosen Genießens noch einige andere gleich und ähnlich schöne,
aber immer öfter hieß es: "Du mußt dies und das tun und holen"--und
ein jeder solcher Befehle vernichtete einen Wunsch. Es kam auf jeden
Groschen an, der verdient werden mußte, und zudem verlangten die
jüngeren Brüder Beaufsichtigung und Fürsorge von den älteren, wie er
sie selbst von den Voraufgegangenen genossen.
Dennoch gab es immer noch viele Stunden ungetrübter Seligkeit für
den Knaben, wenn er hinaus konnte ins Freie zum Baden.
Es waren die Stunden, für die er lebte, an die er stets und ständig am
Tage dachte und von denen er des Nachts träumte--seine größte Freude
und sein durch kein anderes übertroffenes Vergnügen.
Im Sommer mußte einmal am Tage wenigstens gebadet werden; das
war Selbstverständlich, und der Tag verloren, an dem es nicht sein
konnte. Aber nicht etwa baden, was die anderen so nannten: aus den
Kleidern ins Wasser und wieder hinein--sondern hinein und hinaus und
in die Sonne, und wieder und wieder ins Wasser, und am liebsten so
den ganzen Nachmittag. Und schwimmen und springen und tauchen
und im Wasser wühlen wie ein Seehund--das nannte er baden. Als er
noch ein kleiner Kerl war, gab es überall an der Spree Gelegenheit,
splitternackt ins Wasser zu springen, wenn man nur aufpaßte, daß kein
Schutzmann in der Nahe war. Aber als er älter wurde, ging es doch
nicht mehr so gut außerhalb der Badeanstalt und ohne Badehose.
Vor dem Schlesischen Tor war
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