zu allen Fenstern heraussahen und
sich über die Kutsche von so fremder Gestalt und über die Passagiere
unterhielten, die gar nicht aus dem Wagen heraus wollten.
Da es endlich dem Riesenwirth scheinen wollte, als thue der Jäger seine
Schuldigkeit nicht, so trat er an den Kutschenschlag, um ihn zu öffnen,
wurde aber von dem Jäger ziemlich unsanft zur Seite geschoben. Da
öffnete sich von innen die Thüre und statt eines alten, gebrechlichen
Reisenden, den man vermuthet hatte, sprang schnell und leicht ein
junger Mann, in einen weiten Reisemantel gehüllt, heraus, und half mit
der rechten Hand, während er die linke unter dem Mantel verborgen
hielt, als trüge er etwas, einem, wie es schien, eben so jungen
Frauenzimmer aus dem Wagen. Ueber das Alter seiner Reisegefährtin
ließ sich nichts sagen, denn ein dichter Schleier verbarg ihr Angesicht;
aber mit rüstigen Schritten folgte sie dem Begleiter in ein Zimmer im
obern Stocke, indeß der Jäger sich mit den Koffern und Reisepäcken zu
schaffen machte.
Der Riesenwirth, der die Fremden auf ihr Zimmer geleitete, sprach vom
Wetter und vom Vergnügen, das er habe, solche vornehme Marktgäste
beherbergen zu dürfen, und wie er es bedaure, den Herrschaften heute
kein besseres Zimmer anbieten zu können, sintemal die Marktbesucher
schon Alles besetzt hätten, und machte Bücklinge über Bücklinge; aber
es kam aus dem Munde der Fremden keine Antwort. Ein Wink des
Herrn nach der Thüre gab zu vergehen, daß die Reisenden allein zu sein
wünschten, und kopfschüttelnd entfernte sich der Riesenwirth. Nach
einiger Zeit erschien der Jäger, der ab- und zugegangen war, und
verlangte für seine Herrschaft ein Mittagessen, nahm aber alle
Schüsseln dem Riesenwirth vor der Thüre ab und trug sie selber hinein.
Das kam dem Wirthe immer sonderbarer vor, und er säumte nicht,
seinen Gästen mitzutheilen, wie in seiner langen Wirthschaft ihm so
eigne Leute noch nicht vorgekommen seien, und wie dahinter gewiß
etwas stecke. Und die Gäste theilten seine Meinung und blickten von
Zeit zu Zeit hinab auf die Straße und staunten den Wagen an, vor dem
bereits eine Anzahl Schaulustiger sich gesammelt hatten.
»Hätte ich nicht mit meinen Augen gesehen, wie der Jäger das
Fuhrwerk ausgepackt bis auf den Grund, es möchte mich schier
bedünken, es wär' noch allerei fremdes Gethier in dem Kasten«, sagte
Einer aus den Umstehenden. »Und sehet nur«, hub ein Zweiter an, »wie
tief die Axen hinabreichen, fast scheint es, der Wagenkasten schleife
auf dem Boden. Es sieht das Ding fast einer Feuerspritze ähnlicher,
denn einem Herrnwagen.« »Aber das bleibt gewiß«, sprach ein Dritter,
»schön ist das Fuhrwerk; seht nur, wie bunt die Räder gemalt sind; und
so wahr ich lebe, Goldleisten überall. Gebt Acht, das sind keine
geringen Leute, die also fahren; aber weit her sind sie, darauf möcht'
ich wetten!«
So ging eine Stunde des Gallustages nach der andern hin. Der Markt
vor der Stadt nahm seinen fröhlichen Fortgang, die Gäste im Riesen
gingen aus und ein, und der Jäger bediente die fremde Herrschaft allein.
Als es Abend ward, trat er unter das Thor und schaute sich die
Marktbesucher an, wie sie gingen und kamen. Eben ward das
Marktglöcklein gezogen, zum Zeichen, daß für heute das Kaufen und
Verkaufen aufhören solle, da trat der Riesenwirth zu dem Jäger heran
und sagte, auf das Fuhrwerk der Fremden zeigend: »Schön Fuhrwerk
das!« »Wem's gefällt«, war des Jägers Antwort. »Scheint im Ausland
gebaut zu sein?« »Denk's auch«, sagte der Jäger. »Ist die Herrschaft
schon lang auf der Reise?« fragte der Riesenwirth. »Ziemlich!« --
»Weit her?« -- »Soll's meinen!« »Aus Frankreich?« -- »Nein!« --
»Holland?« -- »Ja!« -- »Also aus Holland ist die Herrschaft?« fragte
erfreut der Riesenwirth. »O das ist schön, große Ehre für Grünberg.
Doch wohl ein Kaufmann, der auf unserm Gallusmarkt denkt Geschäfte
zu machen? Glück zu! Gibt auch nur einen Gallusmarkt auf weit und
breit.« Damit folgte der Riesenwirth zweien Gästen, die eben in sein
Haus eingingen.
»Hört Landsmann«, rief der Jäger einem Bauer zu, der näher getreten
war, sich das fremde Fuhrwerk zu besehen, »wo seid ihr her, wenn's
erlaubt ist, zu fragen?« Der Bauer lüftete seinen dreieckigen Hut und
sprach »Wie's euren Edlen gefällt, ich bin von Göbelnrod.« »Nun dann
seid ihr ja nicht weit vom Veitsberg«, sprach der Jäger, »und könnt mir
wohl sagen, ob der Schulmeister Justus noch lebt?« -- »Wird wohl noch
leben«, war des Bauers Antwort, »denn wär' er gestorben, so hätt' ich's
sicher erfahren. Doch wart', alleweile fällt mir ein, daß der
Kalendermann noch lebt. Denn mein Nachbar, der Bornpeter, sagte
vorgestern zu mir, er wolle bald auf den Veitsberg, und sich den
Kalender holen für's künftige Jahr. Wenn ihr den Schulmeister kennt,
so wißt ihr auch, daß Keiner auf weit und breit den Kalender besser
versteht, denn der Justus. Ehe die Sterngucker, Gott weiß wo sie sind,
ihn gemacht haben, da haben wir ihn hier herum längst und Einer
schreibt
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