Der Gwissenswurm | Page 6

Ludwig Anzengruber

Grillhofer. No, no, nur vertraglich! Was sagst, du verzeigst ihm, wann
d' ihm was nachtragn willst?
Dusterer. Hat er s' angnommen, dö Verzeihung--hat er s'angnommen?
Han?
Grillhofer. Ah was, auf 'm Stubenbodn wird er s' nit liegen lassen habn!
--Solang ich die Augen offen hab, will ich net sehn, wie mein Anwesen
zruckgeht, der Wastl is wie a Pfleger drauf. Tat keiner gut, der ihn
weggab. Du verstehst dich a mehr aufs Himmelreich als auf d'
Wirtschaft!
Dusterer. Wohl, wohl. Z' wirtschaften hat's wenig gebn, da muß oans
auf 'n himmlischen Vater vertraun. Daß ich sag, ja, daß ich sag, es war
mir vorhin nur um die Pfeifen, weil a Anfeuchtung is beim
Reden--weißt, mir redt sich trocken so schwer.
Grillhofer. D'Rosl muß eh glei ein Wein bringen.
Dusterer. No nochert is schon recht, nochert is schon recht. Dann wölln
mer weiterredn. Mein Seel, ich bin so austrückert da h'rum als hätt
mich die glütende Hölluft anblasen.
Grillhofer. Warst leicht unt auf ein klein Bsuch?
Dusterer. Dös net, Schwager, dös net, aber glesen hab ich davon.
Grillhofer. In ein Buch stund's aufzeichnet?
Dusterer. In ein großen, dicken Buch--wie dös, so dick--sein auch
Bilder dabei, alles, wie's zugeht; es ist grausam anzschaun, sag ich dir.
Grillhofer. So, so, ja freilich wann's bschriebn is, ja freilich nachher!
--Mußt mir's lesen lassen!
Dusterer. Gwiß Schwoger, gwiß! Sobald so weit bist, daß dir
einwendig denken kannst: "Dich trifft's neama, du bist draust!", dann is
aber a rechte Herzfreud, wann ma so davon lest und denkt sich all seine
Feind und Unfriedmacher in die Qual hinein. Dös is dir a so a
Vergnüglichkeit, wie beispielmäßig, wann's dir dein Anrainer die ganze
Feldfrucht vernagelt, dir biegt's kein Halmerl um.
Grillhofer. Jo, aber wo bleibt denn da die christlich Nächstenlieb?
Dusterer. Richtig, richtig, die hon ich beispielmäßig ganz vergessen.
Aber wo bleibt denn der Wein?

Anzengruber: Der Gwissenswurm, I. Akt, 7. Szene

Siebente Szene
Vorige. Rosl.
Rosl (bringt eine Flasche mit Wein, dazu ein Glas und einen Teller,
worauf ein Stück Rauchfleisch und ein Brot, und stellt es vor Dusterer
auf den Tisch). Gsegn's Gott!
Dusterer. Vergelt's Gott! Schau, die Rosl--die Rosel no, du bist ja no
allweil so sauber beinander, wie's jüngste Dirndl! (Schenkt rasch ein.)
Verlaubst schon, Schwoger, daß sie mir Bescheid tut! (Nötigt ihr das
Glas auf, indem er sie um die Hüfte faßt.)
Rosl. Wann's erlaubt ist? Dein Wohlsein!
Dusterer (tätschelt sie im Rücken). No, bleibst wohl hübsch
ledig--hübsch ledig--und brav?
Rosl (macht sich los und schlägt ihn auf die Hand). Was is denn dös?
(Ab.)

Anzengruber: Der Gwissenswurm, I. Akt, 8. Szene

Achte Szene
Vorige, ohne Rosl.
Dusterer. No, no--is a dalkets Ding, die Rosl.--Grillhofer, am
Schürzenbandl bin ich ihr hängenbliebn, ja, ja, am Schürzenbandl,
sunst nix! (Trinkt.) Ah, das is a Tropfen! (Stellt das Glas vor sich hin.)
Ja, daß ich also sag, Schwoger, weil ich mich hizt leichter mit dir red
und weil wir allein sind.--Grillhofer (erhebt sich feierlich), Grillhofer,
mir machst nix weis! (Schenkt im Stehen wieder ein.)
Grillhofer. Wie meinst dö Red?
Dusterer (setzt sich, indem er den Wein austrinkt). Schwoger, ich weiß,
warum ich dir gsagt hab, daß ich dir das Höllbüchl erst spater
bring.--Ich hab dich fruher betracht--du hast gsagt, besser wär
dir.--Laugn's net--wir sein hizt unter vier Augen--dir is übler als
gestern.
Grillhofer. No, werd ich's leicht laugnen unter uns? Nur vorm Wastl,
daß er sein vorlauten Wesen Einhalt tut, hab ich's gsagt. Aber ich muß's
wissen, daß mir einwendig wohler ist, die Seel is mir gsünder wie
jemal.
Dusterer. Dös gab der liebe Herrgott, aber leicht is dös Ganze nur a

hoffartig Einbildung von dir. (Erhebt sich wie oben.) Grillhofer, weißt,
warum dir net besser is? (Schenkt ein.)
Grillhofer. Wußt's net.
Dusterer. Weil dir die Bußhaftigkeit fehlt. (Setzt sich und trinkt aus.)
Weil dir die Bußhaftigkeit fehlt.
Grillhofer. Dös wußt ich a net.
Dusterer. Grillhofer, glaub mir, wann i dir was sag! Dir fehlt die
Bußhaftigkeit!
Grillhofer. Möcht wissen, warum!
Dusterer. So, so--beispielmäßig laß dir sagn, es is a Unterschied
zwischen Frummheit und Frummheit und Reuhaftigkeit und
Reuhaftigkeit, wie zwischen 'm Rosolie und 'm Wacholder, der eine is
zur Hochfahrt, der andere warmt ein'm 's Einwendige. (Erhebt sich wie
oben.) Grillhofer, es steht geschrieben: "Wer mir nachfolgen will -"
Grillhofer. "Der nehme sein Kreuz auf sich!"
Dusterer. Nein.
Grillhofer. Was na? Nachher nöt.
Dusterer. Das heißt, so steht wohl a gschriebn, aber so mein ich net, 's
Kreuz hast schon auf dir. Aber es steht ferner geschrieben: "Wenn du
mir willst nachfolgen, so wirf dein Gut ins Meer!"
Grillhofer. Tragst du mein Hof auf 'm Buckel hin bis zum Meer?
Dusterer. "Ins Meer und teile es mit den Armen." (Setzt sich und trinkt
aus.)
Grillhofer. So kann net gschrieben stehn!
Dusterer. Warum?
Grillhofer. Wann ich's ins Meer wirf, kriegn's ja die Fisch und
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