Der Mann des Schicksals | Page 6

George Bernard Shaw
hat gesagt, da? meine Augen ihn an die Augen seiner Schwester erinnerten--war das nichts? Er hat geweint--wirkliche Tr?nen--��ber die Geschichte meiner Trennung von Angelica--war das nichts?! Er hat beide Flaschen Wein bezahlt, obwohl er selbst nur Brot und Trauben gegessen hatte--vielleicht nennen Sie das auch nichts! Er hat mir seine Pistolen und sein Pferd und seine Depeschen gegeben--?u?erst wichtige Depeschen--und hat mich damit fortgehen lassen--(triumphierend, da er sieht, da? er Napoleon in sprachloses Erstaunen versetzt hat:) war das nichts?!
(Napoleon schwach vor Erstaunen:) Warum hat er das getan?
(Leutnant als ob der Grund ganz klar w?re:) Um mir sein Vertrauen zu beweisen. (Napoleons Kiefer f?llt nicht gerade herunter, aber seine Gelenkb?nder werden schlaff. Der Leutnant f?hrt mit ehrlicher Entr��stung fort:) Und ich habe sein Vertrauen auch verdient: ich habe ihm alles ehrlich zur��ckgegeben. Aber w��rden Sie es glauben, Herr General,--als ich ihm meine Pistolen und mein Pferd and meine Depeschen anvertraut hatte...
(Napoleon w��tend:) Warum, zum Teufel, haben Sie das getan?
(Leutnant.) Warum?... Um ihm auch meinerseits mein Vertrauen zu beweisen, nat��rlich. Und er hat mich betrogen, ausgen��tzt, ist nicht wiedergekommen--der Dieb--der Schwindler--der herzlose, verr?terische, kleine Schuft! Und das--das nennen Sie wahrscheinlich "nichts zugesto?en"! Aber sehen Sie, Herr General--(h?lt sich wieder mit der Faust am Tische, um mit gr??erer Emphase zu sprechen.) Sie m?gen diesen Schimpf von den ?sterreichern hinnehmen, wenn Sie wollen; aber was mich pers?nlich anbelangt--ich sage Ihnen, wenn ich ihn jemals erwische--
(Napoleon wendet sich angewidert auf dem Absatz herum, um seine Wanderung wieder aufzunehmen:) Ja, ja, das haben Sie schon oft genug gesagt.
(Leutnant ?u?erst erregt:) Oft genug?... Ich werde es hundertmal sagen--und mehr als das: ich werde es tun! Ich werde ihm mein Vertrauen zeigen--das werde ich! Ich werde---
(Napoleon.) Ja, ja, Herr Leutnant--gewi? werden Sie das. Was f��r eine Art Mensch war er?
(Leutnant.) Nun, ich glaube, nach seinem Benehmen sollten Sie schlie?en k?nnen, was f��r eine Art Mensch das war.
(Napoleon.) Pah--Wie sah er aus?
(Leutnant.) Ausgesehen... Er sah aus wie... nun... Sie h?tten den Burschen blo? mal sehen m��ssen, dann w��rden Sie einen Begriff davon haben, wie er aussieht. F��nf Minuten, nachdem ich ihn erwischt habe, wird er nicht mehr so aussehen. Ich wiederhole Ihnen: wenn ich ihn jemals--
(Napoleon ruft w��tend nach dem Wirt:) Giuseppe! (Zum Leutnant, am Ende seiner Geduld:) Halten Sie jetzt Ihren Mund, wenn Sie k?nnen!
(Leutnant.) Ich mache Sie im voraus darauf aufmerksam, da? es umsonst ist, zu versuchen, mir die Schuld aufzuhalsen. (Klagend:) Wie h?tte ich wissen sollen, was f��r eine Art Mensch das ist. (Er nimmt einen Sessel, der zwischen der ?u?eren T��r und dem B��fett steht, stellt ihn an den Tisch und setzt sich.) Wenn Sie eine Ahnung h?tten, wie hungrig und m��de ich bin, w��rden Sie mehr R��cksicht nehmen.
(Giuseppe zur��ckkommend:) Was befehlen Exzellenz?
(Napoleon mit seinem Temperament k?mpfend:) Nimm diesen... diesen Offizier; gib' ihm zu essen; wenn n?tig, bring ihn zu Bett; und wenn er dann wieder bei Trost ist, trachte herauszubringen, was ihm passiert ist, und la? mich es wissen. (Zum Leutnant.) Betrachten Sie sich als Arrestanten, Herr Leutnant.--
(Leutnant ?rgerlich mit Steifheit:) Darauf war ich vorbereitet. Nur ein Edelmann kann einen Edelmann verstehen. (Er wirft seinen Degen auf den Tisch, Giuseppe nimmt ihn und bietet ihn Napoleon h?flich an, der ihn heftig auf das Sofa wirft.)
(Giuseppe mit Teilnahme:) Sind Sie von den ?sterreichern ��berfallen worden, Herr Leutnant? O weh, o weh!
(Leutnant verachtungsvoll:) ��berfallen! Ich h?tte sein R��ckgrat zwischen meinem Zeigefinger und Daumen zerbrechen k?nnen! Wenn ich es nur getan h?tte! Nein! ich bin hineingefallen, weil er an die bessere Seite meiner Natur appelliert hat--und dar��ber kann ich nicht hinwegkommen! Er sagte, da? ihm noch nie ein Mensch so gefallen h?tte wie ich, er schlang sein Taschentuch um meinen Nacken, weil mich eine M��cke gestochen hatte und mein Kragen mich wund rieb--sehen Sie! (Er zieht ein Taschentuch unter seinem Kragen bervor; Giuseppe nimmt und untersucht es.)
(Giuseppe zu Napoleon:) Das Taschentuch einer Dame, Exzellenz! (Er riecht daran:) Parf��miert!
(Napoleon.) Wie? (Er nimmt es und betrachtet es aufmerksam:) Hm! (Er riecht daran:) Ha! (Er geht, das Taschentuch betrachtend, nachdenklich durch das Zimmer und steckt es schlie?lich in seine Brusttasche.)
(Leutnant.) Jedenfalls pa?t es zu ihm. Ich bemerkte, da? er Weiberh?nde hatte, als er mein Genick ber��hrte in seiner schmeichlerisch t?ndelnden Art--dieser gemeine, weibische, kleine Hund! (Leiser, aber mit schauerlicher Heftigkeit:) Aber glauben Sie meinen Worten, Herr General: wenn ich ihn jemals---
(Die Stimme einer Dame drau?en wie zuvor:) Giuseppe!
(Leutnant erstarrt:) Was war das?
(Giuseppe.) Nur eine Dame ��ber uns, Herr Leutnant, die mich ruft.
(Leutnant.) Eine Dame!
(Stimme.) Giuseppe! Giuseppe! wo bleiben Sie!?
(Leutnant mordlustig:) Wo ist mein Degen? (Er st��rzt an das Sofa, ergreift seinen Degen und zieht ihn.)
(Giuseppe springt vor und fa?t seinen rechten Arm:) Was f?llt Ihnen denn ein, Herr Leutnant! Es ist eine Dame: h?ren Sie nicht, da? es eine weibliche Stimme ist?
(Leutnant.) Ich sage Ihnen, da? es seine Stimme ist--lassen Sie mich los! (Er st��rzt fort und will zur inneren
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