sah, wenn er den süßgewölbten
Mund betrachtete, da dachte er: Nein, dir traue dieser und jener, aber
ich nicht! Weiß ich doch von früher her, wie du gerne Flausen machst
und dem guten, ehrlichen Berner gerne ein X für ein U unterschiebst.
Jetzt willst du dein Schach verdeckt spielen und mir irgendeinen blauen
Dunst vorschwefeln, und das Herzchen ist am Ende doch in der
Residenz geblieben, und Fräulein Stahlherz ist nur darum so spröde
gegen die Freilinger Stadtkinder. Aber basta! der Hofrat Berner hat
auch gelebt und geliebt und wettet seinen Kopf: dieses Auge weiß, was
Liebe ist, diese frischen Purpurlippen haben schon geküßt, aber anders
als nur solche Hofratsküsse!
Der gute Alte äußerte etwas von diesen Gedanken gegen Ida; sie aber
sah ihm ganz ruhig ins Gesicht und versicherte lächelnd: gefallen habe
ihr schon mancher, geliebt habe sie aber bis diese Stunde noch keinen
Mann als ihren Vater und ihn.
* * * * *
SCHÖNE AUGEN.
"Aber sagen Sie, Idchen," fragte der Hofrat, als er sie wieder an ihren
Platz geführt hatte, "ist das etwa ein Cousin oder dergleichen, der da
mit Ihnen kam?"
"Ich kam mit Papa," antwortete die Gefragte, "und sonst war niemand
dabei. Wen meinen Sie denn?"
"Nun, der Bleiche dort kam ja doch wohl mit Ihnen; es kennt ihn
niemand im Saal, und mit Ihnen trat er herein, sonst müßte er ja--Sie
wissen, daß das Museum geschlossene Gesellschaft ist--sonst müßte er
ja eingeführt sein. Sehen Sie, der dort!" Er zeigte hin. An eine Säule
gelehnt, stand unbeweglich mit übergeschlagenen Armen eine schlanke
Gestalt. Noch konnte Ida das Gesicht nicht sehen, nur die glänzenden
schwarzen Locken des Haares fielen ihr auf; sie wollte sich eben
besinnen, wo sie schon solche gesehen habe, da wandte jener sich um,
und unwillkürlich schrak Ida zusammen. Gespensterhafte Blässe lag
auf diesem feinen, schönen Gesicht, geheimer Gram oder
verschlossenes Kämpfen mit finsterem Leiden schien das muntere,
jugendliche Leben aus diesen tiefen, im schönsten Ebenmaß geformten
Zügen hinweggewischt zu haben, und ein gemischtes Gefühl drängte
sich bei seinem Anblick auf, neugieriges Mitleid schien sich mit
zweifelhafter Furcht streiten zu wollen.
Kaum hatte des Fremden glühendschwarzes Auge Ida getroffen, als sie
ihren Blick abwandte. Überraschung und Verlegenheit machten sie
stumm auf einige Augenblicke; von dem Diadem auf der schönen
Stirne, über den Liliensamt der blühenden Wange bis herab auf den
jungfräulichen Alabasterbusen flog ein brennendes Rot, das der Hofrat
nicht unbemerkt ließ. Er wollte sie eben mit dem pfiffigsten Gesicht
nach der Ursache ihres Rotwerdens fragen; aber eine Unzahl Herren
drängte sich zu, um sie um einen Tanz zu bitten; Vettern und Basen
freuten sich, sie wiederzusehen, und gafften das Wunderkind an. Der
Hofrat aber, welchem daran lag, die Spur, die er aufgefunden zu haben
meinte, zu verfolgen, machte seine Bewegungen wie ein geübter
Feldherr; er fragte sie so laut als möglich, ob es ihr jetzt, wie sie
gewünscht, gefällig sei, zu ihrem Herrn Vater zu gehen, der im dritten
Zimmer sich zu einem Whistchen gesetzt habe, und Pfiffköpfchen
verstand gleich, wo der gute Alte hinaus wollte; sie beurlaubte sich also
mit großer Hast von dem ungeheuern Kometenschweif, in welchem sie
als Kern gesessen, und ging mit Berner durch den Saal.
Und jetzt nahm sie Berner ins Gebet; zuerst setzte er die
Daumenschrauben des Spottes an, dann untersuchte er die
vermeintliche Herzenswunde seines Gold-Idchens mit der langen
Sonde des väterlichen Ernstes, indem er ihr vorwarf, sehr unklug getan
zu haben, ihre Residenzliebhaber mit nach Freilingen zu nehmen. Sie
aber lachte dem Ratgeber, welcher meinte, seine Sache recht gut
gemacht und sie ganz im Netz zu haben, ins Gesicht und witschte ihm
aus.
"Sie geben sich vergeblich Mühe, Hofrätchen," kicherte das lose Ding,
"ganz vergebliche Mühe; ich habe diesen Menschen in meinem ganzen
Leben, auf Ehre, noch nie gesprochen; doch gesehen"--setzte sie ernster
werdend hinzu--"gesehen habe ich ihn, und deswegen kam ich auch
vorhin etwas in Verlegenheit."
"Was da! Zwischen sehen und sehen ist ein großer Unterschied",
antwortete Berner mit einem völlig ungläubigen Kopfschütteln. "Da
müssen Sie ihm doch ein wenig gar scharf in die Augen gesehen
haben?"
"So hören Sie mich doch, Sie böser Mann!" unterbrach ihn Ida. "Wer
wird denn auch gleich auf den Schein hin verdammen? Ich sage noch
einmal, ich weiß nicht, wer er ist; aber das innigste Mitleid habe ich mit
ihm. Als wir gestern durch den Lanzinger Wald kamen, fuhren wir
einer Equipage vor, die ganz langsam im Schritt hinging. Es war ein
prachtvoller Landau mit einem großen Bock, worauf ein alter Diener in
reicher Livree saß; am Wagen zogen vier Postpferde; das Dach war
zurückgeschlagen, und es saß niemand darin als ein großer Hund. Sie
wissen, wie man auf der Reise ist, man interessiert sich um die
Mitreisenden, besonders wenn man glaubt, auf einerlei Station mit
ihnen zu wohnen oder zu speisen. So dachte ich mir jetzt,
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