eine
solche Geschäftsreise als ein großes Wagnis gescheut wegen der vielen
Gefahren des Weges. Wer nun aber die Hin- und Herreise im Gefolge
dieser Gesandtschaft macht, für den ist gar keine Gefahr vorhanden.
Wohlan, mein Sohn, wir wollen auf den Lagerplatz gehen und uns die
zwölf Ochsenwagen und die Waren ansehen, die ich für deine Fahrt
bestimmt habe; du wirst für unsere Produkte Musselin aus Benares und
ausgesuchten Reis mit zurückbringen, und das wird, hoffe ich, ein
glorreicher Anfang deiner kaufmännischen Laufbahn sein; auch wirst
du Gelegenheit haben, fremde Länder mit anderer Natur und anderen
Sitten kennen zu lernen und unterwegs mit Hofleuten, Männern vom
höchsten Anstande und feinsten Betragen tagtäglich zu verkehren, was
ich für einen hohen Gewinn erachte; denn ein Kaufherr muß ein
Weltmann sein."
Ich dankte meinem Vater unter Freudentränen, und schon wenige Tage
danach nahm ich vom Elternhause Abschied.
Wie schlug mein Herz vor freudiger Erwartung, als ich inmitten dieses
prächtigen Zuges, an der Spitze meiner Karren, zum Stadttor hinauszog
und die weite Welt offen vor mir lag. Jeder Tag dieser Reise war mir
wie ein Fest, und wenn abends die Lagerfeuer flammten, um Tiger und
Panther zu verscheuchen, und ich im Kreise älterer und vornehmer
Männer an der Seite des Gesandten saß, dünkte ich mich vollends im
Märchenland.
Durch den herrlichen Waldbereich Vedisas und über die sanften
Höhenzüge des Vindhyagebirges erreichten wir die ungeheure
nördliche Ebene, wo eine ganz neue Welt sich mir eröffnete; denn ich
hätte nie gedacht, daß die Erde so flach und so groß sei. Und etwa
einen Monat nach unserer Abreise sahen wir an einem herrlichen
Abend, von einer palmengekrönten Anhöhe aus, zwei goldene Bänder,
die sich dem Dunstkreise des Horizontes entwanden, das unendliche
Grün durchzogen und sich allmählich einander näherten, bis sie sich zu
einem breiten Band vereinigten.
Eine Hand berührte meine Schulter.
Es war der Gesandte, der an mich herangetreten war.
"Da siehst du, Kamanita, die heilige Jamuna und die hochheilige Ganga,
die dort vor unseren Augen ihre Fluten vereinigen."
Unwillkürlich erhob ich anbetend meine Hände.
"Du tust recht, sie also zu grüßen," fuhr mein Beschützer fort. "Denn
wenn die Ganga von dem Göttersitz im nördlichen Schneegebirge
kommt und gleichsam aus der Ewigkeit flutet, so kommt die Jamuna
aus fernen Heldenzeiten, und ihre Fluten haben die Trümmer der
Ilfenstadt[1] gespiegelt und jene Ebene bespült, wo die Panduinge und
die Kuruinge um die Herrschaft rangen, wo Karna in seinem Zelte
grollte, wo Krishna selber die Rosse Arjunas lenkte--doch ich brauche
dich ja nicht daran zu erinnern, da du in den alten Heldenliedern wohl
bewandert bist. Oft habe ich drüben auf jener spitzen Landzunge
gestanden und gesehen, wie die blauen Wogen der Jamuna neben den
gelben der Ganga dahinflossen, ohne sich mit ihnen zu vermischen, so
wie die Kriegerkaste neben der Brahmanenkaste unvermischt besteht.
Dann kam es mir vor, als ob ich mit dem Rauschen dieser blauen
Fluten auch kriegerische Klänge vernähme, Waffengetöse und
Hörnerrufe, Wiehern von Rossen und Trompeten der Kampfilfen, und
mein Herz schlug höher, denn auch meine Ahnen waren ja dabei
gewesen und der Sand Kurukschetras hatte ihr Heldenblut getrunken."
[1] Hastinapura = Elefantenstadt. Das Wort "Ilf" hat Adolph Holtzmann
geprägt ("Indische Sagen" XXIX).
Voll Bewunderung blickte ich zu diesem Manne aus der Kriegerkaste
empor, in dessen Familie solche Erinnerungen lebten.
Er aber faßte mich an der Hand.
"Komm, mein Sohn, und begrüße das Ziel deiner ersten Reise."
Und er führte mich nur wenige Schritte um ein dichtes Gebüsch herum,
das bis jetzt die Aussicht nach Osten verdeckt hatte.
Als diese sich nun plötzlich öffnete, stieß ich unwillkürlich einen
Schrei der Bewunderung aus.
Dort--an einer Biegung der breiten Ganga--lag eine große Stadt:
Kosambi.
Mit ihren Mauern und Türmen, ihrer aufsteigenden Häusermasse, ihren
Terrassen, ihren Quais und Ghâts[1] sah sie, von der untergehenden
Sonne beleuchtet, wahrlich aus, als wäre sie ganz und gar aus rotem
Gold gebaut--so wie es ja Benares war, bis die Sünden der Einwohner
es in Stein und Mörtel verwandelten;--die wirklich goldenen Kuppeln
aber glänzten wie ebensoviele Sonnen. Oben von den Tempelhöfen
stiegen dunkle, rotbraune Rauchsäulen, von den
Leichenverbrennungsstätten am Ufer solche von hellblauer Farbe,
kerzengerade in die Höhe, und, gleichsam von ihnen getragen,
schwebte baldachinartig über dem Ganzen ein Schleier wie aus den
zartesten Perlmuttertönen gewoben, während dahinter alle Farben, die
da brennen und leuchten können, über den Himmel ausgegossen
durcheinander glühten. Auf dem heiligen Strom, der diesen Glanz
widerspiegelte, schaukelten unzählige Boote mit bunten Segeln und
Wimpeln, und trotz der Entfernung sah man, wie die breiten Treppen
der Ghâts von Leuten wimmelten, während viele schon unten in den
glitzernden Wellen plätscherten. Ein fröhliches Geräusch, wie das
Summen eines Bienenkorbes, drang von Zeit zu Zeit zu uns herauf.
[1] Landungsplatz mit prachtvollen Freitreppen für
Badende--gewöhnlich von Vorsprüngen und Kiosken unterbrochen und
durch einen monumentalen Torbau abgeschlossen.
Du kannst dir denken, daß ich eher eine Stadt der dreiunddreißig Götter
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