Der Pilger Kamanita | Page 9

Karl Adolph Gjellerup

entschwindenden Sinne erfrischte und stärkte. Indessen war Somadatta
auf seine Geliebte zugeeilt, die mit einem leisen Ruf aufgesprungen
war.
Nun faßte ich mich denn auch so weit, daß ich mich der
Unvergleichlichen nähern konnte, die, anscheinend überrascht durch
die Ankunft eines Fremden, sich erhoben hatte und unschlüssig schien,
ob sie bleiben oder gehen sollte, während sich ihr Auge, wie das der
erschreckten jungen Antilope, wiederholt mit Seitenblicken aus dem

äußersten Augenwinkel auf mich richtete, wobei sie wie eine vom
leisen Winde geschaukelte Ranke bebte. Ich aber stand da in beständig
wachsender Verwirrung, mit gesträubten Wangenhaaren und weit
aufgeblühten Augen und konnte nur mühsam einige Worte von dem
unverhofften Glück, sie hier zu treffen, hervorstammeln. Als sie aber
meine große Zaghaftigkeit bemerkte, schien sie selber ruhiger zu
werden. Sie setzte sich wieder auf die Bank und lud mich mit einer
lässigen Bewegung ihrer Lotushand ein, neben ihr Platz zu nehmen,
während sie mit einer Stimme, die sehr leicht und gar lieblich zitterte,
mir versicherte, sie sei sehr glücklich über diese Gelegenheit, mir zu
danken, weil ich ihr den Ball mit solcher Geschicklichkeit
zurückgeworfen hätte, daß keine Störung im Spiel entstanden sei; denn
wäre das geschehen, so würde ihr ganzes Verdienst dahin gewesen sein,
und die von ihr ungeschickt verehrte Göttin hätte ihr gezürnt oder ihr
wenigstens kein Glück geschenkt. Darauf antwortete ich, sie habe mir
nicht zu danken, da ich höchstens das wieder gut gemacht hätte, was
ich selber verfehlt; und als sie nicht verstand, wie ich das meinte, wagte
ich sie daran zu erinnern, wie unsere Blicke sich begegnet hatten und
sie darob verwirrt den Ball schief traf, so daß er ihr davonflog. Sie aber
errötete heftig und wollte das durchaus nicht zugeben--was hätte sie
denn auch dabei verwirren können?
"Ich denke," antwortete ich, "daß meine weit aufgeblühten Augen
gleichsam einen solchen Duft von Bewunderung haben entströmen
lassen, daß du dadurch einen Augenblick betäubt wurdest und mit der
Hand daneben schlugst."
"Ei, was sprichst du mir da von Bewunderung," antwortete sie, "du bist
ja gewohnt, in deiner Heimat noch viel geschicktere Spielerinnen zu
sehen."
Aus dieser Äußerung entnahm ich mit Genugtuung, daß man sich über
mich unterhalten hatte, und daß meine an Somadatta gerichteten Worte
ihr getreulich mitgeteilt worden waren. Doch wurde mir auch heiß und
kalt bei dem Gedanken, daß ich ja fast geringschätzig über sie
gesprochen hatte, und ich beeilte mich, ihr zu versichern, daß daran
kein wahres Wort gewesen wäre, und daß ich nur so gesprochen hätte,

um nicht mein süßes Geheimnis dem Freunde preiszugeben. Das wollte
sie aber nicht glauben, oder tat wenigstens so; und darüber vergaß ich
dann glücklich meine ganze Schüchternheit, geriet in großen Eifer, um
sie zu überzeugen, und erzählte ihr, wie bei ihrem Anblick der
Liebesgott seine Blumenpfeile auf mich hatte regnen lassen. Ich sei
überzeugt, daß sie in einem früheren Leben meine Frau gewesen sei,
denn woher käme wohl sonst eine so plötzliche und unwiderstehliche
Liebe? Wenn dem aber so sei, dann müsse doch auch sie in mir ihren
ehemaligen Gemahl erkannt haben, und es müsse auch bei ihr eine
solche Liebe entstanden sein.
Mit solchen dreisten Worten drang ich ungestüm auf sie ein, bis sie
endlich ihre glühende, tränenperlende Wange an meiner Brust verbarg
und mir in kaum hörbaren Worten gestand, daß es ihr ebenso gegangen
sei wie mir, und daß sie gewiß gestorben wäre, wenn ihre
Milchschwester ihr nicht noch rechtzeitig das Bild gebracht hätte.
Dann küßten und herzten wir uns unzählige Male und meinten vor
Wonne vergehen zu müssen, bis plötzlich der Gedanke an meine
unmittelbar bevorstehende Abreise wie ein schwarzer Schatten über
meine Fröhlichkeit fiel und mir einen tiefen Seufzer erpreßte.
Erschrocken fragte Vasitthi, warum ich also seufzte. Als ich ihr aber
dann den Grund nannte, sank sie wie ohnmächtig auf die Bank zurück,
und brach in einen unerschöpflichen Tränenstrom und in
herzzerreißendes Schluchzen aus. Vergeblich waren meine Versuche,
die innig Geliebte zu trösten. Umsonst versicherte ich ihr, daß ich,
sobald die Regenzeit vorüber sei, zurückkehren und sie dann
nimmermehr verlassen wolle, wenn ich mich auch als Tagelöhner in
Kosambi verdingen müsse.--In den Wind gesprochen waren alle
Beteuerungen, daß meine Verzweiflung bei der Trennung nicht
geringer sei als die ihre, und daß nur die harte, unerbittliche
Notwendigkeit mich so bald von ihr wegrisse. Kaum daß sie unter
Schluchzen ein paar Worte hervorbringen konnte, um zu fragen, warum
es denn so notwendig sei, schon morgen, nachdem wir uns eben erst
gefunden hätten, abzureisen--und als ich ihr dies dann sehr genau und
umständlich erklärte, schien sie keine Silbe davon zu hören oder zu

verstehen. O, sie sähe schon, daß ich mich danach sehne, nach meiner
Vaterstadt zurückzukommen, wo es noch viel schönere Mädchen als sie
gäbe, die auch viel besser Ball spielen könnten, wie ich es ja selber
gesagt hätte!
Ich mochte sagen, beteuern und beschwören was ich wollte--sie blieb
dabei, und
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