als eine der Menschen zu sehen vermeinte, wie denn überhaupt das
Gangatal mit seinem üppigen Reichtum uns Bergbewohnern wie das
Paradies vorkam. Und für mich sollte ja auch hier das Paradies auf
Erden sich zeigen.
Noch in derselben Nacht schlief ich unter dem wirtlichen Dache
Panadas, des Gastfreundes meines Vaters. Früh am folgenden Tage
eilte ich aber zum nächsten Ghât und stieg mit unbeschreiblichen
Gefühlen in die heiligen Wogen, um nicht nur den Reisestaub, sondern
auch meine Sünden abzuspülen. Diese waren infolge meiner Jugend ja
nur gering; ich füllte aber eine große Flasche mit dem Gangawasser,
um sie meinem Vater mitzubringen. Sie ist jedoch, wie du erfahren
wirst, leider nie in seinen Besitz gekommen.
Der edle Panada, ein Greis von ehrwürdigstem Aussehen, führte mich
nun nach den Kaufhallen, und durch seine freundliche Hilfe gelang es
mir, im Verlaufe der folgenden Tage meine Waren vorteilhaft zu
verkaufen und eine überreiche Menge von den bei uns sehr geschätzten
Produkten der nördlichen Ebene einzukaufen.
Dies mein Geschäft war glücklich zu Ende gebracht, bevor die
Gesandtschaft noch daran dachte, sich zur Abreise zu rüsten, was mich
keineswegs verdroß; denn ich hatte nun volle Freiheit, mir die Stadt
anzusehen und ihre Vergnügungen zu genießen, was ich in der
Gesellschaft Somadattas, des Sohnes meines Wirtes, in ausgiebigstem
Maße tat.
IV. DIE BALLSPIELERIN
An einem schönen Nachmittage begaben wir uns in einen öffentlichen
Garten vor der Stadt--eine gar prächtige Anlage unmittelbar am hohen
Ufer der Ganga mit schattigen Baumgruppen, großen Lotusteichen,
Marmorhäuschen und Jasminlauben, wo zu dieser Tageszeit immer ein
reges Treiben herrschte. Hier ließen wir uns in einer goldenen Schaukel
von der Dienerschaft schaukeln, während wir den herzerfreuenden
Tönen der liebestrunkenen Kokila und dem süßen Plaudern der grünen
Papageien lauschten. Da erhob sich plötzlich ein gar erheiterndes
Klingen von Fußspangen. Sofort sprang mein Freund aus der Schaukel
und rief:
"Sieh da! Gerade kommen die schönsten Mädchen von Kosambi,
auserlesene Jungfrauen aus den reichsten und vornehmsten Häusern,
um die Vindhya-bewohnende Göttin durch Ballspiel zu verehren. Du
kannst von Glück sagen, Gastfreund! denn bei diesem Spiel kann man
sie ungehindert sehen! Komm, wir wollen diese Gelegenheit nicht
versäumen."
Ich ließ mir dies natürlich nicht zweimal sagen, sondern folgte eiligst
meinem Freunde.
Auf einer großen, edelsteinbesetzten. Bühne erschienen sofort die
Mädchen, zum Spiele bereit. Wenn es nun schon eine seltene
Augenweide war, diese Schar von Schönheiten in ihrem Glanz von
schimmernder Seide, duftigen Musselinschleiern, Perlen, Edelsteinen
und Goldspangen zu sehen--was soll man dann erst von dem Spiele
selbst sagen, das diesen Schwellgliederigen die mannigfaltigste
Gelegenheit gab, ihre ganze Anmut in überaus reizenden Stellungen
und Bewegungen zu entfalten? Und doch war das nur gleichsam ein
Vorspiel. Denn als diese Gazellenäugigen uns eine geraume Zeit durch
die verschiedenartigsten Spiele ergötzt hatten, traten sie alle zurück,
und nur eine blieb in der Mitte der edelsteinbesetzten Bühne--und in
der Mitte meines Herzens stehen.
Ach, mein Freund, was soll ich sagen! Von ihrer Schönheit zu reden
wäre Verwegenheit! Denn ich müßte ein Dichter sein wie Bharata
selbst, um auch nur einen schwachen Abglanz davon deiner Phantasie
vorzuzaubern. Es sei genug, hervorzuheben, daß diese Mondgesichtige
von makelloser Gestalt und an allen Gliedern von frischer Jugend
umblüht war, daß sie mir als die leibliche Glücks- und Schönheitsgöttin
erschien, und daß alle meine Körperhärchen sich bei diesem Anblick
vor Entzücken sträubten. Und nun begann sie zu Ehren der Göttin,
deren Verkörperung sie schien, ein kunstreiches Spiel. Lässig warf sie
den Ball zu Boden, und als er dann langsam emporstieg, gab sie ihm
mit ihrer schößlinggleichen Hand, deren Daumen sie etwas krümmte
und deren zarte Finger sie ausstreckte, einen kräftigen Schlag, trieb
dann den aufsteigenden Ball mit dem Handrücken empor und fing ihn
beim Herabfallen in der Luft wieder auf. Sie warf ihn in langsamem, in
mittlerem und in raschem Tempo, bald ihn anfeuernd, bald ihn
besänftigend, schlug ihn abwechselnd mit der linken und mit der
rechten Hand, trieb ihn in jede Himmelsrichtung und wieder zurück.
Wenn du--wie's mir aus deinem verständnisvollen Blick scheinen
will--mit der Spielballwissenschaft vertraut bist, so brauche ich dir
nichts zu sagen, als daß du wohl niemals das Curnapada und das
Gitamarga so vollkommen ausgeführt gesehen haben wirst.
Dann aber machte sie etwas, was ich nie gesehen und wovon ich auch
nie gehört habe. Sie nahm nämlich zwei goldene Bälle, und während
ihre Füße zum Klange ihrer Schmuckjuwelen sich tanzend bewegten,
ließ sie diese Bälle so schnell in blitzartigen Linien springen, daß man
gleichsam nur die Goldstäbchen eines Käfigs sah, in dem ein
Wundervogel niedlich umherhüpfte. Dabei geschah es, daß unsere
Blicke sich plötzlich begegneten; und noch heute, o Fremder, verstehe
ich nicht, wie es zuging, daß ich nicht augenblicklich tot niedersank,
um in einem Wonnehimmel wiedergeboren zu werden. Aber es mag
wohl sein, daß meine Werke eines vorhergehenden Lebens, deren
Früchte ich in diesem genießen muß, noch nicht erschöpft waren; denn
dieser Rest meines Wandels
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