von einst hat mich ja in der Tat durch
mehrere tödliche Gefahren bis auf den heutigen Tag gebracht und wird
wohl noch lange vorhalten.
Gerade jetzt aber entfloh ihr einer der Bälle, die ihr bisher so gehorsam
gewesen waren, und sprang in einem mächtigen Satze von der Bühne
herunter. Viele junge Leute eilten ihm nach; ich und ein junger, reich
gekleideter Mann erreichten ihn gleichzeitig und wir gerieten
aneinander, weil keiner ihn dem anderen gönnte. Durch mein genaues
Vertrautsein mit den Kniffen der Ringerkunst gelang es mir, ihm ein
Bein zu stellen; er aber ergriff, um mich zurückzuhalten, meine
kristallene Halskette, an der ich ein Amulett trug. Die Kette zerriß, er
stürzte zu Boden und ich erhaschte den Ball. Wütend sprang er auf und
schleuderte mir die Kette vor die Füße. Das Amulett war ein Tigerauge,
kein gerade sehr kostbarer Stein, aber dieser war ein unfehlbares Mittel
gegen den bösen Blick--und jetzt, als der seine mich traf, mußte ich ihn
gerade vermissen. Aber was kümmerte mich das? Hielt ich doch den
Ball, den ihre Lotushand soeben berührt hatte, in Händen, und als sehr
geschicktem Ballspieler gelang es mir, einen so genau berechneten
Wurf zu tun, daß der Ball gerade vor der einen Ecke der Bühne
aufschlug, um dann mit einem mäßigen Sprung gleichsam bezähmt in
den Bereich der schönen Spielerin zu gelangen, die keinen Augenblick
aufgehört hatte, den anderen Ball in Bewegung zu erhalten, und sich
nun wieder in ihren Goldkäfig einspann--unter großem Jubel der
zahlreichen Zuschauer.
Damit war denn nun die Ballspielverehrung der Lakshmi zu Ende, die
Mädchen verschwanden von der Bühne, und wir begaben uns auf den
Heimweg.
Unterwegs meinte mein Freund, es sei gut, daß ich nichts dort am Hofe
erreichen wollte, denn der junge Mann, dem ich den Ball abgejagt hätte,
sei kein geringerer als der Sohn des Ministers, und man habe es ihm
angesehen, daß er mir unversöhnlichen Haß geschworen habe. Das ließ
mich nun völlig kalt; wie viel lieber hätte ich erfahren, wer meine
Göttin war. Ich scheute mich aber, danach zu fragen, ja, als Somadatta
mich mit der Schönen necken wollte, tat ich sehr gleichgültig, lobte in
Kennerausdrücken ihre Fertigkeit im Spielen, fügte jedoch hinzu, daß
wir in meiner Heimatstadt wenigstens ebenso geschickte Spielerinnen
hätten--während ich in meinem Herzen der Unvergleichlichen diese
Lüge abbat.
Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß diese Nacht kein Schlaf in meine
Augen kam, die ich nur schloß, um immer wieder von der reizenden
Erscheinung umschwebt zu werden. Den nächsten Tag brachte ich in
einer von allem Tageslärm entfernten Ecke des Hausgartens zu, wo der
Sandboden unter einem Mangobaum meinem von Liebesglut
gepeinigten Körper Kühlung bot, die siebensaitige Vina als einzige
Gefährtin, der ich meine Sehnsucht anvertraute. Sobald aber die
abnehmende Tageshitze einen Ausflug erlaubte, überredete ich
Somadatta, mit mir nach dem Lustgarten zu fahren, obschon er es
vorgezogen hätte, einem Wachtelkampf beizuwohnen. Aber umsonst
durchirrte ich den ganzen Park--viele Mädchen waren da, überall ihr
Spiel treibend, als wollten sie mich mit falscher Hoffnung von einem
Ort zum anderen locken; aber jene einzige, Lakshmis Ebenbild, war
nicht darunter.
Nun tat ich, als ob ich eine unwiderstehliche Sehnsucht hätte, das
eigentümliche Leben an der Ganga wieder zu genießen. Wir besuchten
alle Ghâts und bestiegen schließlich eine Barke, um uns in die fröhliche
Flottille zu mischen, die jeden Abend auf den Wogen des heiligen
Stromes schaukelte, bis das Farbenspiel und der Goldglanz erloschen
und Lichter von Fackeln und Lampions auf dem Strome tanzten und
wirbelten.
Dann mußte ich endlich meine ebenso stumme wie stürmische
Hoffnung aufgeben und den Bootsführer anweisen, nach dem nächsten
Ghât zu steuern.
Nach einer schlaflosen Nacht blieb ich in meinem Zimmer, und um
meinen Geist, der doch nur von ihrem Bild erfüllt war, zu beschäftigen
und zu zerstreuen, bis ich wieder in den Lustgarten eilen konnte,
versuchte ich mittelst Pinsel und Farben ihre holde Erscheinung, wie
sie tanzenden Schrittes den Ball schlug, auf die Tafel zu bannen.
Keinen Bissen vermochte ich zu mir zu nehmen; denn wie der lieblich
singende Çakora nur von Mondstrahlen lebt, also lebte ich nur von den
Strahlen jener Mondgesichtigen, obgleich sie mich nur durch den Nebel
der Erinnerung erreichten; doch hoffte ich zuversichtlich, daß sie an
diesem Abend im Lustgarten mit ihrem vollen Glanz mich letzen und
beleben würden. Aber auch diesmal wurde ich enttäuscht. Nun wollte
Somadatta mich in ein Spielhaus mitnehmen, denn er war so versessen
auf das Würfelspiel wie Nala, nachdem der Dämon Kali in ihn gefahren
war. Ich schützte indessen Müdigkeit vor. Aber anstatt nach Hause zu
gehen, begab ich mich wieder nach den Ghâts und auf den Fluß
hinaus--leider nicht mit besserem Erfolg als am vorhergehenden
Abend.
V. DAS MAGISCHE BILDNIS
Da ich wußte, daß für mich doch nicht an Schlaf zu denken war, legte
ich mich an diesem Abend gar nicht zu Bett, sondern setzte mich
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