Der Mann des Schicksals | Page 7

George Bernard Shaw
T��re; da ?ffnet sich diese vor seiner Nase, und die fremde Dame tritt ein. Sie ist eine sehr anziehende Erscheinung, gro? und ungew?hnlich grazi?s, mit einem zart intelligenten, empfindsamen, fragenden Gesicht. Auffassungskraft liegt auf ihrer Stirn, Empfindlichkeit in ihren Nasenfl��geln, Charakter in ihrem Kinn: im ganzen sieht sie scharfsinnig, vornehm und originell aus. Sie ist sehr weiblich, aber durchaus nicht schwach. Die geschmeidige, schlanke Gestalt ist kr?ftig gebaut, die H?nde und F��?e, Hals und Schultern sind keine zerbrechlichen Schmuckst��cke, sondern stehen im richtigen Gr??enverh?ltnis zu der ganzen Gestalt, die die Napoleons und des Wirtes betr?chtlich ��berragt und der des Leutnants vollkommen gleichkommt; ihre Eleganz und ihr strahlender Reiz verdecken indessen ihre Gr??e und Kraft. Nach ihrem Kleide zu schlie?en, ist sie keine Bewunderin der neuesten Mode des Direktoriums, oder sie vertr?gt vielleicht auf der Reise ihre alten Kleider, jedenfalls tr?gt sie keine Jacke mit auffallenden Aufschl?gen, kein nachgemacht griechisches Unterkleid �� la Madame Tallien,--nichts, wahrhaftig nichts, das die Prinzessin von Lamballe nicht h?tte tragen k?nnen. Ihr Kleid von gebl��mter Seide mit langer Taille ist am R��cken mit einer Watteaufalte versehen, aber die Puffen sind, da sie f��r diese zu gro? ist, zu blo?en Rudimenten verk��rzt. Es ist im Nacken ein wenig ausgeschnitten und dort mit einem cremefarbenen Fichu geschm��ckt. Sie ist von heller Hautfarbe und hat goldbraune Haare und graue Augen. Sie tritt mit der Selbstsicherheit einer Frau ein, die an die Vorrechte von Rang und Sch?nheit gew?hnt ist. Der Wirt, der von Natur sehr gute Manieren hat, ist von ihr h?chst eingenommen. Napoleon, auf den ihre Augen zuerst fallen, wird sofort verlegen. Sein Gesicht r?tet sich, er wird steifer und f��hlt sich unsicherer als zuvor. Sie bemerkt dies augenblicklich, und, um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen, wendet sie sich mit einer unendlich wohlerzogenen Art--um auch ihm die Ehre eines Blickes zu gew?hren--zu dem andern Herrn, der mit Gef��hlen, die ganz unaussprechlich und unbeschreiblich sind, auf ihr Kleid starrt, als ob es der Erde erstes Meisterwerk an Verr?terei und Verstellung w?re. Als sie ihn erkennt, wird sie totenbla?; ihr Ausdruck kann nicht mi?verstanden werden. Die Erkenntnis irgendeines schrecklichen, g?nzlich unerwarteten Irrtums hat sie j?h erschreckt, inmitten ihrer ruhigen Sicherheit und Siegesgewi?heit. Im n?chsten Augenblick steigt eine Blutwelle unter dem cremefarbenen Fichu auf und ergie?t sich ��ber ihr ganzes Gesicht. Man sieht, da? sie am ganzen Leibe err?tet. Selbst der Leutnant, der f��r gew?hnlich ganz unf?hig ist, zu beobachten, und eben im Aufruhr seiner Wut ganz den Kopf verloren hat, kann etwas bemerken, wenn man es ihm rot anstreicht. Da er das Err?ten als das unfreiwillige Eingest?ndnis schwarzer, mit ihrem Opfer konfrontierter Verr?terei auslegt, zeigt er mit einem lauten Schrei vergeltenden Triumphes auf sie--dann ergreift er die Dame am Handgelenk, zieht sie hinter sich her in das Zimmer, schl?gt die T��re zu und pflanzt sich mit dem R��cken davor auf.)
(Leutnant.) Habe ich dich erwischt, Bursche! Du hast dich also verkleidet--was? (Mit Donnerstimme:) Zieh diesen Rock aus!
(Giuseppe Verwahrung einlegend:) Aber, Herr Leutnant!
(Dame erschrocken, aber h?chst entr��stet, da? er es gewagt hat, sie anzur��hren:) Meine Herren, ich wende mich an Sie! Giuseppe! (Macht eine Bewegung, als ob sie zu Giuseppe laufen wollte.)
(Leutnant stellt sich dazwischen, den Degen in der Faust:) Nicht von der Stelle!
(Dame zu Napoleon fl��chtend:) O Herr, Sie sind Offizier--General--Sie werden mich besch��tzen--nicht wahr?
(Leutnant.) K��mmern Sie sich nicht um ihn, Herr General. ��berlassen Sie ihn mir.
(Napoleon.) Ihn? Wen, Mensch? Warum behandeln Sie diese Dame in solcher Weise?
(Leutnant.) Dame?... Er ist ein Mann--der Mann, dem ich mein Vertrauen geschenkt habe! (Geht drohend vor:) Hierher--du--
(Dame l?uft hinter Napoleon und umklammert in ihrer Aufregung seinen Arm, den er instinktiv vor ihr ausstreckt, um sie zu sch��tzen:) Oh, ich danke Ihnen, Herr General! Halten Sie ihn fern!
(Napoleon.) Unsinn! Das ist ganz bestimmt eine Frau! (Sie l??t seinen Arm pl?tzlich los und err?tet wieder:) Und Sie sind im Arrest! Legen Sie augenblicklich Ihren Degen nieder, Herr Leutnant!
(Leutnant.) Herr General, ich sage Ihnen, er ist ein ?sterreichischer Spion! Heute nachmittag hat er sich mir gegen��ber aufgespielt, als geh?rte er zum Stabe General Massenas--und nun spielt er sich Ihnen gegen��ber als Frau auf. Darf ich meinen eigenen Augen glauben oder nicht?
(Dame.) Herr General--das mu? mein Bruder gewesen sein--der ist beim Stabe General Massenas und sieht mir sehr ?hnlich.
(Leutnant den Verstand verlierend:) Wollen Sie damit sagen, da? Sie nicht Ihr Bruder, sondern Ihre Schwester sind... die Schwester, die mir so ?hnlich sieht... die meine sch?nen blauen Augen hat? Es war eine L��ge,--Ihre Augen sind nicht wie die meinen--sie sind genau wie Ihre eigenen! Welche Perfidie!
(Napoleon.) Herr Leutnant, wollen Sie meinen Befehlen gehorchen und dieses Zimmer verlassen, da Sie endlich ��berzeugt sind, da? diese Dame kein Mann ist?
(Leutnant.) Kein Mann, das will ich meinen! Ein Mann w��rde mein Vertrauen nie so get?uscht haben--
(Napoleon am Ende seiner Geduld:) Genug, Mensch, genug! Verlassen Sie dieses Zimmer! Ich befehle Ihnen, dieses Zimmer
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