ist der Obermaschinist ein Rumäne? Er heißt Schubal. Das ist
doch nicht zu glauben. Und dieser Lumpenhund schindet uns Deutsche
auf einem deutschen Schiff. Glauben Sie nicht« -- ihm ging die Luft
aus, er fackelte mit der Hand -- »daß ich klage, um zu klagen. Ich weiß,
daß Sie keinen Einfluß haben und selbst ein armes Bürschchen sind.
Aber es ist zu arg!« Und er schlug auf den Tisch mehrmals mit der
Faust und ließ kein Auge von ihr, während er schlug. »Ich habe doch
schon auf so vielen Schiffen gedient« -- und er nannte zwanzig Namen
hintereinander als sei es ein Wort, Karl wurde ganz wirr -- »und habe
mich ausgezeichnet, bin belobt worden, war ein Arbeiter nach dem
Geschmack meiner Kapitäne, sogar auf dem gleichen Handelssegler
war ich einige Jahre« -- er erhob sich, als sei das der Höhepunkt seines
Lebens -- »und hier auf diesem Kasten, wo alles nach der Schnur
eingerichtet ist, wo kein Witz erfordert wird, hier taug' ich nichts, hier
stehe ich dem Schubal immer im Wege, bin ein Faulpelz, verdiene
hinausgeworfen zu werden und bekomme meinen Lohn aus Gnade.
Verstehen Sie das? Ich nicht.« »Das dürfen Sie sich nicht gefallen
lassen,« sagte Karl aufgeregt. Er hatte fast das Gefühl davon verloren,
daß er auf dem unsicheren Boden eines Schiffes, an der Küste eines
unbekannten Erdteils war, so heimisch war ihm hier auf dem Bett des
Heizers zumute. »Waren Sie schon beim Kapitän? Haben Sie schon bei
ihm Ihr Recht gesucht?« »Ach gehen Sie, gehen Sie lieber weg. Ich
will Sie nicht hier haben. Sie hören nicht zu was ich sage und geben
mir Ratschläge. Wie soll ich denn zum Kapitän gehen!« Und müde
setzte sich der Heizer wieder und legte das Gesicht in beide Hände.
»Einen besseren Rat kann ich ihm nicht geben,« sagte sich Karl. Und er
fand überhaupt, daß er lieber seinen Koffer hätte holen sollen, statt hier
Ratschläge zu geben, die doch nur für dumm gehalten wurden. Als ihm
der Vater den Koffer für immer übergeben hatte, hatte er im Scherz
gefragt: »Wielange wirst Du ihn haben?« und jetzt war dieser teuere
Koffer vielleicht schon im Ernst verloren. Der einzige Trost war noch,
daß der Vater von seiner jetzigen Lage kaum erfahren konnte, selbst
wenn er nachforschen sollte. Nur daß er bis New York mitgekommen
war, konnte die Schiffsgesellschaft gerade noch sagen. Leid tat es aber
Karl, daß er die Sachen im Koffer noch kaum verwendet hatte,
trotzdem er es beispielsweise längst nötig gehabt hätte, das Hemd zu
wechseln. Da hatte er also am unrichtigen Ort gespart; jetzt, wo er es
gerade am Beginn seiner Laufbahn nötig haben würde, rein gekleidet
aufzutreten, würde er im schmutzigen Hemd erscheinen müssen. Sonst
wäre der Verlust des Koffers nicht gar so arg gewesen, denn der Anzug,
den er anhatte, war sogar besser, als jener im Koffer, der eigentlich nur
ein Notanzug war, den die Mutter noch knapp vor der Abreise hatte
flicken müssen. Jetzt erinnerte er sich auch, daß im Koffer noch ein
Stück Veroneser Salami war, die ihm die Mutter als Extragabe
eingepackt hatte, von der er jedoch nur den kleinsten Teil hatte
aufessen können, da er während der Fahrt ganz ohne Appetit gewesen
war und die Suppe, die im Zwischendeck zur Verteilung kam, ihm
reichlich genügt hatte. Jetzt hätte er aber die Wurst gern bei der Hand
gehabt, um sie dem Heizer zu verehren. Denn solche Leute sind leicht
gewonnen, wenn man ihnen irgendeine Kleinigkeit zusteckt, das wußte
Karl noch von seinem Vater her, welcher durch Zigarrenverteilung alle
die niedrigeren Angestellten gewann, mit denen er geschäftlich zu tun
hatte. Jetzt besaß Karl an Verschenkbarem nur noch sein Geld, und das
wollte er, wenn er schon vielleicht den Koffer verloren haben sollte,
vorläufig nicht anrühren. Wieder kehrten seine Gedanken zum Koffer
zurück, und er konnte jetzt wirklich nicht einsehen, warum er den
Koffer während der Fahrt so aufmerksam bewacht hatte, daß ihm die
Wache fast den Schlaf gekostet hatte, wenn er jetzt diesen gleichen
Koffer so leicht sich hatte wegnehmen lassen. Er erinnerte sich an die
fünf Nächte, während derer er einen kleinen Slowaken, der zwei
Schlafstellen links von ihm gelegen war, unausgesetzt im Verdacht
gehabt hatte, daß er es auf seinen Koffer abgesehen habe. Dieser
Slowake hatte nur darauf gelauert, daß Karl endlich, von Schwäche
befallen, für einen Augenblick einnicke, damit er den Koffer mit einer
langen Stange, mit der er immer während des Tages spielte oder übte,
zu sich hinüberziehen könne. Bei Tag sah dieser Slowake genug
unschuldig aus, aber kaum war die Nacht gekommen, erhob er sich von
Zeit zu Zeit von seinem Lager und sah traurig zu Karls Koffer hinüber.
Karl konnte dies ganz deutlich erkennen, denn immer hatte hie und da
jemand mit der Unruhe des Auswanderers ein Lichtchen angezündet,
trotzdem dies nach der Schiffsordnung verboten war, und versuchte,
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.