Wand und ließ ihre Saiten
bald melodisch seufzen, bald jubeln, während ich den himmlischen
Namen Vasitthi in immer neuen Tönen wiederholte.
So fand mich denn auch Somadatta, als er mehrere Stunden später mit
dem Bild in der Hand wieder hereintrat.
"Die ballspielkundige Zerstörerin deiner Ruhe hat auch gedichtet,"
sagte er, "aber vielen Sinn finde ich eben nicht in ihren Versen
aufgespeichert, wenn auch die Schrift für ungewöhnlich hübsch gelten
darf."
Wirklich gewahrte ich--mit welchem Entzücken, vermag ich nicht zu
sagen--einen zweiten Vierzeiler, der mit Schriftzügen wie zarte
Blütenzweige auf das Brett gleichsam hingehaucht war. Somadatta
freilich hatte keinen Sinn darin finden können, denn das Ganze bezog
sich eben auf das, was er nicht bemerkt hatte, und zeigte mir, daß die
Holde meine Strophe in allen Richtungen--rückwärts, nach unten und
aufwärts--richtig gelesen hatte, was mir einen hohen Begriff von ihrer
Bildung und ihren Kenntnissen gab, wie denn auch ihr feiner Geist sich
in der anmutig scherzenden Wendung zeigte, mit welcher sie meine
feurige Erklärung als eine höfliche Galanterie hinnahm, der man nicht
allzu große Bedeutung beimessen dürfe.
Nun versuchte ich freilich auch dieselben Lesemethoden auf ihre
Strophe anzuwenden, in der Hoffnung, vielleicht doch ein verblümtes
Geständnis oder irgend eine geheime Botschaft, wohl gar die Einladung
zu einem Stelldichein darin zu finden; jedoch vergeblich. Ich sagte mir
denn auch sogleich, daß dies gerade ein Beweis der höchsten und
feinsten weiblichen Gesittung sei: die Liebliche zeigte mir, daß sie
wohl imstande sei, die Subtilität und die verwegenen Pfade des
männlichen Geistes zu verstehen, daß sie sich aber nicht verleiten lasse,
seinen Spuren zu folgen.
Über meine enttäuschte Erwartung wurde ich nun auch sofort durch die
Worte Somadattas getröstet.
"Aber diese Schönbrauige, wenn sie auch keine große Dichterin ist, hat
doch wahrlich ein gutes Herz. Sie weiß, daß ich schon seit langer Zeit
meine geliebte Medini, ihre Milchschwester, nicht gesehen habe, außer
in großer Gesellschaft, wo nur die Augen sprechen können, und auch
die nur verstohlen. Und so gibt sie uns Gelegenheit, uns in der
folgenden Nacht auf der Terrasse des väterlichen Palastes zu treffen.
Diese Nacht ist es leider nicht möglich, weil ihr Vater ein Gastmahl
gibt; so lange müssen wir uns also gedulden. Vielleicht hast du Lust,
mich bei diesem Abenteuer zu begleiten?"
Dabei lachte er ganz verschmitzt, und ich lachte ebenso und sicherte
ihm meine Begleitung zu. In der vortrefflichsten Laune nahmen wir das
Brettspiel, das an die Wand gelehnt war, und wollten uns durch diese
den Geist anregende Beschäftigung die Zeit verkürzen, als ein Diener
hereintrat und sagte, ein Fremder wünsche mich zu sprechen.
Ich ging in die Vorhalle und traf da den Bedienten des Gesandten, der
mir sagte, ich müsse mich zur Abreise fertig machen und mich schon in
dieser Nacht mit meinen Wagen im Hofe des Palastes einfinden, damit
man beim ersten Morgengrauen aufbrechen könne.
Meine Verzweiflung kannte keine Grenzen. Ich wähnte, ich müsse
unversehens irgend eine Gottheit beleidigt haben. Sobald ich meine
Gedanken einigermaßen sammeln konnte, stürzte ich zum Gesandten
und log ihm eine Menge vor von einem Geschäft, das noch nicht ganz
abgewickelt wäre und unmöglich in so kurzer Frist zum gedeihlichen
Abschluß gebracht werden könnte. Mit heißen Tränen beschwor ich ihn,
die Reise nur noch um einen Tag zu verschieben.
"Du sagtest mir doch schon vor acht Tagen, daß du fertig wärest,"
entgegnete er.
Ich aber versicherte ihm, daß sich nachher unverhofft noch eine
Aussicht auf einen bedeutenden Gewinn eröffnet hätte. Und das war
auch keine Unwahrheit, denn welcher Gewinn hatte für mich mehr zu
bedeuten, als die Eroberung dieses unvergleichlichen Mädchens?--Und
so gelang es mir denn endlich, ihm diesen einen Tag abzulisten.
Die Stunden des folgenden Tages vergingen schnell mit den nötigen
Reisevorbereitungen, so daß mir die Zeit, trotz meiner Sehnsucht, nicht
allzu lang wurde. Als der Abend hereinbrach, standen die Karren
beladen im Hof. Alles war zum Vorspannen bereit, um, sobald
ich--noch vor Morgengrauen--erschien, aufbrechen zu können.
VI. AUF DER TERRASSE DER SORGENLOSEN
Als es nun völlig Nacht geworden war, begaben wir, Somadatta und ich,
uns in dunkelfarbiger Kleidung, hoch aufgeschürzt, fest gegürtet und
das Schwert in der Hand, nach der Westseite des palastartigen Hauses
des reichen Goldschmiedes, wo sich die Terrasse über der steilen
Felswand einer Schlucht befand. Mit Hilfe einer mitgebrachten
Bambusstange erkletterten wir nun, die wenigen Vorsprünge geschickt
benutzend, die in tiefen Schatten gehüllte Felsenwand, überstiegen
dann mit Leichtigkeit die Mauer und befanden uns nun auf einer großen,
mit Palmen, Asokabäumen und prächtigen Blumenpflanzen aller Art
geschmückten Terrasse, die, in Mondlicht gebadet, sich vor uns
ausbreitete.
Nicht weit von mir entfernt sah ich die der Lakshmi ähnliche
Großäugige, die mit meinem Herzen Ball spielte, neben einem jungen
Mädchen auf einer Ruhebank sitzen, und bei diesem Anblick fing ich
an so heftig an allen Gliedern zu zittern, daß ich mich an die Brüstung
lehnen mußte, deren marmorne Kälte meine in Feuersglut schon
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.