Wer ist da?
TOGNINA. Schöner junger Herr! werden Sie nicht böse, daß ich so
ungebeten herein komme. Ich bin hierher gewiesen, ich bin eine arme
Waise, die Vater und Mutter verloren hat, und sich kümmerlich von
ihrer Hände Arbeit nähren muß.
ROBERT. Das sieht man euch nicht an.
TOGNINA. Alles, was ich mir verdiene, wend ich auf meine Kleidung.
Ich denke, es steht einem jungen Mädchen nicht so übel an, als wenn
sie das bißchen Schönheit, das ihr der Himmel gab, nicht einmal sucht
an den Tag zu legen. Ich will nicht gefallen, gnädiger Herr, (ihn zärtlich
ansehend) ich weiß wohl, daß ich nicht im Stande bin, Zärtlichkeit
einzuflößen; aber zum wenigsten bin ich hochmütig genug, daß ich
niemand durch meine Gestalt beleidigen mag.
ROBERT. Was wollt ihr von mir?
TOGNINA. (etwas verwirrt.) Von Ihnen?--was ich von Ihnen
will?--Das ist eine seltsame Frage, die ich Ihnen so geschwind nicht
beantworten kann. Ich höre, daß Sie krank sind, schöner junger Herr,
Sie brauchen Pflege, Sie brauchen Aufwartung. Sie brauchen vielleicht
auf die Nacht eine Wärterin.
ROBERT. (die Zähne knirschend.) Wer hat euch gesagt, daß ich krank
sei?
TOGNINA. Niemand, gütiger Herr--die Frau vom Hause hat es mir
gesagt--und in der Tat, man sieht es Ihnen an; (seine Hand fassend.)
Dieser Puls will mir nicht gefallen. (streift ihm den Arm auf.) Was für
einen schönen weißen Arm Si ehaben--und wie nervigt! dieser Arm
könnte Herkules Keule tragen.
ROBERT. (reißt ich los von ihr, richtet sich auf, und sieht sie starr an.)
Wer seid ihr?
TOGNINA. Ich bin--ich habe es Ihnen ja schon gesagt, wer ich bin.
ROBERT. Ihr seid eine Zauberin; aber (auf sein Herz weisend) hier ist
Stein, Kieselstein. Wißt ihr das?
TOGNINA. Das gesteh ich.--Haben Sie noch nie geliebt?--Ich muß
Ihnen doch sagen, hier ward gestern eine neue Oper gegeben--Die
Scythen, oder der Sieg des Liebesgottes--Unvergleichlich, Mylord;
gewiß--Es war auch so ein junger Herr drinne, wie Sie, der alles
Frauenzimmer verachtete. Aber was meinen Sie wohl, womit die
Liebesgöttin und die Amors ihn bekämpften? Raten Sie einmal, ich
bitte Sie, was für fürchterliche Waffen sie seiner knotigen Keule
entgegen setzten?
ROBERT. Vergiftete Blicke, wie die eurigen.
TOGNINA. Blumen, junger Herr, nichts als arme Blumen--(reißt sich
eine Rose von der Brust, und wirft ihn damit.) Sehen Sie, so machten
sies--Spielend (eine aus ihrem Haarputze) Spielend. (wieder eine
andere von ihrer Brust.) spielend überwanden sie ihn. Hahaha, (ihn an
die Hand fassend) ist das nicht lustig, mein kleines Herzchen?
ROBERT. (verstohlen, die Zähne knirschend.) O unbarmherziger
Himmel! --Armida!--(Tognina ans Knie fassend.) Ihr seid gefährlich,
Kleine! voll Lüsternheit! voll Liebreiz! Laßt uns allein bleiben, ich
habe euch viel zu sagen.
(Sie winkt den Bedienten, die gehen heraus.)
ROBERT. (zieht das Portrait aus dem Busen.) Seht, hier hab ich ein
Bild, das allein ist euch im Wege. Wenn ihr Meisterin von meinem
Herzen werden wollt, gebt mir eine Schere, daß ich es von diesem
Halse löse, dan den ich es damals leider, ach, auf ewig knüpfte! Ich bin
nicht im Stande, euch in eurer zauberreiches Auge zu sehen, eure
weiche Hand gegen mein Herz zu drücken, euren glühenden Lippen
meinen zitternden Mund entgegen zu strecken, so lang dies Bild an
meinem Halse hängt.
TOGNINA. Gleich, gnädiger Herr! (zieht eine Schere aus ihrem Etui,
und sett sich aufs Bett, ihm das Bild abzulösen.)
ROBERT. (reißt ihr die Schere aus der Hand, und gibt sich einen Stich
in die Gurgel.) Grisette! hab ich dich endlich doch überlistet.
TOGNINA. Ich in des Todes! Hülfe!--(läuft heraus.)
ROBERT. Ists denn so weit--(breitet die Arme aus.) Ich komme, ich
komme!--Furchtbarstes aller Wesen! an dessen Dasein ich so lange
zweifelte; das ich zu meinem Trost leugnete, ich fühle dich--Du, der du
meine Seele hierher gesetzt! du, der sie wieder in seine grausame
Gewalt nimmt. Nur nicht verbiete mir, daß ich ihrer nicht mehr denken
darf. Eine lange, furchtbare Ewigkeit ohne sie. Sieh, wenn ich
gesündigt habe, ich will gern Straf und Marter dulden; Höllenqualen
dulden, wie du sie mir auflegen magst; nur laß das Andenken an sie sie
mir versüßen.
(Lord Hot, Lord Hamilton, Bedienten und Tognina kommen.)
LORD HOT. Ich unglücklicher Vater!
HAMILTON. Er wird sich nur geritzt haben.
LORD HOT. Verbindt ihn; er verblutet sich. (reißt ein Schnupftuch aus
der Tasche, und sucht das Blut aufzuhalten.) Kommt denn der
Wundarzt noch nicht? So lauft denn jemand anderswo nach ihm! lauft
alle miteinander nach ihm!--Das sind die Folgen deiner Politik,
Hamilton.
HAMILTON. (zu Tognina.) Ihr ward rasend, daß ihr ihm das Messer in
die Hand gabt.
TOGNINA. Er tat so ruhig, gnädiger Herr.
LORD HOT. Mörder! Mörder! allezusammen! ihr habt mich um
meinen Sohn gebracht.
HAMILTON. Es kann unmöglich so gefährlich sein.
ROBERT. (im Wundfieber.) Nein, Armida! nein!--so viel Augen haben
nach mir gefunkelt! so viel Busen nach mir sich ausgedehnt! ich hätte
so viel Vergnügen haben können--nein, das ist nicht dankbar.
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