Der Mann im Nebel - Roman | Page 5

Gustav Falke
diesen leuchtenden, flimmernden, lautlosen Schmetterlingsspielen zu. Es unterhielt ihn, belustigte ihn, wie sich Schmetterlinge und Bienen die s��ssen Tropfen streitig machten. Es war ein ?hnliches Behagen, wie das, womit er zusah, wenn sich zwei Jungen balgten. Wer ist der st?rkere? Ha! Bravo! Der sitzt! Recht so, zeig's ihm!
So stand er und sah l?chelnd in diese Fl��gelschlacht.
Es war ein best?ndiges Kommen und Fliehen und das Gezitter und Gef?chel aller dieser weissen Fl��gel ��ber den weissen Bl��ten in der hellen weissen Sonne blendete ihn zuletzt.
Es war ganz still. Man h?rte nichts als das anheimelnde Summen der Bienen. Hin und wieder das Ger?usch knackender Zweige, wenn ein Tannenzapfen zu Boden fiel, oder ein Taubengurren, und von den entfernten Weiden her das ged?mpfte Br��llen der Rinder.

5.
Am Lohteich traf Randers auf Claus Mumm, den Holzf?ller.
Der Lohteich war ein kleiner Waldsee, ganz von hohen Buchen umgeben, deren weit��berh?ngende Zweige sich nach den weissen Wasserrosen zu sehnen schienen, die in ihrem Schatten auf dem stillen Wasserspiegel schwammen. Im Schilfg��rtel standen ein paar hohe gelbe Schwertlilien, leuchtend in dem saftigen Gr��n um sie her.
Randers k?mpfte mit der Lust eine besonders pr?chtige Lilie zu pfl��cken, als Claus Mumm heranschl��rfte und seine Aufmerksamkeit ablenkte.
Der Alte ging geb��ckt unter einer Last d��rren Zweigholzes und gest��tzt auf einem derben Kn��ppel, den er irgendwo aufgelesen haben mochte. Er r��ckte mit der Hand etwas an seiner grauen Wollm��tze und sah mit scheuem Blick aus den kleinen, tr��ben, rotumr?nderten Augen zu Randers auf. Ein stummer unterw��rfiger Gruss, in dem viel Druck lag. Der Alte seufzte unter mehr als unter der Last des seinem m��rben R��cken aufgeladenen Holzes.
"Dag Mumm, wo geit?"
Der Alte blieb stehen.
"Na, woans is dat? hebben Se noch nix h��rt?"
"Ne Herr! He sitt ja nu erst."
Er sah kaum auf beim Sprechen, seine Stimme klang engbr��stig, pfeifend. Eine traurige, gedr��ckte Stimme, die zu den scheuen, traurigen, kranken Augen passte.
"Hebben Se denn Hoffnung?" fragte Randers
Ein kurzer Aufblick der m��den Augen war die ganze Antwort. Dann setzten sich die alten Beine in schl��rfende Bewegung. Es lag etwas Hoffnungsloses in diesem stummen Abbrechen.
"Adj��s Mumm," rief Randers ihm nach. "Laten Se man den Mood nicht sinken."
Petersen, der Lehrer, hatte ihm von dem Alten erz?hlt, dessen einziger Sohn wegen Mordes in Untersuchungshaft sass. Es war nur eine halbe Erz?hlung geworden, durch Dazwischenkunft anderer gest?rt. Nachher waren sie nicht wieder darauf zur��ckgekommen. Jetzt war Randersens Neugier durch diese Begegnung wieder rege geworden. Den Alten selbst hatte er nicht ausfragen m?gen.
Es war ein M?dchenmord, an der eigenen Geliebten begangen, die unverst?ndliche Tat eines ��berall beliebten, unbescholtenen Burschen. Ein R?tsel. Um eine ?ltere Verpflichtung gegen eine andere, die ein Kind von ihm trug, erf��llen zu k?nnen, hatte er den Mord begangen. Warum t?tete er nicht die ungeliebte, unbequeme Mahnerin?
Randers dachte sich in die Seele dieses einfachen Knechtes hinein. Der Fall interessierte ihn. Es war etwas f��r seinen psychologischen Sp��rsinn. Und nun kombinierte er sich so eine Bauernpsyche nach seinem Bilde, und es lag ihm alles so klar auf der Hand, und er wollte eine Novelle daraus machen, er oder Gerd Gerdsen. So eine moderne Bauernnovelle f��r die Feinschmecker.
Er lachte bitter auf bei dem Gedanken. Da wollte er mal wieder etwas. Was wollte er nicht alles. Er w��rde auch diesmal nicht ��ber den Plan hinauskommen, er der grosse Woller und Nichtsk?nner. Aber einerlei, vielleicht gl��ckte es diesmal. Hier war ein bestimmter Fall, hier lagen Tatsachen vor, Dokumente. Petersen musste noch mal heran. Der erz?hlte so nett umst?ndlich, mit allem Drum und Dran, was einen andern zur Verzweiflung bringen musste, aber f��r den Psychologen gerade das rechte war, weil es ihm F?den in die Hand gab.
Auf h��geligen Wegen hatte Randers allm?hlich auch den Hochwald durchquert. Der schmale Waldstieg m��ndete durch einen Wallausschnitt in einen sanftabfallenden Landweg. Reifender Roggen dehnte sich weit aus, ein gelbes, unbewegtes Feld, dahinter ein Schlag noch graugr��nen Hafers, dann, aus einer Talmulde heraus, Strohd?cher, ein ganzes Dorf. Ganz hinten Wald, lang ausgestreckt.
Randers erkletterte den buschigen Wall, um besser Rundschau halten zu k?nnen.
"Ob man weiter geht?" sagte er laut.
Eine heisse Luft lag ��ber den Feldern, ein flimmernder Dunst. Der Himmel spannte sich wolkenlos dar��ber.
Randers stand regungslos und sah in die sonnige Landschaft hinein, wie hypnotisiert von dem Meer von Licht da draussen.
"Die Sonne bei der Arbeit," sprach er halblaut. "Die Sonne beim Brutgesch?ft. Diese grosse Muttert?tigkeit." Es lag ein leiser Widerwille im Ton.
"Diese ewige Zeugung, dieses unendliche Geb?ren. Sinnlos, zwecklos. Wozu? Diese ekelhafte Geilheit der Natur."
Nein, er wollte da nicht hinein in diese Bruthitze. Er wollte zur��ck in den Wald. Da draussen war ein Schweissduft ��ber der ��ppigen Kornlandschaft. M��hseliges Sichabrackern ums t?gliche Brot.
Im Wald roch er wenigstens den Menschen nicht.
Er wandte sich ab und sprang mit geschlossenen Beinen, etwas steif von dem Wall herunter, dass das trockene Bodenlaub unter seinen F��ssen aufraschelte und die d��rren Zweigabf?lle knackten.
Er ging ziellos durchs Unterholz und traf auf einen Himbeerstand.
Er erinnerte sich, dass Schullehrers Christine
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