ja alle kaputt," schalt sie.
Dann liess sie sich ungeniert vor ihm aufs Knie nieder und hielt ihm
den Topf bequem, leicht schüttelnd, dass ihm die losen Beeren in die
geöffneten Hände rollten.
"Noch'n paar," drängte sie, aber er wollte nicht mehr.
"Nun setz dich erst mal'n bisschen hierher," sagte er.
Sie war gerade aufgestanden und sah ihn etwas verschämt an. Aber sie
lachte dabei, und ihre Augen verrieten, dass sie wohl Lust hätte. Er
rückte ein wenig beiseite, und diese stumme Aufforderung genügte. Sie
setzte sich zu ihm in schrittweiter Entfernung, fing auch frischweg an
zu plaudern, kindlich ungeniert: wie heiss es heute wäre, und ob er
schon lange hier läge, und ob er über den Fuchsberg gekommen wäre
oder am Lohteich längs.
Als sie den Fuchsberg nannte, wollte er fragen, wo der sei, er hatte ihn
neulich vergeblich gesucht. Aber die Erwähnung des Lohteichs brachte
ihn wieder davon ab und auf den alten Mumm.
"Sag mal," fragte er, "was ist das eigentlich mit dem Mumm für eine
Mordgeschichte?"
"Nicht wahr, wie schrecklich?" sagte sie.
"Der hat seine Braut ermordet, was?"
"Ja, die eine."
"Die eine?" fragte er.
Er musste lachen.
"Hat er denn mehr gehabt?"
Sie wurde ganz rot, halb aus Verlegenheit, weil sie aus seinem Lachen
entnahm, dass sie wohl eine Dummheit gesagt hatte, halb aus Scham,
der Sache wegen.
"Ist das hier passiert, in diesem Holz?" fragte er.
"Etwas weiter längs."
Sie zeigte mit der Hand nach links:
"Im Schreiberholz; wissen Sie?"
Er wusste.
"Ob sie ihm nun wohl was tun?" meinte sie.
"Wenn er es getan hat."
"Möchten Sie das wohl sehen?"
"Möchtest du das?"
Sie besann sich einen Augenblick, während ihre Augen sich
vergrösserten.
"Gitt e gitt," rief sie affektiert und wandte sich wie vor etwas
Entsetzlichem ab. Aber ihre Augen straften sie Lügen. Er merkte es
wohl. Aber das "Gitt e gitt" kam so komisch heraus, dass er lachen
musste.
Sie lachte ganz lustig mit, aus Lust am Lachen. Das war ihm gerade
recht. Was sprach er auch mit ihr von Mord und Hinrichtung. War das
eine Unterhaltung für sie?
Er wälzte sich mit einer Schwenkung näher und lag jetzt auf dem
Bauche, die Ellenbogen aufgestützt und, die Hände gefaltet.
Sie hatte einen Himbeerfleck auf der Schürze, und er machte sie darauf
aufmerksam.
Sie verzog den Mund etwas.
"Das macht nichts."
"Und genascht hast du auch," fuhr er fort. "Da sieht man's."
Er zeigte mit dem Finger nach einem Fruchtfleck auf ihrer linken
Backe. Sie bog sich zurück und schlug nach seiner Hand.
"Wo?" fragte sie und machte einen vergeblichen Schielversuch nach
dem Fleck. Er tupfte nochmal mit dem Finger nach ihrem Gesicht, und
da sie es nicht dulden wollte, fing er ihre Hände ein, hielt sie mit einer
Hand umklammert, richtete sich halb auf und berührte etwas unsanft
mit dem Zeigefinger die Stelle auf ihrer runden, weichen Wange.
Sie kreischte auf und rang mit ihm.
"Du Racker."
Er hatte wirklich Mühe sie zu halten. Er lag auf den Knieen vor ihr.
Auf einmal riss er sie fest an sich und küsste sie.
Sie schrie auf und schnellte zurück, als er sie los liess. Sie war mehr
erschrocken als gekränkt, und sah mit einem etwas dümmlichen Lachen
auf ihre Schürze.
Ihre Schulmädchenhaftigkeit machte ihn vor sich selbst lächerlich. Wie
kam er dazu, dieses Kind zu küssen. Er fühlte das Bedürfnis, sich vor
sich selbst zu entschuldigen.
"Siehst du, das ist die Strafe," sagte er aufstehend.
"Wofür?" fragte sie patzig.
"Für das Naschen."
"Ach Sie!"
Sie machte eine eigensinnige Schulterbewegung und rieb mit dem
Schürzenzipfel, den sie unbedenklich mit der Zunge befeuchtete, den
Fruchtflecken auf ihrer Backe.
"Na, adieu Kind," sagte er und reichte ihr die Hand. "Nun pflück auch
fleissig."
"Wollen Sie schon gehen?"
Er sah in ihren Blicken, dass sie gerne gesehen hätte, wenn er noch bei
ihr bliebe. Aber er nickte ihr freundlich zu und ging.
Verdutzt sah sie ihm nach. Enttäuschung malte sich auf dem hübschen
Kindergesicht, Unmut und Übellaunigkeit. Und die Spitze des rechten
Daumens zwischen die festen weissen Zähne geklemmt, stand sie noch
eine ganze Weile fast regungslos und sah mit grossen Augen in die
Richtung, wo er verschwand.
7.
Mutter Petersen stand vor der Haustür und trieb Randers mit
Händeklatschen zur Eile an. Er hatte sich verspätet, sie warteten schon
auf ihn, die Suppe stand auf dem Tisch.
Während des Tischgebetes, das jeder leise vor sich hinsprach, sah er in
seinen Teller. Er hatte schon lange kein Tischgebet mehr gesprochen.
Es war ihm schon im Elternhause, wo es die Reihe herumging, zu einer
leeren Form geworden.
"Liebster Jesu! sei unser Gast Und segne, was du bescheret hast
Amen!"
Gesegnete Mahlzeit! Auch so eine Redensart.
Später war es ihm geradezu gegen den Geschmack. Es war ihm
würdelos, unanständig, der unpassendste Augenblick, Gottes Wort oder
nur seinen Namen in den Mund
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