Der Fall Deruga | Page 6

Ricarda Huch
nachmittag w?hrend der Sitzung nicht lesen oder noch lieber schlafen? Das Zeug langweilt mich unbeschreiblich, Sie k?nnten mir ja einen Sto? geben, wenn ich mich bet?tigen mu?.?
?Machen Sie keine Dummheiten,? sagte der Justizrat; ?heute nachmittag wird wahrscheinlich der Hofrat von M?ulchen vernommen, der sehr schlecht f��r Sie aussagen wird. Sie m��ssen also aufpassen, ob Sie ihm nicht Ihrerseits etwas am Zeuge flicken k?nnen.?
?Am Zeuge flicken!? rief Deruga aus. ?Umbringen m?chte ich ihn. Ich hasse diesen Menschen, vielmehr diesen rosa Wachsgu? ��ber einer Kloake.?
?H?ren Sie, Deruga,? sagte der Justizrat. ?Ich verstehe Sie ?fters nicht, doch das am wenigsten, wie Sie einem Menschen Geld schuldig bleiben mochten, den Sie ha?ten. Sie h?tten doch das Geld auch von anderer Seite haben k?nnen, zum Beispiel von dem guten Verzielli.?
?Wahrscheinlich h?tte es Ihr Ehrgef��hl verletzt, einem verha?ten Menschen Geld zu schulden,? sagte Deruga. ?Sehen Sie, bei mir ist das anders. Mir machte es Vergn��gen zu sehen, was f��r Angst er um seine Taler hatte, und wie er sich qu?lte, die Angst nicht merken zu lassen, sondern den Anschein zu wahren, als w?re es ihm ganz gleichg��ltig. Denn er will erstens f��r unerme?lich reich und zweitens f��r sehr weitherzig in Geldsachen gelten. H?tte ich Geld im ��berflu? gehabt, w��rde ich ihn wahrscheinlich doch nicht ausbezahlt haben, um ihn zappeln zu sehen.?
?Ich glaube, Sie k?nnen f��rchterlich hassen,? sagte der Justizrat nachdenklich, indem er den Doktor nicht ohne Bewunderung von der Seite betrachtete.
Dieser lachte herzhaft und ausgiebig wie ein Kind. ?Das kann ich allerdings,? sagte er. ?Ich m?chte manchmal einem ein Messer im Herzen herumdrehen, nur weil mir seine Mundwinkel nicht gefallen. Ich will mich aber heute nachmittag Ihnen zuliebe zusammennehmen, so gut ich kann.?
?Ja, darum bitte ich,? sagte der Justizrat, ?ich f��hle mich doch etwas verantwortlich f��r Sie.?
* * * * *
Hofrat von M?ulchen erschien in gew?hlter Kleidung, in einen angenehmen, mond?nen Duft getaucht, mit dem leichten und sicheren Gang dessen, den allgemeine Beliebtheit tr?gt, im Schwurgerichtssaale. Die Eidesformel, die der Pr?sident ihm vorsprach, wiederholte er mit liebensw��rdiger Gef?lligkeit und einem leicht fragenden Ausklang, so, als wolle er sich bei jedem Satz vergewissern, ob es dem Vorsitzenden und dem lieben Gott so auch recht w?re.
?Der Angeklagte,? begann =Dr.= Zeunemann das Verh?r, als alle F?rmlichkeiten abgetan waren, ?ist Ihnen seit Mai 19.., also seit f��nf Jahren, sechstausend Mark schuldig. Wollen Sie, bitte, erz?hlen, wie Sie den Angeklagten kennenlernten, und wie es kam, da? er das Geld von Ihnen borgte!?
?Beides ist schnell getan,? sagte der Hofrat. ?Ich lernte Deruga im ?rztlichen Verein kennen, au?erdem hat er mich gelegentlich einer kleinen Wucherung in der Nase behandelt. Kollegen empfahlen ihn mir, weil er eine besonders leichte Hand habe, was meine eigene Erfahrung best?tigt hat. Es handelte sich bei mir allerdings um einen sehr einfachen Fall, aber auch darin kann man ja seine F?higkeiten beweisen. Gewisse kleine Originalit?ten und Wunderlichkeiten hatte er an sich, zum Beispiel erinnere ich mich, da? er mich immer in der Erwartung hielt, als k?me etwas au?erordentlich Schmerzhaftes, was doch gar nicht der Fall war. Ich habe sagen h?ren, da? er nach Belieben, sagen wir nach Laune, die Patienten ganz schmerzlos oder sehr grob behandelte. Aber das geh?rt eigentlich nicht hierher, und so weit meine pers?nliche Erfahrung reicht, kann ich ihn als Arzt nur loben. Als ich nun gelegentlich eine Bemerkung ��ber die sch?bige Ausstattung seines Wartezimmers machte, sagte er mir, er habe kein Geld, um sich so einzurichten, wie er m?chte, worauf ich ihm, einem augenblicklichen Gef��hl folgend, so viel anbot, wie er brauchte. Ich bin vielleicht kein sehr besonnener Rechner,? schaltete der Hofrat mit einem L?cheln ein, ?aber in diesem Falle, einem Kollegen und t��chtigen Arzt gegen��ber, glaubte ich gar nichts zu riskieren.?
?Hat der Angeklagte das Geld f��r eine neue Einrichtung verwendet?? fragte der Vorsitzende.
?Dar��ber kann ich aus eigener Anschauung nichts sagen,? antwortete der Hofrat. ?Es wurde mir sp?ter einmal zugetragen, geschwatzt wird ja viel, die Sessel seines Wartezimmers w��rden immer sch?biger; begreiflicherweise habe ich es aber vermieden, ihn aufzusuchen und mich dar��ber zu unterrichten.?
?Wollen Sie sich dazu ?u?ern?? wendete sich der Vorsitzende gegen Deruga. ?Haben Sie sich f��r das geliehene Geld Ihr Wartezimmer neu eingerichtet??
?Geh?rt das hierher?? fragte Deruga. ?Ich glaubte immer, man k?nne sein Geld verwenden, wie man wolle, einerlei, ob es geliehen oder gestohlen ist.?
?Sie verweigern also die Antwort??
?Soviel ich mich erinnere,? sagte Deruga m��rrisch, ?habe ich Instrumente, moderne Apparate, einen Operationsstuhl und dergleichen daf��r gekauft.?
?Sie haben,? setzte der Pr?sident die Zeugenvernehmung fort, ?im Laufe der n?chsten Jahre den Angeklagten niemals gemahnt??
?Bewahre,? erwiderte der Hofrat. ?Einen Kollegen! ��berhaupt w��rde ich das ohne gen��gende Gr��nde niemals tun. Ich hatte das Geld eigentlich schon verloren gegeben, denn das Gerede ging, als betriebe Deruga seine Praxis nur nachl?ssig und f��hre ein sehr ungeregeltes Leben. Ich habe ��brigens, wie ich gleich vorausschicken will, der Wahrheit dieses Geredes nicht nachgeforscht und bitte, keine Schl��sse daraus zu ziehen.?
?So gehen
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