Der Ketzer von Soana | Page 8

Gerhart Hauptmann
das himmlischen Ursprungs und trotz wonnig-sinnlich-irdischen Auswirkens auch in allen seinen erbl��hten Freuden himmlisch ist.
Die Kastanienb?ume auf dem Platz, ��ber den der Priester mit seinem Begleiter zun?chst wieder schreiten mu?te, hatten aus braunen, klebrigen Knospen zarte, gr��ne H?ndchen gestreckt. Die Kinder l?rmten, nicht minder die Sperlinge, die unterm Kirchdach und in unz?hligen Schlupfl?chern der winkligen Ortschaft nisteten. Die ersten Schwalben zogen ihre weiten Schleifen von Soana ��ber den Abgrund der Schlucht, wo sie scheinbar dicht vor dem phantastisch get��rmten, unzug?nglichen Felsmassiv der Bergmauer abschwenkten. Dort oben auf Vorspr��ngen oder in Felsl?chern, wo nie eines Menschen Fu? hingedrungen war, horsteten Fischadler. Die gro?en, braunen P?rchen traten herrliche Fahrten an und schwebten, nur um zu schweben, in stundenlangen Dauerfl��gen ��ber Bergspitzen, immer h?her und h?her kreisend, als wollten sie majest?tisch, selbstvergessen, in die befreite Unendlichkeit des Raumes hinein.
��berall, nicht nur in der Luft, nicht nur in der braunen, aufgew��hlten oder mit Gras und Narzissen bekleideten Erde und allem, was sie durch Halme und St?mme in Bl?tter und Bl��ten aufsteigen lie?, sondern auch in den Menschen war das Festliche, und die braunen Gesichter der Bauern, die auf den Terrassen zwischen den Reihen der Weinst?cke mit Hacke oder gekr��mmtem Messer arbeiteten, strahlten von Sonnt?glichkeit: hatten doch ��berdies die meisten von ihnen das sogenannte Osterlamm, eine junge Ziege, bereits geschlachtet und mit zusammengebundenen Hinterl?ufen zu Hause am T��rpfosten aufgeh?ngt.
Die Weiber, die ganz besonders zahlreich und laut mit ihren gef��llten W?schek?rben um den ��berflie?enden Sarkophag aus Marmor versammelt waren, unterbrachen, als der Priester und sein Begleiter vor��berging, ihre l?rmende Heiterkeit. Auch am Ausgang des Dorfes standen W?scherinnen, wo unter einem kleinen Madonnenbild ein Wasserstrahl aus dem Felsen drang und sich ebenfalls in einen antiken Sarkophag aus Marmor ergo?. Beide St��cke, sowohl dieser Sarkophag, als jener, der auf dem Platze stand, waren vor l?ngerer Zeit aus einem Baumgarten voll tausendj?hriger Steineichen und Kastanien gehoben worden, wo sie seit undenklicher Zeit, nur wenig aus dem Boden hervorragend, unter Epheu und wildem Lorbeer versteckt, gestanden hatten.
Im Vor��bergehen bekreuzte sich Francesco, ja, unterbrach das Schreiten f��r einen Augenblick, um der lieblich mit Feldblumenopfern der Landleute umstellten Madonetta ��ber dem Sarkophag, mit einer Beugung des Knies zu huldigen. Zum ersten Male sah er dies kleine, von Bienen umsummte, liebliche Heiligtum, da er diesen oberen Teil der Ortschaft noch niemals besucht hatte. War Soana mit seinem unteren Teil, mit seiner Kirche und einigen mit gr��nen L?den geschm��ckten, h��bschen B��rgerh?usern um den terrassenartig untermauerten Kastanienplatz b��rgerlich beinahe wohlhabend und zeigte es dort in G?rten und G?rtchen bl��hende Mandelb?umchen, Orangen, hohe Zypressen, kurz, eine mehr s��dliche Vegetation, hier oben, einige hundert Schritte h?her hinauf, war es nur noch ein alpines, ?rmliches Hirtendorf, das nach Ziegen und Kuhstall duftete. Auch setzte hier ein mit Wackersteinen gepflasterter, ?u?erst steiler Bergweg ein, der durch t?glichen morgendlichen Auszug und abendlichen Einzug der gro?en Gemeinde-Ziegenherde gegl?ttet war; denn er f��hrte hinauf und hinaus zur Gemeindealm in das kesself?rmige Quellgebiet des Fl��?chens Savaglia, das weiter unten den herrlichen Wasserfall von Soana bildet und nach kurzem, rauschenden Lauf durch tiefe Schlucht im See von Lugano untergeht.
Nachdem der Priester, immer gef��hrt von seinem Begleiter, eine kurze Weile auf diesem Bergweg hinan geklettert war, stand er still, um aufzuatmen. Den gro?en, schwarzen, tellerartigen Hut mit der Linken vom Kopfe nehmend, hatte er mit der Rechten ein gro?es, buntes Taschentuch aus der Soutane gezogen, womit er die Schwei?perlen von seiner Stirn tupfte. Im allgemeinen ist der Natursinn, der Sinn eines italienischen Priesters f��r die Sch?nheit der Landschaft, nicht sonderlich. Aber der Weitblick von gro?er H?he und aus der sogenannten Vogelperspektive, wie man es nennt, ist doch ein Reiz, der auch den naivsten Menschen mitunter trifft und ihm ein gewisses Staunen abn?tigt. Francesco erblickte seine Kirche mitsamt der dazugeh?rigen Ortschaft bereits nur noch als ein Miniaturbild tief unter sich, w?hrend rings um ihn her die gewaltige Bergwelt, wie es schien, immer h?her gen Himmel ragte. In das Gef��hl des Fr��hjahrs mischte sich jetzt das Gef��hl des Erhabenen, das vielleicht aus einem Vergleich der eigenen Kleinheit mit den erdr��ckend gewaltigen Werken der Natur und ihrer drohenden, stummen N?he entstehen mag und das mit einem halben Bewu?tsein davon verbunden ist, da? wir doch auch an dieser ��bermacht auf irgendeine Weise teilhaben. Kurz, Francesco f��hlte sich erhaben-gro? und winzig-klein in ein und demselben Augenblick, und dies gab den Anla?, mit gewohnter Bewegung auf Stirn und Brust das vor Irrungen und D?monen sch��tzende Kreuz zu schlagen.
Im Weitersteigen hatten bald wieder religi?se Fragen und praktisch-kirchliche Angelegenheiten seines Sprengels von dem jugendlich eifrigen Klerikus Besitz ergriffen. Und als er wiederum diesmal am Eingang eines felsigen Hochtals stille stand und sich umwandte, hatte ihn der Anblick eines arg verwahrlosten, hier f��r die Hirten errichteten, gemauerten Heiligenschreins auf den Gedanken gebracht, alle vorhandenen Heiligt��mer seines Kirchspiels, und wenn sie noch so entlegen waren, aufzusuchen und in einen gottesw��rdigen Stand zu setzen. Er lie?
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