Der Schuss von der Kanzel | Page 6

Conrad Ferdinand Meyer
hat B��cher besessen, wie unsereiner, und ihren kostenden Preis auf das Titelblatt geschrieben."
"Ja wohl hat er gelebt, und recht pers?nlich und z?he", sagte der General mit kurzem Lachen. "Noch heute nacht tr?umte mir von dem B��ndner... Das kam daher, da? ich mich den ganzen gestrigen Tag mit einem h??lichen Gesch?fte abgegeben hatte. Ich schrieb mein Testament nieder, und was ist kl?glicher, als bei atmendem Leibe ��ber seinen Besitz zu verf��gen, der ja auch ein Teil von uns selber ist!"
Die Neugierde des jungen Geistlichen wurde rege. Vielleicht war es ein warnendes Traumgesicht gewesen, das, fein und erbaulich ausgelegt, in dem ihm gegen��ber Sitzenden einen guten und frommen Gedanken konnte entstehen lassen. "Wollt Ihr mir Euern Traum nicht mitteilen?" fragte er mit einem gef��hlvollen Blicke.
"Er steht zu Diensten. Es war in Chur. Menschengedr?nge, Staatsper��cken, Milit?rpersonen--von der Hofkirche her Gel?ute und Salutsch��sse. Wir treten unter dem Torbogen hervor in den bisch?flichen Hof. Jetzt gehen wir zu zweien, neben mir ein Kolo?. Ich sehe nur einen Federhut, darunter eine Gewaltsnase und den in den Kragen gesenkten pechschwarzen Spitzbart: 'Wertm��ller', fragte der Gro?e, 'wen bestatten wir?'--'Ich wei? nicht' sage ich. Wir treten in die Kathedrale zwischen das Gest��hl des Schiffes. 'Wertm��ller', fragt der andere, 'wem singen sie ein Requiem?'--'Ich wei? nicht' sag ich ungeduldig. 'Kleiner Wertm��ller', sagt er, 'stell dich einmal auf die Zehen und sieh, wer da vorn aufgebahrt liegt.'--Jetzt unterscheide ich deutlich in den Ecken des Bahrtuches den Namenszug und das Wappen des Jenatschen, und im gleichen Augenblicke wendet er, neben mir stehend, mir das Gesicht zu--fahl mit vergl��hten Augen. 'Donnerwetter, Oberst', sag ich, 'Ihr liegt dort vorn unter dem Tuche mit Euern sieben Todeswunden und f��hrt hier einen Diskurs mit mir! Seid Ihr doppelt? Ist das vern��nftig? Ist das logisch? Schert Euch in die H?lle, Sch?ker!' Da antwortete er niedergeschlagen: 'Du hast mir nichts vorzur��cken--mach dich nicht mausig. Auch du, Wertm��ller, bist tot.'"
Pfannenstiel ��berlief es kalt. Dieser Traum am Vorabende des ohne Zweifel blutigen Feldzuges, welcher dem General drau?en im Reiche bevorstand, schien ihm von ernster Vorbedeutung, und er sann auf ein Wort geistlicher Zusprache.
Auch Wertm��ller konnte seinen Traum, nachdem er ihn einmal mitgeteilt, nicht sogleich wieder loswerden. "Der Oberst wurde von seinem Liebchen mit der Axt wie ein Stier niedergeschlagen", erging er sich in lauten Gedanken, "mir wird es so gut nicht werden. Fallen--wohlan! Aber nicht in einem Bettwinkel krepieren!"
Vielleicht dachte er an Gift, denn er war am Hofe zu Wien in ein hartn?ckiges Intrigenspiel verwickelt und hatte sich dort durch seinen Ehrgeiz Todfeinde gemacht.
"Ehe ich meinen Koffer packe", fuhr er nach einer Pause fort, "m?chte ich wohl noch einen Menschen gl��cklich machen--"
Dem Kandidaten scho? das Wasser in die Augen, nicht in selbsts��chtigen Gedanken, sondern in uneigenn��tziger Freude ��ber diese sch?ne Regung; doch es trocknete schnell, als der General seinen Satz abschlo?: "--besonders wenn sich ein kr?ftiger Schabernack damit verbinden lie?e."
Das abergl?ubische Gef��hl, das den General angewandelt hatte, war rasch vor��bergegangen. "Was ist Euer Anliegen?" fragte er seinen Gast mit einer jener br��sken Wendungen, die ihm gel?ufig waren. "Ihr seid nicht hierhergekommen, um Euch meine Tr?ume erz?hlen zu lassen."
Nun berichtete Pfannenstiel dem Generale mit einer unschuldigen List, denn er wollte ihm seine Liebesverzweiflung, f��r die er ihm kein Organ zutraute, nicht verraten, wie ihn ��ber dem Studium der Odyssee ein unwiderstehliches Verlangen ergriffen, die Heimat Homers, die goldene Hellas kennenzulernen. Da er keinen andern Weg wisse, seine Wanderlust zu befriedigen, sei ihm der Gedanke gekommen, sich bei dem Herrn f��r die Feldkaplanei seiner venezianischen Kompanie zu melden, die ja in den griechischen Besitzungen der Republik stationiere. "Sie ist erledigt", schlo? er, "und wenn Ihr mir ein weniges gewogen seid, weiset Ihr mir die Stelle zu."
Wertm��ller blickte ihn scharf an. "Ich bin der letzte", sagte er, "der einem jungen Menschen eine gef?hrliche Karriere widerriete! Aber er mu? dazu qualifiziert sein. Euer Knochenger��ste, Freund, ist nicht fest genug gezimmert. Der erste beste relegierte Raufbold von Leipzig oder Jena wird meinen Kerlen mehr imponieren als Euer Johannesgesicht. Schlagt Euch das aus dem Kopfe. Wollt Ihr den S��den sehen, so sucht als Hofmeister Dienste bei einem jungen Kavalier und klopft ihm die Kleider! Doch auch das kann Euch nicht taugen. Das beste ist, Ihr bleibt zu Hause. Blickt aus! Z?hlt alle die Turmspitzen am See--das Kanaan der Pfarrer. Hier ist Euer Rhodus, hier tanzt--will sagen predigt!--Wozu sind die Geleise b��rgerlicher Berufsarten da, als da? Euresgleichen sie befahre? Ihr wi?t nicht, welcher Schenkelschlu? dazu geh?rt, um das Leben souver?n zu traktieren. Steht ab von Eurer Laune!", und er machte die Geb?rde, als griffe er einem Rosse in die Z��gel, das mit einem unvorsichtigen Knaben durchgegangen ist.
Es entstand eine Pause. Wieder warf der General dem Kandidaten einen beobachtenden Blick zu.
"Ihr seid ein lauterer Mensch", sagte er dann, "und es war Euer Ernst, Ihr w��rdet das griechische Abenteuer bestanden haben. Wie reimt sich das mit dem Pfannenstiel, den
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