hielt, als
Kirchenbußen und Kirchenstrafen. Francesco dagegen war bleich und
zart. Sein Auge lag tief. Hektische Tupfen glühten auf der unreinen
Haut über seinen Backenknochen. Hierzu kam die Brille, in den Augen
einfacher Leute noch immer Symbol präzeptoraler Strenge und
Gelehrsamkeit. Er hatte nach Verlauf von vier bis sechs Wochen, auf
seine Art, die erst ein wenig widerspenstigen Weiber und Töchter des
Orts ebenfalls, und zwar noch mehr als der andere, in seine Gewalt
gebracht.
Sobald Francesco durch die kleine Pforte des an die Kirche
geschmiegten Pfarrhöfchens auf die Straße trat, ward er auch meist
schon von Kindern und Weibern umdrängt, die ihm mit wahrer
Ehrfurcht die Hand küßten. Und wie viele Male des Tags er durch die
kleine Kirchenschelle in den Beichtstuhl gerufen wurde, das machte am
Abend eine Zahl, die seiner neuangenommenen, beinahe
siebzigjährigen Haushälterin den Ruf entlockte: sie habe nie gewußt,
wieviele Engel in dem sonst ziemlich verderbten Soana verborgen
gewesen wären. Kurz, der Ruf des jungen Pfarrers Francesco erscholl
auch in der Umgegend weit und breit, und er kam sehr bald in den Ruf
eines Heiligen.
Von alledem ließ sich Francesco nicht anfechten und war weit davon
entfernt, irgendein anderes Bewußtsein in sich zu pflegen, als daß er
seinen Pflichten leidlich gerecht wurde. Er las seine Messen, vollzog
mit nie vermindertem Eifer alle kirchlichen Funktionen des
Gottesdiensts und -- das kleine Schulzimmer befand sich im Pfarrhause
-- versah auch überdies die Obliegenheiten des weltlichen
Schulunterrichts.
* * * * *
Eines Abends, zu Anfang des Monats März, wurde sehr heftig an der
Klingel des Pfarrhöfchens gerissen, und als die Schaffnerin öffnen kam
und mit dem Licht der Laterne in das schlechte Wetter hinausleuchtete,
stand vor der Tür ein etwas verwilderter Kerl, der den Pfarrer zu
sprechen wünschte. Nachdem die Schaffnerin erst die Pforte wieder
geschlossen hatte, begab sich die alte Person zu ihrem jungen Gebieter
hinein, um, nicht ohne merkbare Ängstlichkeit, den späten Besucher
anzumelden. Allein Francesco, der es sich unter anderem zur Pflicht
gemacht hatte, niemand, wer es auch sei, der seiner bedürfe,
abzuweisen, sagte nur kurz, von der Lektüre irgendeines Kirchenvaters
aufblickend: »Geh', Petronilla, führ ihn herein.«
Bald darauf stand vor dem Tische des Pfarrers ein etwa vierzigjähriger
Mann, dessen Äußeres das der Landleute jener Gegend war, nur weit
vernachlässigter, ja, verwahrloster. Der Mann ging barfuß. Eine
zerlumpte, regendurchnäßte Hose war über den Hüften von einem
Riemen festgehalten. Das Hemd stand offen. Die braune, behaarte
Brust setzte sich in eine buschige Kehle und in ein von Bart- und
Haupthaar schwarz und dicht umwuchertes Antlitz fort, aus dem zwei
dunkel glühende Augen hervorbrannten.
Eine aus Flicken bestehende, vom Regen durchnäßte Jacke hatte der
Mensch nach Hirtenart über die linke Schulter gehängt, während er
einen von Wind und Wetter vieler Jahre entfärbten und
zusammengeschrumpften, kleinen Filz, aufgeregt, mit den braunen und
harten Fäusten herumdrehte. Einen langen Knüttel hatte er vor dem
Eingang abgestellt.
Gefragt, was er wünschte, brachte der Mann unter wilden Grimassen
einen unverständlichen Schwall rauher Laute und Worte hervor, die
zwar der Mundart jener Gegend angehörten, aber wiederum einer Abart
davon, die selbst der in Soana geborenen Schaffnerin wie eine fremde
Sprache erschien.
Der junge Priester, der seinen Besuch neben der kleinen, brennenden
Lampe hin mit Aufmerksamkeit betrachtet hatte, bemühte sich
vergeblich, den Sinn seines Anliegens zu ergründen. Mit viel Geduld,
mittels zahlreicher Fragen, konnte er endlich soviel aus ihm
herausbringen, daß er Vater von sieben Kindern war, von denen er
einige gern in der Schule des jungen Priesters angebracht hätte.
Francesco fragte: »Wo seid Ihr her?« Und als die Antwort,
hervorgesprudelt: »Ich bin aus Soana« lautete, erstaunte der Priester
und sagte zugleich: »Das ist nicht möglich! ich kenne jedermann hier
am Ort! aber Euch und Eure Familie kenne ich nicht.«
Der Hirte, Bauer oder was er nun sein mochte, gab nun von der Lage
seines Wohnhauses eine von vielen Gesten begleitete, leidenschaftliche
Schilderung, aus der jedoch Francesco nicht klug wurde. Er meinte nur:
»Wenn Ihr Einwohner von Soana seid, und Eure Kinder das gesetzliche
Alter erreicht haben, so müßten sie doch ohnedies schon längst in
meiner Schule gewesen sein. Und ich müßte doch Euch oder Eure Frau
oder Eure Kinder beim Gottesdienst in der Kirche, bei Messe oder
Beichte, gesehen haben.«
Hier riß der Mann seine Augen auf und preßte die Lippen aufeinander.
Statt jeder Antwort stieß er, wie aus empörter und gepreßter Brust, den
Atem aus.
»Nun so werde ich mir Euren Namen aufschreiben. Ich finde es brav
von Euch, daß Ihr selber kommt und Schritte tut, damit Eure Kinder
nicht unwissend und womöglich gottlos bleiben.« Bei diesen Worten
des jungen Klerikers fing der zerlumpte Mensch, so daß sein brauner,
sehniger und beinahe athletischer Körper davon geschüttelt wurde, auf
eine sonderbare, beinahe tierische Art und Weise zu röcheln an. --
»Jawohl,« wiederholte betreten Francesco, »ich zeichne mir Euren
Namen auf und werde der Sache wegen
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